Verschmelzung nach Forderungsverzicht mit Besserungsabrede

Wird eine vermögenslose und inaktive Kapitalgesellschaft, deren Gesellschafter ihr gegenüber auf Darlehensforderungen mit Besserungsschein verzichtet hatten, auf eine finanziell gut ausgestattete Schwesterkapitalgesellschaft mit der weiteren Folge des Eintritts des Besserungsfalls und dem „Wiederaufleben“ der Forderungen verschmolzen, so kann die beim übernehmenden Rechtsträger ausgelöste Passivierungspflicht durch eine außerbilanzielle Hinzurechnung wegen einer vGA zu korrigieren sein. Weder umwandlungssteuerrechtliche Sonderregelungen noch der ursprünglich betriebliche Charakter der Darlehensverbindlichkeiten bei der übertragenden Körperschaft stehen der Annahme einer vGA entgegen.

Verschmelzung nach Forderungsverzicht mit Besserungsabrede

Es kann daher in einem solchen Fall dahinstehen, ob und in welcher Höhe die aufnehmende Gesellschaft Besserungsscheinverpflichtungen gewinnmindernd zu passivieren hat. Jedenfalls wäre im Umfang der Gewinnminderung eine außerbilanzielle Einkommenskorrektur wegen einer vGA vorzunehmen.

Passivierungspflicht aufgrund des Besserungsfalles

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall ist das Finanzgericht Hamburg[1] in der Vorinstanz hinsichtlich des ersten Streitpunkts (Passivierung von Verbindlichkeiten) im Anschluss an die höchstrichterliche Rechtsprechung[2] davon ausgegangen, dass die Gesellschafter der aufgenommenen Gesellschaft im Mai 1995 unter der auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) des Erzielens künftiger Gewinne auf ihre Darlehensforderungen verzichtet haben (Erlass gemäß § 397 Abs. 1 BGB) und die hieraus resultierenden Besserungsscheinverpflichtungen im Zuge der Verschmelzung auf die aufnehmenden Gesellschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin übergegangen sind[3]. Die auflösende Bedingung für den Forderungsverzicht und damit für das Wiederaufleben der Verpflichtungen sei auf Seiten der aufnehmenden Gesellschaft eingetreten, weil diese zum 31.12 1996 in Höhe von … DM einen handelsrechtlichen Bilanzgewinn erzielt habe. In entsprechender Höhe sei gewinnwirksam ein Passivposten zu bilden. Im Übrigen stellten die übergegangenen Verpflichtungen jedoch keine wirtschaftliche Last dar, weil nach dem Inhalt der von den Gesellschaftern der aufgenommenen Gesellschaft abgegebenen Verzichtserklärungen Zahlungen erst aus künftigen -den Bilanzgewinn 1996 übersteigenden- Überschüssen geleistet werden müssten. Übereinstimmend mit der Entscheidung der Vorinstanz gehen auch die Beteiligten davon aus, dass zumindest dem Grunde nach eine Passivierung geboten ist. Die aufnehmenden Gesellschaft ist darüber hinaus der Auffassung, dass in den Verzichtserklärungen der Gesellschafter auf den handelsrechtlichen Bilanzgewinn abgestellt worden und eine zur Passivierung nötigende wirtschaftliche Belastung schon dann gegeben sei, wenn sich ein solcher Bilanzgewinn aus einer Auflösung der -im Streitfall vorhandenen- Kapitalrücklage, d.h. dem gegenwärtigen Schuldnervermögen, ergeben könnte.

Der Bundesfinanzhof hat allerdings Zweifel, ob die Grundannahme des Finanzgericht und der Beteiligten, dass der Besserungsfall im Hinblick auf das vorhandene (Kapitalrücklage) und entstehende Vermögen (Bilanzgewinn 1996) der aufnehmenden Gesellschaft eingetreten sein soll, trägt oder ob nicht die Verzichtserklärungen und die Besserungsabreden nach den im Verzichtszeitpunkt gegebenen Umständen so zu verstehen sind, dass es auf die Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse gerade des vom Verzicht begünstigten Schuldners, also der aufgenommenen Gesellschaft, ankommt. Weitere Folge hiervon wäre, dass die so verstandene Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse die später im Wege der Verschmelzung mit der aufnehmenden Gesellschaft erfolgte Zuführung von deren Vermögen nicht erfasst. Darauf und auf die Frage der richtigen Passivierungshöhe kommt es indes nicht an, weil in Höhe einer etwaigen Passivierung eine vGA und damit eine außerbilanzielle Hinzurechnung anzusetzen wäre.

Verdeckte Gewinnausschüttung aufgrund der Verschmelzung

Letzteres hat das Finanzgericht angenommen, weil durch die Wiedereinbuchung der im Zuge der Verschmelzung übergegangenen (bedingten) Darlehensverbindlichkeiten nach Eintritt des Besserungsfalles das Vermögen der aufnehmenden Gesellschaft gemindert worden sei. Die Gestaltung (Einstellung der Geschäftstätigkeit der aufgenommenen Gesellschaft nach den Forderungsverzichten der Gesellschafter, Übertragung der Anteile an der GmbH auf die aufnehmenden Gesellschaft, Verschmelzung der aufgenommenen Gesellschaft auf die aufnehmenden Gesellschaft) habe dazu gedient, die Möglichkeit zur Rückführung der darlehensweise hingegebenen Gelder an die Gesellschafter sicherzustellen. Die Übernahme der aufgenommenen Gesellschaft als „leere Hülle“ mit der Belastung zu erfüllender Verbindlichkeiten bei Eintritt des Besserungsfalles habe nur den Zweck gehabt, die Verbindlichkeiten aus der Besserungsabrede zugunsten der Gesellschafter zu übernehmen. Die Vermögensminderung sei damit allein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen. Diese rechtliche Bewertung der tatsächlichen Vorgänge ist revisionsrichterlich nicht zu beanstanden.

Im Streitfall sind die Tatbestandsvoraussetzungen einer vGA erfüllt[4]. Denn durch die Wiedereinbuchung der Darlehensverbindlichkeiten wurde bei der aufnehmenden Gesellschaft eine Vermögensminderung bewirkt, die nach den nicht angegriffenen und damit für den Bundesfinanzhof bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Tatsachenfeststellungen des Finanzgericht ausschließlich durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war. Der Vorgang war auch geeignet auf Seiten der Gesellschafter B und L einen Vorteil auszulösen, konnten sie doch nach der Verschmelzung und dem Eintritt des Besserungsfalles Zahlungen auf ihre wieder werthaltig gewordenen Darlehensforderungen beanspruchen. Dass ihre Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft durch die Einbuchung der erheblichen Darlehensverbindlichkeiten zugleich auch an Wert verloren haben, vermag daran schon deshalb nichts zu ändern, weil die Anteilswertminderung alle Gesellschafter trifft während das Wiederaufleben der Darlehensforderungen allein zwei der (hier:) sechs Gesellschafter begünstigt.

Die Sachrüge, wonach das Finanzgericht verkannt habe, dass die Wiedereinbuchung -und ggf. Erfüllung- der Verbindlichkeit nach Eintritt des Besserungsfalles betrieblichen Charakter hat, wenn auch die ursprüngliche Verbindlichkeit betrieblich veranlasst war, ist unbegründet.

Nach der Bundesfinanzhofsrechtsprechung beurteilt sich der Charakter der nach Eintritt der auflösenden Bedingung (Besserung der finanziellen Situation des Schuldners) wiederauflebenden Darlehensverbindlichkeit nach ihrem ursprünglichen Entstehungsgrund. War die Kreditaufnahme ursprünglich betrieblich veranlasst, etwa um Mittel für eine betriebliche Investition zu erhalten, ändert sich der Charakter der Verbindlichkeit durch den Eintritt des Besserungsfalles nicht. Auch der Umstand, dass die Verbindlichkeit nach Eintritt des Besserungsfalles nicht rückwirkend, sondern „neu“ einzubuchen ist, beseitigt nicht den betrieblichen Veranlassungszusammenhang. Leistet daher der Schuldner Zahlungen auf die wiederaufgelebte Verbindlichkeit, dann handelt es sich um Betriebsausgaben und nicht um vGA. Auch eine Abtretung der Forderung gemäß § 398 BGB, d.h. ein Gläubigerwechsel, vermag diesen Zurechnungszusammenhang nicht aufzuheben[5].

Gegen diese Rechtsprechungsgrundsätze hat das Finanzgericht entgegen der Auffassung der aufnehmenden Gesellschaft bereits deswegen nicht verstoßen, weil im Streitfall ein wesentlich anderer Sachverhalt zur Beurteilung ansteht. Vorliegend kam es nicht zu einem bloßen Wiederaufleben einer zwischen denselben Personen bestehenden Verbindlichkeit[6] oder zu einem Gläubigerwechsel nach Wiederaufleben der Verbindlichkeit[7], sondern zu einem Schuldnerwechsel. Über dessen Folgen hat der BFH noch nicht entschieden.

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs wird jedenfalls unter den Gegebenheiten des Streitfalles durch den Schuldnerwechsel und bezogen auf die Prüfung des Vorliegens einer vGA auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe der betriebliche Veranlassungszusammenhang durch Umstände überlagert, die -wie erläutert- ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben[8]. Denn aus der maßgeblichen Sicht des Neuschuldners kommt der im Wege der Einzelrechtsnachfolge (Schuldübernahmevertrag zwischen dem Dritten und dem Schuldner gemäß § 415 BGB) oder, wie im Streitfall, der gewillkürten Gesamtrechtsnachfolge (Verschmelzungsvertrag) bewirkte Übergang der Verbindlichkeit in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Neubegründung einer Schuld gleich. Erhält der Neuschuldner, wie vorliegend, im Zuge der Schuldübernahme zudem keine nutzbaren Finanzmittel -weder aus einer typischerweise zum Ansatz von Verbindlichkeiten führenden Kreditaufnahme noch (ursprünglich kreditfinanzierte) aktive Wirtschaftsgüter der vermögenslosen; vom Finanzgericht als „leere Hülle“ qualifizierten aufgenommenen Gesellschaft-, so muss der Anlass für die Schuldbegründung gesondert festgestellt werden.

Demgemäß ist bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft als einem eigenständigen Steuersubjekt unabhängig von den Gründen, die den Altschuldner zur Kreditaufnahme und Kreditmittelverwendung bewogen haben, zu prüfen, ob die Schuldübernahme durch das Verhältnis der Kapitalgesellschaft zu ihren Gesellschaftern veranlasst war. Eine solche Prüfung hat das Finanzgericht rechtsfehlerfrei vorgenommen.

Der Bundesfinanzhof kann ferner nicht der Ansicht der aufnehmenden Gesellschaft folgen, nach der die umwandlungssteuerrechtlichen Spezialregelungen im Streitfall einem Rückgriff auf die allgemeine Einkommensermittlungsvorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) entgegenstünden.

Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass das Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) für die einbezogenen Umwandlungsvorgänge einen eigenständigen und sondergesetzlichen Rechtskreis bestimmt, der den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften vorgeht[9]. Aus diesem Grundsatz wird in der Literatur abgeleitet, dass der Vermögensübergang durch Verschmelzung einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft wegen der besonderen Regelungen in §§ 11 ff. UmwStG grundsätzlich weder bei der übertragenden (Vermögensminderung durch Abgang der Wirtschaftsgüter) noch bei der übernehmenden Körperschaft (Vermögensminderung z.B. durch Zugang von Passivposten) eine vGA auslösen könne[10].

Auch diese Überlegungen hindern indes im Streitfall nicht die Annahme einer vGA.

Zum einen hat das Finanzgericht in revisionsrechtlich bindender Weise festgestellt, dass die Verschmelzung ausschließlich durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war. Demgemäß geht es vorliegend nicht um den Regelfall einer Umwandlung aus betriebswirtschaftlich sinnvollen Gründen, die der Gesetzgeber des UmwStG aus wirtschaftspolitischen Gründen nicht behindern möchte. Kennzeichen des Streitfalls ist vielmehr, dass das Instrumentarium des UmwStG genutzt wurde, um die Werthaltigkeit der Gesellschafterdarlehensforderungen durch einen Schuldnerwechsel im Interesse und zum alleinigen Vorteil der Gesellschafter zu erhöhen. Da hierdurch das von der aufnehmenden Gesellschaft erzielte Einkommen des Jahres 1996 aus außerbetrieblichen Gründen verringert wurde, ist eine Einkommenskorrektur gerechtfertigt.

Zum anderen -und vor allem- liegt die vGA-auslösende Vermögensminderung zeitlich und gegenständlich außerhalb des Umwandlungsvorganges. Zwar ist die vGA, wie von der aufnehmenden Gesellschaft geltend gemacht, ohne den Verschmelzungsvertrag nicht denkbar, jedoch wird sie nicht durch den Geschäftsvorfall der Verschmelzung als solchen, sondern durch den „Eintritt des Besserungsfalls“, also durch einen Umstand ausgelöst, der der Verschmelzung nachfolgt. In der Schlussbilanz der übertragenden GmbH war die Darlehensverbindlichkeit nicht auszuweisen, weil die Gesellschafter auf die Forderungen verzichtet hatten und die auflösende Bedingung nicht eingetreten war[11]. Demgemäß ergab sich auf Seiten der aufnehmenden Gesellschaft als übernehmender Körperschaft zum umwandlungssteuerrechtlich für den Vermögensübergang und die hieraus zu ziehenden steuerlichen Folgen maßgeblichen Stichtag (hier: 31.12.1995) aufgrund des gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG entsprechend anwendbaren § 4 Abs. 1 UmwStG weder eine durch Einbuchung einer Verbindlichkeit bewirkte Vermögensminderung als denkbarer Gegenstand sondergesetzlicher Beurteilung noch -im Unterschied zur Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft mit einem Überhang aktuell bestehender Verbindlichkeiten- einen Verschmelzungsverlust i.S. des § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG, der die Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sperren könnte. Die Vermögensminderung trat auch noch nicht mit dem zivilrechtlichen Wirksamwerden der Verschmelzung (Handelsregistereintrag im August 1996) ein, sondern erst mit Ablauf des 31.12.1996, als feststand, dass die aufnehmenden Gesellschaft in diesem Jahr tatsächlich einen Bilanzgewinn erzielt hatte, also neues Vermögen angefallen war. Mit anderen Worten: Zum umwandlungssteuerrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt war der Besserungsfall ein zukünftiges ungewisses Ereignis[12].

Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. Februar 2018 – I R 46/16

  1. FG Hamburg, Urteil vom 29.06.2016 – 6 K 236/13[]
  2. vgl. BFH, Urteile vom 30.05.1990 – I R 41/87, BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588; vom 29.01.2003 – I R 50/02, BFHE 202, 74, BStBl II 2003, 768; vom 12.07.2012 – I R 23/11, BFHE 238, 344; BFH, Beschluss vom 09.06.1997 – GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307; gleicher Auffassung: BMF, Schreiben vom 02.12 2003, BStBl I 2003, 648[]
  3. vgl. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 7. Aufl., § 11 UmwStG Rz 80; Bildstein/Dallwitz, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2009, 1177, 1180; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 4 UmwStG Rz 108 f. und 966; Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2. Aufl., § 12 Rz 47 „Forderungsverzicht mit Besserungsschein“[]
  4. dazu z.B. BFH, Urteil vom 27.07.2016 – I R 12/15, BFHE 255, 39, BStBl II 2017, 217, m.w.N.[]
  5. BFH, Urteile in BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588; in BFHE 238, 344[]
  6. BFH, Urteil in BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588[]
  7. BFH, Urteil in BFHE 238, 344[]
  8. wohl gleicher Auffassung Tiedchen, EFG 2016, 1725[]
  9. vgl. BFH, Urteil vom 09.01.2013 – I R 24/12, BFHE 240, 115[]
  10. z.B. Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, a.a.O., § 11 Rz 10, § 12 Rz 8 und Rz 47 „Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen“; Gosch, KStG, 3. Aufl., § 8 Rz 1333a; Rödder/Wochinger, DStR 2006, 684; Breuninger, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 2009/2010, 355, 361[]
  11. allgemeine Meinung vgl. Widmann in Widmann/Mayer, ebenda; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, ebenda; Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, a.a.O., § 12 Rz 47 „Forderungsverzicht mit Besserungsschein“[]
  12. Palandt/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Aufl., Einf v § 158, Rz 1[]