Der Ertragszuschuss als organschaftliche Mehrabführung

Ein Ertragszuschuss stellt eine verdeckte Einlage dar und führt zu einer Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos bei der Organgesellschaft nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG, die durch den sofortigen Rückfluss an den Organträger im Rahmen der organschaftlichen Gewinnabführung nicht wieder rückgängig gemacht wird.

Der Ertragszuschuss als organschaftliche Mehrabführung

Der Tatbestand der organschaftlichen Mehr- oder Minderabführung i.S. des § 27 Abs. 6 Satz 1 KStG ist am Grundanliegen des Gesetzgebers auszurichten, die Einmalbesteuerung der organschaftlichen Erträge beim Organträger sicherzustellen[1].

Bei der Rückgewähr eines Ertragszuschusses über die organschaftliche Gewinnabführung besteht ein aus dem Rechtsinstitut der Organschaft abzuleitender Grund dafür, von einer organschaftlichen Mehrabführung auszugehen[2].

Der (nicht rückzahlbare) Ertragszuschuss stellt eine verdeckte Einlage dar und führt -neben nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung bei der B-GmbH als Organträgerin[3]– zu einer Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos bei der Klägerin als Organgesellschaft nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG.

Verdeckte Einlage ist die Zuwendung eines bilanzierbaren Vermögensvorteils aus gesellschaftsrechtlichen Gründen ohne Entgelt in Gestalt von Gesellschaftsrechten[4]. Im Streitfall hat die B-GmbH der Klägerin in Gestalt eines nicht rückzahlbaren Zuschusses Eigenkapital zugeführt. Zwischen den Beteiligten besteht Einvernehmen darüber, dass es sich hierbei um eine verdeckte Einlage handelt. Davon ist auch das Finanzgericht bei seiner Entscheidung ausgegangen. Der festgestellte Sachverhalt und das Beteiligtenvorbringen geben keine Veranlassung, diese Einschätzung in Frage zu stellen: Das zugeführte Kapital sollte dauerhaft in das Vermögen der Klägerin übergehen; eine Rückzahlung war nicht beabsichtigt. Der Zuschuss war sonach geeignet, das Vermögen der Klägerin zu vermehren.

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass wegen des sofortigen Rückflusses des Ertragszuschusses an die B-GmbH über die Gewinnabführung im Rahmen des Organschaftsverhältnisses die verdeckte Einlage wieder rückgängig gemacht worden ist. Die Vorinstanz hat zutreffend eine vorweggenommene Saldierung beider Vorgänge abgelehnt. Soweit in der Literatur unter Hinweis darauf, dass die verdeckte Einlage als „Vorleistung auf die Ergebnisübernahme“ anzusehen sei[5] sowie wegen der Einlagenrückübertragung der Vorgang „gedanklich als Auskehrung aus dem steuerlichen Einlagekonto“ angesehen werden müsse[6], die Auffassung vertreten wird, dass die Rechtsfolgen einer verdeckten Einlage nicht zu ziehen seien, folgt dem der Bundesfinanzhof mit der überwiegenden Meinung in der Literatur[7] nicht.

Für eine derartige Auffassung findet sich im Gesetz kein Anhalt. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG sind die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen auf dem steuerlichen Einlagekonto auszuweisen. Das steuerliche Einlagekonto erfasst damit zunächst ausschließlich durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensänderungen[8]. Der bei der B-GmbH als Organträgerin zu erfassende Ertrag beruht dagegen auf der Gewinnabführung i.S. des § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes und damit auf der handelsrechtlichen Durchführung des Gewinnabführungsvertrags. Die Zuschussgewährung und dessen „Rückgewähr“ sind damit eigenständig zu würdigen; eine Rechtsgrundlage für eine „Saldierung“ ist nicht erkennbar[9].

§ 27 Abs. 6 Satz 1 KStG sieht vor, dass Mehrabführungen, wenn sie ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben, das Einlagekonto einer Organgesellschaft mindern.

Was unter einer sog. organschaftlichen Mehrabführung i.S. des § 27 Abs. 6 Satz 1 KStG zu verstehen ist, ergibt sich allerdings nicht unmittelbar aus dem Gesetz. § 27 Abs. 6 Satz 1 KStG verwendet den Begriff zwar, definiert ihn aber nicht. Erst mit dem Jahressteuergesetz 2008 vom 20.12 2007[10] -KStG n.F.- hat der Gesetzgeber ein Regelbeispiel für organschaftliche Mehr- und Minderabführungen[11] in § 14 Abs. 4 Satz 6 KStG n.F. geschaffen. Danach liegen Mehr- oder Minderabführungen „insbesondere vor, wenn der an den Organträger abgeführte Gewinn von dem Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft abweicht“. Es kann nach Auffassung des Bundesfinanzhofs vorliegend dahingestellt bleiben, ob dieses gesetzliche Regelbeispiel, das nach § 34 Abs. 9 Nr. 5 KStG n.F. auch für Veranlagungszeiträume vor 2008 anzuwenden ist, auch für den Streitfall zur Anwendung kommen kann. Denn der Bundesfinanzhof hat -zur sog. vororganschaftlichen Mehrabführung- entschieden, dass der handelsbilanzielle Jahresüberschuss als maßgebliche Vergleichsgröße[12] in Bezug zu setzen ist zu den Ergebnissen der Organgesellschaft gemäß der Steuerbilanz[13]. Eine Abweichung zum gesetzlichen Regelbeispiel für organschaftliche Mehr- oder Minderabführungen ist für den Bundesfinanzhof ebenso wenig ersichtlich wie eine unterschiedliche Auslegung des Begriffs der Mehr- oder Minderabführung je nachdem, ob es sich um eine vororganschaftliche oder organschaftliche Mehr- oder Minderabführung handelt.

Die Entscheidung darüber, ob von einer (organschaftlichen) Mehr- oder Minderabführung auszugehen ist, ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs am Grundanliegen des Gesetzgebers auszurichten, der mit den Regelungen des § 14 Abs. 4 KStG n.F. die Einmalbesteuerung der organschaftlichen Erträge beim Organträger sicherstellen wollte[14]. Dieses Anliegen wird trotz Abweichung zwischen abgeführtem Gewinn und Steuerbilanzgewinn (ausnahmsweise) nicht berührt, wenn aufgrund der außerbilanziellen Verlusthinzurechnung -im vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall gemäß § 15a des Einkommensteuergesetzes- die steuerliche Einkommenszurechnung nicht von der handelsrechtlichen Gewinnabführung abweicht, die Abweichung zur Handelsbilanz damit lediglich in der Technik der Einkommensermittlung gründet.

Hiervon ausgehend waren im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall die Voraussetzungen einer organschaftlichen Mehrabführung i.S. des § 27 Abs. 6 Satz 1 KStG gegeben. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat die Klägerin den von der B-GmbH erhaltenen Ertragszuschuss in ihrer Handelsbilanz als Ertrag verbucht. Den handelsrechtlichen Jahresabschluss für 2002 hat die Klägerin dann im Wege einer sog. „Überleitungsrechnung“ nach § 60 Abs. 2 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung den steuerrechtlichen Vorschriften angepasst. Soweit das Finanzgericht im Rahmen dieser Vergleichsrechnung angenommen hat, dass der Ertrag aus der Zahlung des Ertragszuschusses innerhalb der Steuerbilanz zu korrigieren sei und sich hieraus eine handelsbilanzielle Mehrabführung ergebe, lässt der Bundesfinanzhof offen, ob er dem folgen könnte. Denn auch wenn man mit der h.M. in der Literatur davon ausgeht, dass der Ertragszuschuss als verdeckte Einlage erst auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung das Einkommen mindert[15] wären im Streitfall die Voraussetzungen einer Mehrabführung zu bejahen.

Aus steuerrechtlicher Hinsicht sind verdeckte Einlagen -und damit im Streitfall auch der hier in Rede stehende Ertragszuschuss- unabhängig von einer damit verbundenen tatsächlichen Wertsteigerung der Beteiligung beim Gesellschafter -hier der B-GmbH als Organträgerin- als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung zu behandeln und als solche zu aktivieren[16]. Der tatsächliche Wert der Beteiligung bleibt jedoch im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses -infolge der Gewinnabführung an die B-GmbH- unverändert. Dies hat zur Konsequenz, dass bei einer Veräußerung der Beteiligung durch die B-GmbH der Veräußerungsgewinn um den geleisteten Ertragszuschuss gemindert wird. Demgemäß ist -über den vom Bundesfinanzhof in BFHE 238, 382, BStBl II 2013, 555 entschiedenen Fall hinaus- bei Vorliegen eines solchen Sachverhalts nach der Systematik der Organschaft und ihres tragenden Grundanliegens (Einmalbesteuerung der organschaftlichen Erträge) von einer organschaftlichen Mehrabführung auszugehen[2]. Folge hiervon ist nicht nur, dass das Einkommen des Organträgers im Falle der Veräußerung der Organbeteiligung durch Auflösung eines entsprechenden passiven Ausgleichspostens zu erhöhen ist. Folge ist des Weiteren auch, dass bei der Organgesellschaft die durch die verdeckte Einlage bedingte Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos durch eine entsprechende Minderung nach § 27 Abs. 6 KStG wieder auszugleichen ist.

Bestätigung findet dieses Ergebnis in den Gesetzesmaterialien zu § 14 Abs. 4 KStG n.F., die den vom Organträger geleisteten Ertragszuschuss und dessen Rückfluss im Rahmen der organschaftlichen Ergebnisabführung ausdrücklich als Fall einer organschaftlichen Mehrabführung bezeichnen[17].

Schließlich war im hier entschiedenen Streitfall der Übernahmeverlust nicht als Minderabführung i.S. des § 27 Abs. 6 Satz 1 KStG zu qualifizieren. Zwar weicht auch hier -ähnlich wie im Fall des Ertragszuschusses- aufgrund der gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG angeordneten außerbilanziellen Hinzurechnung des Übernahmeverlustes[18] der handelsrechtliche Jahresabschluss vom steuerrechtlichen Gewinn ab. Diese Abweichung ist jedoch ausgerichtet am Grundanliegen des Gesetzgebers, die Einmalbesteuerung der organschaftlichen Erträge beim Organträger sicherzustellen, nicht als Minderabführung i.S. des § 27 Abs. 6 Satz 1 KStG zu erfassen. Allerdings ordnet § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG lediglich ein Verlustabzugsverbot an, lässt aber im Übrigen die Bilanzierung der übergegangenen Wirtschaftsgüter unberührt. Bei einer späteren Veräußerung der Beteiligung besteht daher keine Gefahr einer Verletzung des Grundsatzes der Einmalbesteuerung[19]. Demgemäß besteht auch kein Grund dafür, das Einkommen des Organträgers im Falle der Veräußerung der Organbeteiligung durch Auflösung eines aktiven Ausgleichspostens zu mindern.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. März 2017 – I R 67/15

  1. Bestätigung des BFH, Urteils vom 29.08.2012 – I R 65/11, BFHE 238, 382, BStBl II 2013, 555[]
  2. a.A. BMF, Schreiben vom 15.07.2013, BStBl I 2013, 921[][]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 18.12 1990 – VIII R 158/86, BFH/NV 1992, 15; vgl. auch BFH, Urteile vom 24.07.1996 – I R 41/93, BFHE 181, 53, BStBl II 1996, 614; vom 27.04.2000 – I R 58/99, BFHE 192, 428, BStBl II 2001, 168; BFH, Urteil vom 26.11.1993 – VI R 3/92, BFHE 173, 69, BStBl II 1994, 242[]
  4. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 27.05.2009 – I R 53/08, BFHE 226, 500; vom 28.04.2004 – I R 20/03, BFH/NV 2005, 19; BFH, Urteil vom 12.12 2000 – VIII R 22/92, BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385; BFH, Urteil vom 15.10.1997 – I R 80/96, BFH/NV 1998, 624; vgl. auch Beschluss des Großen Bundesfinanzhofs des BFH vom 09.06.1997 – GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307[]
  5. vgl. Prokofiew, Die steuerliche Betriebsprüfung 2014, 235, 238[]
  6. vgl. Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz 893[]
  7. vgl. von Freeden/Lange, Die Wirtschaftsprüfung -WPg- 2016, 697; von Freeden in Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 350; Brink in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 14 Rz 1036; Breier, Der Konzern 2011, 84; Gosch/Neumann, KStG, 3. Aufl., § 14 Rz 416d[]
  8. vgl. BFH, Urteil vom 06.10.2009 – I R 24/08, BFH/NV 2010, 248[]
  9. vgl. Brink in Schnitger/Fehrenbacher, a.a.O., § 14 Rz 1036; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz 727; von Freeden in Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 350[]
  10. BGBl I 2007, 3150, BStBl I 2008, 218[]
  11. laut Gesetzesbegründung handelt es sich um eine gesetzliche Definition, vgl. BT-Drs. 16/7036, S.20[]
  12. vgl. BFH, Urteil vom 18.12 2002 – I R 51/01, BFHE 201, 221, BStBl II 2005, 49[]
  13. vgl. BFH, Beschlüsse vom 06.06.2013 – I R 38/11, BFHE 241, 530, BStBl II 2014, 398; vom 27.11.2013 – I R 36/13, BFHE 245, 108, BStBl II 2014, 651[]
  14. vgl. BFH, Urteil vom 29.08.2012 – I R 65/11, BFHE 238, 382, BStBl II 2013, 555 unter Hinweis auf BT-Drs. 16/7036, S.20[]
  15. vgl. von Freeden/Lange, WPg 2016, 697; von Freeden in Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 350; Breier, Der Konzern 2011, 84; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 14 KStG Rz 1096; allgemein zur Korrektur einer verdeckten Einlage: Gosch/Roser, a.a.O., § 8 Rz 123; Fehrenbacher in Schnitger/Fehrenbacher, a.a.O., § 8 Rz 694; Klein/Müller/Döpper in Mössner/Seeger, Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl., § 8 Rz 2141; a.A. Frotscher in Frotscher/Drüen, a.a.O., § 8 KStG Rz 201; Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8 Rz 1328[]
  16. vgl. z.B. BFH, Urteile in BFHE 181, 53, BStBl II 1996, 614; in BFHE 192, 428, BStBl II 2001, 168[]
  17. vgl. BT-Drs. 16/7036, S.20[]
  18. vgl. BMF, Schreiben vom 25.03.1998, BStBl I 1998, 268, Rz 12.03[]
  19. vgl. hierzu von Freeden in Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 350[]