Es besteht kein Anspruch des Tabakwarenhändlers auf Entlastung von der Tabaksteuer bei Diebstahl von Tabakwaren oder bei Zahlungsunfähigkeit des Abnehmers.

Ein solcher Anspruch auf Erstattung oder Vergütung der auf den gestohlenen Zigaretten lastenden Tabaksteuer ist weder dem geltenden TabakStG noch dem allgemeinen Steuerrecht (z.B. § 227 AO) zu entnehmen. Auch lässt sich ein solcher Anspruch nicht unmittelbar Art. 12 Abs. 1 GG entnehmen.
Aus dem Umstand, dass die Tabaksteuer als besondere Verbrauchsteuer grundsätzlich auf Abwälzung der Steuerlast auf den Endverbraucher -als den eigentlichen Belastungsträger- angelegt ist, ergibt sich in Fällen von Diebstahl versteuerter Tabakwaren bei Herstellern und Händlern weder eine sachliche Unbilligkeit der Tabaksteuererhebung noch ein verfassungswidriger Eingriff in geschützte Rechtspositionen des vom Diebstahl wirtschaftlich Betroffenen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist das Merkmal der Abwälzbarkeit erfüllt, wenn zumindest die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne besteht, dass der Steuerpflichtige den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen -Preiserhöhung, Umsatzsteigerung oder Senkung der sonstigen Kosten- treffen kann[1]. Die rechtliche Gewähr, dass er den von ihm entrichteten Betrag immer von demjenigen erhält, der nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen soll, muss dem Schuldner nicht geboten werden; vielmehr reicht es aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt. Bei gewerblichen Verbrauchern, die verbrauchsteuerpflichtige Waren in der Produktion oder zur Erbringung von Dienstleistungen verwenden, ist nicht erforderlich, dass die Verbrauchsteuerbelastung durch erhöhte Warenpreise oder Dienstleistungsentgelte weitergegeben werden kann[2].
Der Bundesfinanzhof ist dieser Rechtsprechung gefolgt[3]. Bei einer infolge eines Forderungsausfalls misslungenen Überwälzung der Steuerlast im Handel mit versteuertem Mineralöl hat der beschließende Bundesfinanzhof geurteilt, dass dieser Umstand eine Steuerentlastung nicht rechtfertige. Die Überwälzung der Steuer vollziehe sich außerhalb des steuerlich geregelten Bereichs. Sie erfolge in der Form, dass der Gegenwert der beim Übergang in den freien Verkehr erhobenen Steuer kalkulatorisch in den Preis der Ware eingehe und beim Weiterverkauf als Preisbestandteil weitergegeben werde. Damit sei das Risiko der Abwälzung der Steuer als Preisbestandteil aus dem steuerrechtlichen Bereich ausgeschieden und in den Bereich des allgemeinen kaufmännischen Risikos einbezogen worden[4].
Diese Rechtsprechung lässt sich auf den Streitfall übertragen. Ob ein Tabakwarenhändler den Kaufpreis und damit den Gegenwert der von ihm gehandelten Tabakwaren nicht realisieren kann, weil sein Abnehmer zahlungsunfähig ist, oder ob die Durchsetzung des Kaufpreises aufgrund eines Diebstahls scheitert, ist für das steuerrechtliche Ergebnis ohne Belang. In beiden Fällen misslingt dem mit der Tabaksteuer zunächst belasteten Unternehmer die Abwälzung der Steuer. Diese Folge hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Tabaksteuerrechts jedoch bewusst in Kauf genommen. Dies gilt auch für einen Diebstahl von Tabakwaren aus einem Steuerlager. In diesem Fall wird der Inhaber des Steuerlagers Steuerschuldner und hat die durch die Entfernung der Ware aus dem Steuerlager entstandene Steuer zu entrichten. Im Wege einer Typisierung und im Interesse einer möglichst einfachen Besteuerungspraxis wird auch in diesen Fällen der Unternehmer mit der Steuer belastet, obwohl ihm eine Abwälzung der Steuerlast misslingt[5]. Ein Entlastungsanspruch wird auch in den Fällen verweigert, in denen versteuerte verbrauchsteuerpflichtige Waren im Handel unbrauchbar oder -z.B. durch einen Brand- vernichtet werden. In all diesen Fällen wird das Risiko der Nichtabwälzbarkeit der Steuerlast im jeweiligen Einzelfall dem Hersteller oder Händler zugewiesen, ohne dass dieser Umstand den Charakter der Tabaksteuer als besondere Verbrauchsteuer in Frage stellen könnte. Denn die grundsätzliche Möglichkeit einer Überwälzung der Steuer bleibt bestehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Warenverluste durch Diebstähle bei der allgemeinen Preiskalkulation berücksichtigt werden können. Nach der Rechtsprechung des BVerfG lassen sich die wirtschaftlichen Belastungen auch durch eine Senkung der sonstigen Kosten oder durch Umsatzsteigerungen vermindern.
Auch der Einwand, die Verweigerung der Steuerentlastung greife in den von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Bereich beruflicher Betätigung ein, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist eine steuerliche Vorschrift nur dann an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, wenn sie eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lässt[6]. Bei allgemeinen Steuergesetzen wie dem TabakStG fehlt es in der Regel an dieser Voraussetzung, es sei denn, ihre Fiskalfunktion schlüge in eine reine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter um, d.h. sie wirkten erdrosselnd[7]. Denn das geschützte Freiheitsrecht darf nur so weit beschränkt werden, dass dem Grundrechtsträger ein Kernbestand des Erfolgs eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich in Gestalt der grundsätzlichen Privatnützlichkeit des Erworbenen und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten bleibt[8]. Dass die Erhebung der Tabaksteuer eine erdrosselnde Wirkung entfaltet, macht die Beschwerde jedoch nicht geltend. Vielmehr behauptet der Kläger, dass sich das Fehlen eines Entlastungsanspruchs in Fällen des Diebstahls auf die unternehmerische Betätigung eines Tabakwarenhändlers erdrosselnd auswirke. Im Kern seines Vorbringens macht er geltend, das TabakStG sei in verfassungswidriger Weise unvollständig, weil es in Bezug auf entwendete Tabakwaren zumindest eine § 60 EnergieStG vergleichbare Regelung enthalten müsse. Eine hinreichende Anspruchsgrundlage kann diesem Vorbringen, das auf die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen abzielt, jedoch nicht entnommen werden. Es ist darüber hinaus nicht ersichtlich, dass ein im Gesetz nicht geregelter Entlastungsanspruch auf eine unmittelbare Anwendung des Art. 12 Abs. 1 GG gestützt werden könnte, der ein Freiheits- und Abwehrrecht gewährleistet.
Im Übrigen ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofs die erdrosselnde Wirkung der Tabaksteuerbelastung nicht hinreichend und schlüssig dargelegt. Allein der Hinweis auf die Höhe der Tabaksteuer und die im Tabakwarenhandel üblichen Gewinnspannen reicht hierzu nicht aus. Dass allein aufgrund der Verweigerung eines Entlastungsanspruchs in Fällen einzelner Diebstähle den in Deutschland tätigen Tabakwarenhändlern der Kernbestand ihres wirtschaftlichen Erfolges mit der Folge genommen wird, dass die steuerrechtlichen Folgen in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen einem Verbot der beruflichen Betätigung gleichkäme, lässt sich den Ausführungen nicht entnehmen.
Soweit sich der Händler auf die Regelung des § 60 EnergieStG beruft, erfordert Art. 3 Abs. 1 GG keine Gleichbehandlung, weil der in § 60 EnergieStG normierte Entlastungsanspruch bei Forderungsausfällen den besonderen Umständen des Mineralölhandels Rechnung trägt. Wie der Bundesfinanzhof bereits entschieden hat, lässt sich diese Regelung nicht auf andere Verbrauchsteuern übertragen[9]. Auch ist zu berücksichtigen, dass allein der Systemgedanke der Verbrauchsbesteuerung den Gesetzgeber nicht dazu zwingt, alle Verbrauchsteuern nach einem System auszurichten und inhaltlich gleich auszugestalten. Abweichungen vom inneren System der Verbrauchsbesteuerung, das idealiter eine Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen fordert, müssen aufgrund sachgerechter Erwägungen möglich sein[10].
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30. März 2015 – VII B 30/14
- BVerfG, Beschluss vom 01.04.1971 – 1 BvL 22/67, BVerfGE 31, 8, 20[↩]
- BVerfG, Urteil vom 20.04.2004 – 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274[↩]
- BFH, Urteile vom 17.12 2013 – VII R 8/12, BFHE 244, 184, ZfZ 2014, 171; vom 26.06.1984 – VII R 60/83, BFHE 141, 369, ZfZ 1984, 336; vom 15.04.1987 – VII R 108/82, BFH/NV 1988, 132; vom 27.06.1973 – II R 179/71, BFHE 110, 213, BStBl II 1973, 807; und vom 25.09.1953 – V 69/53 S, BFHE 58, 109, BStBl III 1953, 332[↩]
- BFH, Urteil vom 17.12 1974 – VII R 56/72, BFHE 115, 2, BStBl II 1975, 462[↩]
- Peters, Das Verbrauchsteuerrecht, Rz 353; Jatzke, Die steuerlichen Folgen bei Diebstahl von unter Steueraussetzung stehenden verbrauchsteuerpflichtigen Waren, ZfZ 1997, 408, 409 und Jahr, Zur Neufassung des Tabaksteuergesetzes, ZfZ 1939, 141, 144[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 30.10.1961 1 BvR 833/59, BVerfGE 13, 181, 186[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 141, 369, ZfZ 1984, 336, m.w.N.[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 25.09.1992 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, 169[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 244, 184, ZfZ 2014, 171[↩]
- BFH, Urteile vom 01.12 1998 – VII R 21/97, BFHE 187, 177, ZfZ 1999, 133; und vom 27.08.1996 – VII R 14/95, BFHE 181, 243, 250, ZfZ 1997, 128[↩]








