Für § 233a Abs. 5 Satz 4 und Abs. 3 Satz 3 AO ist bei mehrfachen Änderungen von Steuerfestsetzungen die letzte Zahlung auf den Steuerbescheid maßgeblich, in dem die Besteuerungsgrundlage enthalten war, die aufgrund des Änderungsbescheids entfällt.

Wird die Steuerfestsetzung geändert, ist gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1 AO die bisherige Zinsfestsetzung zu ändern. Maßgebend für die Zinsberechnung ist nach § 233a Abs. 5 Satz 2 AO der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer.
Bei einer geänderten Steuerfestsetzung i.S. von § 233a Abs. 5 Satz 1 AO beginnt der Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2 Satz 1 AO im Regelfall 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist und endet nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.
Nach § 233a Abs. 5 Satz 4 AO i.V.m. Abs. 3 Satz 3 AO ist ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen, wobei die Verzinsung frühestens mit dem Tag der Zahlung beginnt.
Besteht der zu erstattende Betrag aus mehreren Einzahlungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum im Allgemeinen nach der Einzahlung des jeweiligen Teilbetrags, wobei unterstellt wird, dass die Erstattung zuerst aus dem zuletzt gezahlten Betrag erfolgt [1]. Hat der Steuerpflichtige die nach einem Ausgangsbescheid geschuldete Steuer z.B. zu unterschiedlichen Zeitpunkten getilgt, bestimmt sich der nach § 233a Abs. 5 Satz 4 und Abs. 3 Satz 3 AO maßgebliche Tag der Zahlung vorrangig nach der zuletzt erfolgten Zahlung. Damit wird dem sich aus § 233a Abs. 5 Satz 4 und Abs. 3 Satz 3 AO ergebenden Ist-Prinzip [2] Rechnung getragen.
Für § 233a Abs. 5 Satz 4 und Abs. 3 Satz 3 AO ist die letzte Zahlung auf den Steuerbescheid maßgeblich, in dem die Besteuerungsgrundlage enthalten war, die aufgrund des Änderungsbescheids entfällt. Hatte der Steuerpflichtige z.B. Zahlungen auf einen Ausgangsbescheid geleistet und kommt es später zu einem ersten Änderungsbescheid, durch den sich aus der insoweit erstmaligen Erfassung zusätzlicher Besteuerungsgrundlagen eine Mehrsteuer ergibt, die der Steuerpflichtige tilgt, während ein zweiter Änderungsbescheid zu einer Mindersteuer durch Entfallen von im Ausgangsbescheid enthaltenen Besteuerungsgrundlagen führt, ist im Rahmen von § 233a Abs. 5 Satz 4 und Abs. 3 Satz 3 AO auf die letzte Zahlung auf den Ausgangsbescheid, nicht aber auf die letzte Zahlung auf den ersten Änderungsbescheid abzustellen. Damit ist das Ist-Prinzip auf den jeweils maßgeblichen Steuerbetrag i.S. von „Teil-Unterschiedsbeträgen“ anzuwenden. Aus § 233a Abs. 5 Satz 4 und Abs. 3 Satz 3 AO folgt somit entgegen der Auffassung des Finanzamt nicht, dass auch bei mehrfachen Änderungen von Steuerfestsetzungen stets auf die jeweils letzte Zahlung als Verzinsungsbeginn abzustellen ist.
Danach ergibt sich im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall nach § 233a Abs. 5 Satz 4 und Abs. 3 Satz 3 AO kein von § 233a Abs. 2 Satz 1 AO abweichender Beginn des Zinslaufs. Denn der die Erstattung begründende Änderungsbescheid vom 17.12.2015 beruhte auf dem Entfallen von Besteuerungsgrundlagen, die bereits in den Voranmeldungen für das Streitjahr enthalten waren und für die die Klägerin die insoweit geschuldeten Zahlungen bereits vor dem nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO maßgeblichen 01.04.2011 geleistet hatte.
Ein abweichender Beginn des Zinslaufs ergibt sich im hier entschiedenen Streitfall auch nicht aus § 233a Abs. 2a AO.
Bei einem rückwirkenden Ereignis beginnt der Zinslauf nach § 233a Abs. 2a AO erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist.
Ob ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 233a Abs. 2a AO vorliegt, bestimmt sich ebenso wie bei § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nach dem materiellen Recht [3] und damit im Streitfall nach dem materiellen Umsatzsteuerrecht. Ein Ereignis wirkt dabei nur dann in die Vergangenheit, wenn anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts nunmehr der veränderte Sachverhalt der Besteuerung zu unterwerfen ist [4].
Bei einer Beurteilung nach dem materiellen Recht kommt es für die Bestimmung des Steuerschuldners bei Bauleistungen ausschließlich auf die Voraussetzungen von § 13b UStG, nicht aber auch darauf an, ob der Leistungsempfänger geltend macht, dass er nicht Steuerschuldner nach dieser Vorschrift sei, dass er einen Steuerbetrag an den leistenden Bauunternehmer nachzahlt oder dass das Finanzamt gegen einen Erstattungsanspruch, der sich aus einer unzutreffenden Anwendung von § 13b UStG ergibt, aufrechnen kann [5], so dass hierin kein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 233a Abs. 2a AO liegt.
em Zinsbetrag sind gemäß § 233a Abs. 5 Satz 3 AO bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen. Zudem entfallen bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen darauf festgesetzte Zinsen. Hieraus folgt, dass eine derartige Hinzurechnung zu einer Minderung von Erstattungszinsen führen kann.
Festzusetzende Zinsen i.S. von § 233a Abs. 5 Satz 3 AO sind die Zinsen, die unbeschadet ihrer tatsächlichen Festsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften hätten festgesetzt werden müssen. Einzubeziehen sind daher Zinsen, deren Festsetzung trotz entsprechender Steuerfestsetzung bislang versäumt wurde [6].
Für den Fall einer bei einer früheren Steuerfestsetzung getroffenen Billigkeitsentscheidung, die z.B. durch eine abweichende Zinsfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 239 Abs. 1 AO i.V.m. § 163 AO erfolgen kann [7] ist dabei wie folgt zu unterscheiden.
Bei einer gemäß § 233a Abs. 5 AO zu ändernden Zinsberechnung ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Finanzbehörde ursprünglich festgesetzte Nachzahlungszinsen nach § 227 AO erlassen oder aus Billigkeitsgründen abweichend mit 0 EUR festgesetzt hat, da dem neu berechneten Zinsbetrag nach § 233a Abs. 5 Satz 3 AO die bisher festzusetzenden Zinsen hinzuzurechnen sind. Selbst wenn § 163 AO nicht ‑wie § 227 AO- das Erhebungsverfahren betrifft, kann es in diesem Zusammenhang ersichtlich nur auf die nach der Vorschrift des § 233a AO festzusetzenden Zinsen, nicht jedoch auf eine im Ermessen des Finanzamt liegende abweichende Billigkeitsfestsetzung gemäß § 163 AO ankommen [8].
Anders ist es, wenn ein Zinserlass gemäß § 239 Abs. 1 AO i.V.m. § 163 AO in der Weise geboten ist, dass jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft ist. Bei einer derartigen Ermessensreduktion auf null [9] handelt es sich bei den in dieser Weise erlassenen Zinsen nicht um festzusetzende Zinsen i.S. von § 233a Abs. 5 Satz 3 AO. Denn festzusetzende Zinsen sind nur rechtmäßige Zinsen, nicht aber auch Zinsen, die zwingend zu erlassen sind, so dass ihre Erhebung von vornherein rechtswidrig ist.
So ist es im Streitfall. Wie der Bundesfinanzhof bereits ausdrücklich entschieden hat, steht Bauunternehmern im Anwendungsbereich von § 27 Abs.19 Satz 1 UStG Vertrauensschutz gemäß § 176 Abs. 2 AO zu, so dass Änderungsbescheide gegen Bauunternehmer nur auf der Grundlage von § 27 Abs.19 Satz 1 UStG, nicht aber auch nach § 164 AO ergehen können [10].
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 8. Oktober 2019 – V R 15/18
- für den Regelfall zutreffend Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 233a AO Nr. 53[↩]
- vgl. hierzu z.B. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑HHSp‑, § 233a AO Rz 56[↩]
- BFH, Beschluss vom 19.07.1993 – GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897[↩]
- BFH, Urteil vom 12.07.2017 – I R 86/15, BFHE 259, 200, BStBl II 2018, 138[↩]
- BFH, Urteil vom 27.09.2018 – V R 49/17, BFHE 262, 571, BStBl II 2019, 109[↩]
- Heuermann in HHSp, a.a.O., Rz 71[↩]
- vgl. z.B. Finanzgericht Köln, Urteil vom 18.06.2014 – 14 K 1714/10, EFG 2014, 1925; zum Zinserlass nach § 227 AO vgl. BFH, Urteil vom 05.06.1996 – X R 234/93, BFHE 180, 240, BStBl II 1996, 503[↩]
- BFH, Beschluss vom 11.12.2012 – III B 91/12, BFH/NV 2013, 509, zu einem Erlass nach § 227 AO[↩]
- vgl. hierzu z.B. Oellerich in Gosch, AO § 163 Rz 185[↩]
- BFH, Urteil vom 23.02.2017 – V R 16, 24/16, BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 29[↩]