§ 4 Nr. 8 Buchst. h UStG a.F. bezog sich mit seiner Verweisung auf das InvG nur auf die Verwaltung inländischer Investmentvermögen, nicht aber auch auf ausländische Investmentvermögen, die dem InvG nur in Bezug auf den Anteilsvertrieb unterlagen.
Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ist vom Vorsteuerabzug die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen ausgeschlossen, die der Unternehmer zur Ausführung von Umsätzen im Ausland verwendet, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 169 Buchst. a MwStSystRL. Danach besteht der Vorsteuerabzug auch für die Leistungsbezüge, die der Unternehmer für steuerpflichtige Umsätze außerhalb des Mitgliedstaats des Leistungsbezugs zu verwenden beabsichtigt. Das nationale Recht führt im Zusammenhang mit § 15 Abs. 1 UStG zu dem unionsrechtlich vorgegebenen Ergebnis.
Die Leistungen einer US-Investmentgesellschaft unterlagen nicht § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG. Denn diese Vorschrift bezog sich nur auf inländische Investmentvermögen, nicht aber auch auf ausländische Investmentvermögen, die dem InvG nur in Bezug auf den Anteilsvertrieb unterlagen.
§ 4 Nr. 8 Buchst. h UStG befreite im Streitjahr 2009 die Verwaltung von Investmentvermögen nach dem InvG. Unionsrechtliche Grundlage hierfür ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Die Mitgliedstaaten befreien danach die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen. Zuvor galt diese Befreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG für die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften.
Bei richtlinienkonformer Auslegung von § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG entsprechend Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL besteht für die „Mitgliedstaaten bei der Definition der in ihrem Hoheitsgebiet angesiedelten Fonds, die für die Zwecke der nach dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiung unter den Begriff ‚Sondervermögen‘ fallen, ein Ermessen“. Bei ihrer Ermessensausübung müssen die Mitgliedstaaten das Ziel beachten, „den Anlegern die Anlage in Wertpapiere über Organismen für Anlagen zu erleichtern“ und den Grundsatz der steuerlichen Neutralität gewährleisten[1].
Das InvG, auf das § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG im Streitjahr verwies, differenzierte zwischen inländischen und ausländischen Investmentvermögen. Dabei regelte das InvG die Verwaltung inländischer Investmentvermögen, während es für ausländische Investmentvermögen lediglich Regelungen für den Vertrieb von Anteilen an diesen Vermögen („ausländischen Investmentanteile“ und „Anteilen an ausländischen Investmentvermögen“) enthielt. § 1 Satz 1 Nr. 1 InvG ordnete die Anwendung des InvG auf inländische Investmentvermögen an, soweit diese in Form von Investmentfonds i.S. des § 2 Abs. 1 InvG oder Investmentaktiengesellschaften i.S. des § 2 Abs. 5 InvG gebildet wurden. Nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG war das Gesetz auch anzuwenden auf den (beabsichtigten und den tatsächlichen) öffentlichen Vertrieb von ausländischen Investmentanteilen i.S. des § 2 Abs. 9 InvG sowie den beabsichtigten und tatsächlichen Vertrieb von Anteilen an ausländischen Investmentvermögen, die hinsichtlich der Anlagepolitik Anforderungen unterliegen, die denen nach § 112 Abs. 1 InvG vergleichbar sind.
Unter Beachtung des EuGH-Urteils JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies[2], nach dem sich die den Mitgliedstaaten eingeräumte Regelungsbefugnis auf „in ihrem Hoheitsgebiet angesiedelte Fonds“ bezieht, handelte es sich bei der Verweisung in § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG auf die Investmentvermögen nach dem InvG nur um eine Verweisung auf die Verwaltung inländischer Investmentvermögen, nicht aber auch um eine Verweisung auf ausländische Investmentvermögen, die dem InvG nur in Bezug auf den Anteilsvertrieb unterlagen. Hierfür spricht auch das gesonderte Kriterium einer staatlichen Aufsicht[3].
Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG in seiner bis 2003 geltenden Fassung, nach der sich die Steuerfreiheit auf die Verwaltung von Sondervermögen nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften bezog, nicht Leistungen an Empfänger im Drittlandsgebiet erfasste und somit nicht zu einem Vorsteuerausschluss nach dem damals geltenden § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG führte[4]. Daher kommt es entgegen der Auffassung des Finanzamt hier nicht darauf an, ob nach der von den Sondervermögen gewählten operativen Form zu unterscheiden sein könnte oder nicht.
Damit kann offenbleiben, ob die Leistungen der Investmentgesellschaft als Leistungen eines sog. außenstehenden Verwalters bei der Verwaltung von Investmentvermögen steuerfrei sein könnten[5]. Denn beschränkt sich die Verwaltung von Investmentvermögen auf die Verwaltung inländischer Investmentvermögen, kann die Investmentgesellschaft mit ihrer Tätigkeit für ein Investmentvermögen in einem Drittland nicht in den Genuss der Steuerfreiheit kommen. Offenbleiben kann im Streitfall auch, ob der nationale Gesetzgeber Leistungen von Investmentvermögen, deren Verwaltung nach dem Recht anderer Mitgliedstaaten steuerfrei ist, im Inland von der Steuer zu befreien hat, wenn diese Investmentvermögen z.B. Leistungen an Anleger im Inland erbringen, die dem Empfängerortprinzip unterliegen.
Ebenso hat der Bundesfinanzhof nach den Verhältnissen des Streitfalls nicht zu entscheiden, ob er sich dem nach dem Streitjahr ergangenen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 06.05.2010[6] anschließen könnte, wonach unter die Steuerbefreiung auch die Verwaltung ausländischer Investmentvermögen i.S. des § 2 Abs. 8 InvG fällt, für die Investmentanteile ausgegeben werden, die die Bedingungen von § 2 Abs. 9 oder 10 InvG erfüllen.
Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben. Die Investmentgesellschaft ist nicht nur zum Vorsteuerabzug berechtigt, sondern hat zudem keine im Inland steuerbaren Leistungen erbracht.
Zwar liegen nach nationalem Recht entgegen dem Finanzgericht, Urteil im Inland steuerpflichtige Leistungen vor, da die Investmentgesellschaft danach ihre Leistungen am Ort ihrer Inlandsbetriebsstätte gemäß § 3a Abs. 1 Satz 2 UStG zu versteuern hat. Denn die Investmentgesellschaft hat nach nationalem Recht keine dem Empfängerortprinzip unterliegenden Leistungen nach § 3a Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a i.V.m. § 4 Nr. 8 Buchst. a bis h UStG in seiner im Streitjahr geltenden Fassung erbracht.
Die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht richtlinienkonform auslegbare Regelung in § 3a Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a i.V.m. § 4 Nr. 8 Buchst. a bis h UStG war aber im Streitjahr unionsrechtswidrig[7]. Wurde z.B. die Vermögensverwaltung mit Wertpapieren an im Drittlandsgebiet ansässige Privatanleger erbracht, ist diese nach Art. 56 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL am Empfängerort zu besteuern, da sich der Steuerpflichtige auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber der richtlinienwidrigen Regelung in § 3a Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a UStG berufen kann[8].
So ist es auch im Streitfall. Art. 56 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL erfasste „Bank, Finanz- und Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze, ausgenommen die Vermietung von Schließfächern“. Nach dem EuGH, Urteil Deutsche Bank vom 19.07.2012 – C-44/11[9] erstreckte sich Art. 56 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL nicht nur auf die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g dieser Richtlinie genannten Leistungen, sondern auch auf die Vermögensverwaltung mit Wertpapieren. Gleiches gilt für die Leistungen der Investmentgesellschaft, die wie ein außenstehender Verwalter für Investmentfonds tätig geworden ist[10]. Damit kommt es für die Ortsverlagerung an den Empfängerort nicht darauf an, dass die Leistungen dem Grunde nach steuerfrei sind.
Zwar kann sich die Investmentgesellschaft nicht in Bezug auf die Leistungsortbestimmung, aber doch allgemein auf das Unionsrecht berufen, so dass ihrer Besteuerung die zu ihren Gunsten unmittelbar wirkende Regelung des Unionsrechts zugrunde zu legen ist.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. November 2018 – V R 21/17
- EuGH, Urteil JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies vom 28.06.2007 – C-363/05, EU:C:2007:391, BStBl II 2010, 573, Rz 41 und 54[↩]
- EU:C:2007:391, BStBl II 2010, 573, Rz 41 und 54[↩]
- EuGH, Urteil Fiscale Eenheid – X vom 09.12 2015 – C-595/13, EU:C:2015:801, Rz 48[↩]
- BFH, Urteil vom 11.10.2007 – V R 22/04, BFHE 219, 257, BStBl II 2008, 993, insoweit nicht aufgehoben durch BFH, Urteil vom 11.10.2012 – V R 9/10, BFHE 238, 570, BStBl II 2014, 279[↩]
- vgl. hierzu EuGH, Urteile Abbey National vom 04.05.2006 – C-169/04, EU:C:2006:289, Rz 72, und GfBk vom 07.03.2013 – C-275/11, EU:C:2013:141, Rz 21[↩]
- BStBl I 2010, 563, Rz 2[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 238, 570, BStBl II 2014, 279[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 238, 570, BStBl II 2014, 279, Leitsatz 2[↩]
- EU:C:2012:484, BStBl II 2012, 945[↩]
- vgl. auch die Erweiterung von § 3a Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a UStG durch das Zollkodexanpassungsgesetz vom 30.12 2014, BGBl I 2014, 2417, auf „Bank- und Finanzumsätze, insbesondere der in § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis h bezeichneten Art“[↩]