Veräußerung eines Verwertungsrechts – und die Rechnungsabgrenzung

Bei der Veräußerung eines Verwertungsrechts ist kein passiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden.

Veräußerung eines Verwertungsrechts – und die Rechnungsabgrenzung

Aufgabe der Rechnungsabgrenzungsposten ist es, im Falle gegenseitiger Verträge, bei denen Leistung und Gegenleistung zeitlich auseinander fallen, die Vorleistung des einen Teils in das Jahr zu verlegen, in dem die nach dem Vertrag geschuldete Gegenleistung des anderen Teils erbracht wird[1]. Somit dient die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten dazu, Einnahmen und Ausgaben in dem Jahr auszuweisen, dem sie wirtschaftlich zuzuordnen sind[2].

Passiviert werden im Fall passiver Rechnungsabgrenzungsposten Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen (§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes -EStG-). Ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten kommt daher nur in Betracht, wenn für den Steuerpflichtigen nach dem Bilanzstichtag noch eine Pflicht zu künftigem Handeln oder Unterlassen besteht[3]. Leistung und Gegenleistung aus dem Vertrag müssen also zeitlich auseinanderfallen[4].

Dies entspricht auch der historischen Entwicklung:

Ein Rechnungsabgrenzungsposten muss seit jeher steuerrechtlich gebildet werden, wenn ein Aufwand oder Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag vorliegt.

Bereits nach § 152 Abs. 9 Nr. 2 des Aktiengesetzes 1965 a.F. durften Ausgaben als passive Rechnungsabgrenzungsposten nur insoweit ausgewiesen werden, als sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellten. Bei dieser Vorschrift handelte es sich um einen Grundsatz ordnungsgemäßer Buchführung, der über § 5 EStG auch schon vor seiner einkommensteuergesetzlichen Kodifizierung in § 5 Abs. 3 Nr. 2 EStG 1969 ff.[5] für das Einkommensteuerrecht zu beachten war[6].

§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG statuiert mit der Definition passiver Rechnungsabgrenzungsposten für die Steuerbilanz ein (abschließendes) Passivierungsgebot für Einnahmen, die der Definition entsprechen[7]; der Steuerpflichtige hat insoweit kein Wahlrecht.

Wenn aber der Steuerpflichtige die von ihm im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags zu erbringende Leistung bereits vor dem Bilanzstichtag vollständig erbracht hat, hat er den Gewinn aus dem Geschäft realisiert, so dass es sich nicht gleichzeitig um Ertrag für Zeiträume nach dem Bilanzstichtag handeln kann. Für einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten ist in einem solchen Fall kein Raum[8].

Bei der Bestimmung der zeitraumbezogenen Gegenleistung ist auch nicht allein auf die zivilrechtliche Beurteilung der Schuldverhältnisse abzustellen; entscheidend ist vielmehr -wovon auch der Händler ausgeht- der wirtschaftliche Gehalt der damit zusammenhängenden Leistungsvorgänge. Das Fehlen eines zivilrechtlichen Gegenseitigkeitsverhältnisses ist daher unbeachtlich, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen der Vorleistung und der im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses zu erbringenden Leistung besteht[9].

Es bedarf mithin auch unter Beachtung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht nur einer weit zu verstehenden Verbindung von Leistung und Gegenleistung, sondern darüber hinaus einer bestehenden Leistungspflicht des Steuerpflichtigen nach dem Bilanzstichtag aufgrund einer Vorleistung des (anderen) Vertragspartners vor dem Bilanzstichtag.

In dem hier vom Bundesfinanazhof entschiedenen Fall eines Kunsthändlers ist das zwischen den Beteiligten abgeschlossene Geschäft ein Kaufvertrag über ein immaterielles Wirtschaftsgut, nämlich die Verwertungsrechte aus dem Gesamtwerk eines verstorbenen Künstlers. Die synallagmatische Verpflichtung aus diesem Kaufvertrag ist mit der Übereignung der hälftigen Verwertungsrechte und der Zahlung des vereinbarten Kaufpreises erfüllt. Weitere Hauptpflichten hat der Händler nicht zu erfüllen, so dass der Kaufpreis realisiert worden ist.

Die Verpflichtung, sich etwaige Erlöse zu teilen, könnte zwar eine Folgeverpflichtung sein. Sie berührt aber das dargestellte Grundgeschäft nicht. In diesem Punkt liegt der Fall entscheidend anders als in dem dem Urteil in BFHE 181, 64, BStBl II 1997, 122, zugrunde liegenden Sachverhalt. Es würde deshalb bilanzrechtlich sogar gegen das Realisationsprinzip verstoßen, wie es in § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG seinen Niederschlag gefunden hat, einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten zuzulassen, obwohl Gewinne vorliegen, die am Abschlussstichtag durch Umsatzakt realisiert worden sind (vgl. auch § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB)[10]. Auch wirtschaftlich betrachtet ist nicht die Auszahlung der Hälfte der späteren Verwertungseinnahmen sondern die Übertragung des hälftigen Verwertungsrechts die vom Händler zu erbringende Leistung. Dies zeigt sich daran, dass der vereinbarte und vereinnahmte Kaufpreis von den zukünftigen Verwertungserlösen unabhängig war, mag sich dessen Höhe auch an der Höhe der erwarteten Verwertungserlöse orientiert haben. Der Händler müsste dem Erwerber den Kaufpreis nicht teilweise zurückerstatten, wenn die Verwertungserlöse die Kaufpreishöhe nicht erreichten. Andererseits hätte der Erwerber noch ein Recht auf (weitere) Auszahlung der hälftigen Verwertungserlöse, wenn hierdurch der an den Veräußerer gezahlte Kaufpreis überschritten würde.

Wirtschaftlich betrachtet fehlt es schon an der vom Händler angenommenen Verknüpfung.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27. Mai 2015 – X B 72/14

  1. BFH, Beschluss vom 07.04.2010 – I R 77/08, BFHE 228, 533, BStBl II 2010, 739, m.w.N.[]
  2. so schon BFH, Beschluss vom 18.03.2010 – X R 20/09, BFH/NV 2010, 1796, unter II. 1., m.w.N.[]
  3. vgl. BFH, Beschluss vom 09.11.1994 – I B 12/94, BFH/NV 1995, 786, m.w.N.[]
  4. z.B. vor dem Bilanzstichtag gezahlte, aber als Gegenleistung für die Zeit nach dem Bilanzstichtag bestimmte Miet, Pacht, Darlehenszinseinnahmen, Versicherungsprämien und ähnliche wiederkehrende Leistungen; vgl. z.B. auch BFH, Urteil vom 09.12 1993 – IV R 130/91, BFHE 173, 393, BStBl II 1995, 202[]
  5. heute § 5 Abs. 5 EStG[]
  6. vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2010, 1796, unter II. 2., m.w.N.[]
  7. BFH, Urteile vom 19.01.1978 – IV R 153/72, BFHE 124, 320, BStBl II 1978, 262; und vom 26.04.1995 – I R 92/94, BFHE 177, 444, BStBl II 1995, 594[]
  8. vgl. zum Maßstab „Realisationsprinzip“ BFH, Urteil vom 24.07.1996 – I R 94/95, BFHE 181, 64, BStBl II 1997, 122, unter II.B.01.[]
  9. so für einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten: BFH, Beschluss in BFHE 228, 533, BStBl II 2010, 739, unter II. 1.a bb[]
  10. Hopt/Merkt, Bilanzrecht, § 252 Rz 19[]