Rückwirkende steuerliche Anerkennung von Gewinnabführungsverträgen

Die Bestimmung des § 34 Abs. 10b Satz 2 KStG 2002 i.d.F. des UntSt/RKVereinfG ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die rückwirkende steuerliche Anerkennung von (Alt-)Gewinnabführungsverträgen, die keinen den Anforderungen des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 in der bis dahin geltenden Fassung entsprechenden Verweis auf § 302 AktG (Verlustübernahme) enthalten hatten. Sie ist anwendbar, wenn der Gewinnabführungsvertrag unvollständig auf § 302 AktG verwiesen, einen unzureichenden eigenständigen Text oder überhaupt keine Regelung zur Verlustübernahme enthalten hatte.

Rückwirkende steuerliche Anerkennung von Gewinnabführungsverträgen

Nach ständiger Spruchpraxis des BFH zu § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002[1] muss der Ergebnisabführungsvertrag eine dem § 302 AktG entsprechende Vereinbarung über die Verlustübernahme durch den Organträger enthalten. Einbezogen werden muss seit Einfügung der Verjährungsregelung des § 302 Abs. 4 AktG durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 09.12.2004[2] mit Wirkung vom 15.12.2004 auch diese[3] [4].

Die Regelung zur Verlustübernahme im streitgegenständlichen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 05.12.2005 verweist indes lediglich auf § 302 Abs. 1 und 3 AktG, nicht aber auch auf den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits geltenden § 302 Abs. 4 AktG, und wird damit den Erfordernissen des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 nicht gerecht.

Davon ist im vorliegenden Fall in der Vorinstanz auch das Finanzgericht ausgegangen; es hat dem indessen keine Bedeutung beigemessen, weil das Finanzamt in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht erklärt habe, das BMF-Schreiben vom 16.12.2005[5] auf den Streitfall anwenden zu wollen. In diesem BMF-Schreiben wird zwar grundsätzlich ebenfalls die Einbeziehung des § 302 Abs. 4 AktG in den Gewinnabführungsvertrag für erforderlich gehalten. Jedoch soll danach das Fehlen eines Hinweises auf § 302 Abs. 4 AktG in vor dem 1.01.2006 abgeschlossenen Ergebnisabführungsverträgen von der Verwaltung „nicht beanstandet“ werden.

Die Aussage in dem BMF-Schreiben in BStBl I 2006, 12 und die darauf fußende Erklärung des Finanzamt sind für das streitgegenständliche Verfahren unbeachtlich. Das materielle Recht steht im Finanzgerichtsprozess nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten; nach den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung kann deshalb das beklagte Finanzamt nicht auf den Steueranspruch verzichten[6]. Auch kommt dem BMF-Schreiben in BStBl I 2006, 12 als bloßer Verwaltungsanweisung keine die Gerichte bindende Wirkung zu; ein Gericht darf eine Verwaltungsanweisung auch dann nicht anwenden, wenn sie zu einem für den Steuerpflichtigen günstigeren Ergebnis führt als das materielle Steuerrecht.

Die Wirkungen der Organschaft greifen im Streitfall aber trotz der sonach mangelhaften Verlustübernahmevereinbarung. Denn der Gesetzgeber hat im Zuge der Neufassung des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 mit § 34 Abs. 10b Sätze 2 und 3 KStG 2002 n.F. eine diesen Mangel rückwirkend heilende Übergangsregelung geschaffen.

Die Regelung betrifft Gewinnabführungsverträge, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts –dem 26.02.2013, vgl. Art. 6 Satz 2 dieses Gesetzes– wirksam abgeschlossen worden sind. Enthält ein solcher Gewinnabführungsvertrag keinen den Anforderungen des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 entsprechenden Verweis auf § 302 AktG, so steht dies nach § 34 Abs. 10b Satz 2 KStG 2002 n.F. der Anwendung der §§ 14 bis 16 KStG 2002 für Veranlagungszeiträume, die vor dem 31.12.2014 enden, nicht entgegen, wenn eine Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG tatsächlich erfolgt ist und eine Verlustübernahme entsprechend § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 n.F. bis zum Ablauf des 31.12.2014 wirksam vereinbart wird. Letzteres –d.h. die Nachholung einer der Neufassung des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 entsprechenden Verlustübernahmevereinbarung– ist wiederum dann nicht erforderlich, wenn die steuerliche Organschaft vor dem 1.01.2015 beendet wurde (§ 34 Abs. 10b Satz 3 KStG 2002 n.F.). Die Regelungen sind mangels gegenteiliger Hinweise im Gesetz für alle noch offenen Veranlagungen anwendbar[7].

Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 10b Satz 2 KStG 2002 n.F. sind im Streitfall gegeben.

Ungeachtet der steuerlich unzureichenden Verlustübernahmeregelung war der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wirksam. Denn zivilrechtlich bedarf ein Gewinnabführungsvertrag mit einer GmbH zu seiner Wirksamkeit keiner ausdrücklichen und vollständigen Verlustübernahmeregelung; die Regelung des § 302 AktG wird im GmbH-Vertragskonzern analog angewendet[8].

Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag enthielt keinen den Anforderungen des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 entsprechenden Verweis auf § 302 AktG. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Gewinnabführungsvertrag unvollständig auf § 302 AktG verweist, aber auch wenn er einen unzureichenden eigenständigen Text oder überhaupt keine Regelung zur Verlustübernahme enthält. Denn in allen diesen Fällen fehlt ein den Anforderungen des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 entsprechender Verweis auf § 302 AktG. Mithin ist insoweit nicht von Belang, dass die Verlustübernahmeregelung im Streitfall aus einer Mischform von Verweis und Textwiedergabe bestanden hat[9].

Das Erfordernis der tatsächlichen Durchführung des Verlustausgleichs ist im Streitfall nicht relevant, weil nach übereinstimmender Angabe der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem BFH die Klägerin in der Laufzeit des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags keine Verluste erlitten hat[10].

Zum Eintritt der Heilungswirkungen bedurfte es hier gemäß § 34 Abs. 10b Satz 3 KStG 2002 n.F. keiner Neufassung der vertraglichen Verlustübernahmeklausel nach Maßgabe des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 n.F. Denn der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ist nach ebenfalls übereinstimmender Bekundung beider Beteiligter inzwischen beendet worden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. Juli 2013 – I R 40/12

  1. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 03.03.2010 – I R 68/09, BFH/NV 2010, 1132, m.w.N.[]
  2. BGBl I 2004, 3214[]
  3. BFH, Beschlüsse vom 28.07.2010 – I B 27/10, BFHE 230, 167, BStBl II 2010, 932 –berichtigt durch BFH, Beschluss vom 15.09.2010 – I B 27/10, BFHE 230, 208, BStBl II 2010, 935– sowie vom 22.12.2010 – I B 83/10, BFHE 232, 190[]
  4. s. auch das jetzige Erfordernis eines „dynamischen“ Verweises auf § 302 AktG gemäß § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013, BGBl I 2013, 285, BStBl I 2013, 188 –KStG 2002 n.F.–[]
  5. BFM, Schreiben vom 16.12.2005, BStBl I 2006, 12[]
  6. vgl. statt aller Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 76 FGO Rz 8[]
  7. so auch Schneider/Sommer, GmbH-Rundschau 2013, 22, 30[]
  8. z.B. BGH, Urteil vom 11.10.1999 – II ZR 120/98, BGHZ 142, 382[]
  9. ebenso Scheifele/Hörner, DStR 2013, 553; Mayer/Wiese, DStR 2013, 629; Graw, Ubg 2013, 373, 374 f.; anders Dötsch/Pung, DB 2013, 305, 314; Keller, DStZ 2013, 60[]
  10. ebenso Graw, Ubg 2013, 373, 375; Stangl/Brühl, Der Konzern 2013, 77, 94[]