Notärztliche Bereitschaftsdienste

Leistungen eines Arztes im Rahmen eines Notdienstes, die dazu dienen, gesundheitliche Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen, um sofort geeignete Maßnahmen einleiten und damit einen größtmöglichen Erfolg einer (späteren) Behandlung sicherstellen zu können, sind nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfreie Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin.

Notärztliche Bereitschaftsdienste

Nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG sind „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden“ steuerfrei. Die Vorschrift beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL, wonach Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, steuerfrei sind.

Der Begriff der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin ist „nicht besonders eng auszulegen“[1]. Er umfasst die Diagnose, die Behandlung und, soweit möglich, die Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Heilbehandlungen müssen einen therapeutischen Zweck haben. Zu den Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gehören auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, wie vorbeugende Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Personen, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, sowie Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden. Daraus folgt, dass ärztlichen Leistungen, die zu dem Zweck erbracht werden, die menschliche Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL vorgesehene Steuerbefreiung zugutekommt[2].

Allerdings kann der Begriff „ärztliche Heilbehandlung“ nicht auf sämtliche Leistungen, die mit der Behandlung von Patienten zusammenhängen, ausgedehnt werden. Denn die bei der Auslegung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG zu berücksichtigende Bestimmung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL enthält -im Gegensatz zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL- keine Bezugnahme auf Umsätze, die „mit ärztlichen Heilbehandlungen eng verbunden“ sind. Deshalb erfasst Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL mit ärztlichen Heilbehandlungen „eng verbundene Umsätze“ grundsätzlich nicht[3]. Keine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin sind daher ärztliche Leistungen, Maßnahmen oder medizinische Eingriffe, die zu anderen Zwecken erfolgen[4].

Dabei steht der Steuerbefreiung nicht entgegen, wenn Leistungen nicht gegenüber Patienten oder Krankenkassen erbracht werden. Denn für die Steuerfreiheit kommt es nicht auf die Person des Leistungsempfängers an, da sich die personenbezogene Voraussetzung der Steuerfreiheit auf den Leistenden bezieht, der Träger eines ärztlichen oder arztähnlichen Berufs sein muss[5].

Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze handelt es sich bei den vom Kläger für den L ausgeführten Diensten um Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin. Jedenfalls der ärztliche Notfalldienst für den L in der vom Kläger versehenen Form diente unmittelbar dem Schutz und der Aufrechterhaltung der menschlichen Gesundheit. Ähnlich wie Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, zielten die Leistungen des Klägers darauf ab, gesundheitliche Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen, um sofort entsprechende Maßnahmen einleiten und damit einen größtmöglichen Erfolg einer (späteren) Behandlung sicherstellen zu können. Das ist eine unmittelbar ärztliche Tätigkeit, die auch nur von einem Arzt geleistet werden kann. Die Einbeziehung dieser Tätigkeit in die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steht mit den Zielen im Einklang, die mit dieser Befreiung verfolgt werden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 2. August 2018 – V R 37/17

  1. EuGH, Urteil Dornier vom 06.11.2003 – C-45/01, EU:C:2003:595, Rz 42, 48[]
  2. vgl. z.B. EuGH, Urteil Klinikum Dortmund vom 13.03.2014 – C-366/12, EU:C:2014:143, Rz 30, m.w.N.; BFH, Urteile vom 18.03.2015 – XI R 15/11, BFHE 249, 359, BStBl II 2015, 1058; vom 08.03.2012 – V R 30/09, BFHE 237, 263, BStBl II 2012, 623; vom 26.08.2014 – XI R 19/12, BFHE 247, 246, BStBl II 2015, 310; vom 05.11.2014 – XI R 11/13, BFHE 248, 389, BFH/NV 2015, 297, jeweils m.w.N.[]
  3. vgl. EuGH, Urteil Klinikum Dortmund, EU:C:2014:143, Rz 32; BFH, Urteil in BFHE 249, 359, BStBl II 2015, 1058, Rz 21[]
  4. z.B. BFH, Urteile vom 18.08.2011 – V R 27/10, BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214; vom 30.04.2009 – V R 6/07, BFHE 225, 248, BStBl II 2009, 679[]
  5. vgl. z.B. BFH, Urteile in BFHE 249, 359, BStBl II 2015, 1058; in BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214; vom 08.08.2013 – V R 8/12, BFHE 242, 548, BFH/NV 2014, 119[]