Kosten krankheitsbedingter Heimunterbringung

Die Kosten einer krankheitsbedingten Heimunterbringung stellen einkommensteuerlich eine außergewöhnliche Belastung dar. Daher sind Kosten für einen krankheitsbedingten Aufenthalt in einem Seniorenheim auch dann als außergewöhnliche Belastung einkommensteuerlich abziehbar, wenn keine ständige Pflegebedürftigkeit besteht und auch keine zusätzlichen Pflegekosten abgerechnet worden sind. Dies entschied jetzt der Bundesfinanzhof und rückte damit von seinen bisher strengeren Grundsätzen[1] ab, wonach ein Abzug entweder zusätzliche Kosten für Pflegeleistungen oder die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit den Merkzeichen „H“ oder „Bl“ voraussetzte.

Kosten krankheitsbedingter Heimunterbringung

Bei einem durch Krankheit veranlassten Aufenthalt in einem Seniorenheim sind die Kosten für die Unterbringung als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar.

Der Aufenthalt kann auch dann krankheitsbedingt sein, wenn keine zusätzlichen Pflegekosten entstanden sind und kein Merkzeichen „H“ oder „Bl“ im Schwerbehindertenausweis festgestellt ist.

In dem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall war die damals 74-jährige Klägerin nach einer stationären Behandlung in einer psychiatrischen Klinik auf ärztliche Empfehlung in ein Seniorenheim gezogen. Ihre Wohnung in einem Zweifamilienhaus hatte die Klägerin währenddessen nicht aufgegeben. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten Kosten des Seniorenheims nicht als außergewöhnliche Belastung an, weil die Klägerin nicht in eine Pflegestufe eingruppiert gewesen sei und auch das Merkmal „H“ im Behindertenausweis fehle.

Der Bundesfinanzhof bestätigte nun jedoch die Entscheidung des erstinstanzlich mit dem Fall befassten Finanzgerichts, wonach die Miet- und Verpflegungskosten abzüglich einer Haushaltsersparnis als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können. Anders als der altersbedingte Aufenthalt führe die krankheitsbedingte Unterbringung in einem Seniorenheim zu Krankheitskosten, die als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden könnten. Pflegebedürftigkeit sei keine Voraussetzung für den Abzug, wenn – wie hier aufgrund ärztlicher Bescheinigungen – festgestellt werden könne, dass der Heimaufenthalt infolge einer Erkrankung notwendig gewesen sei.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen[2]. Krankheitskosten sind regelmäßig eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG.

Zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altersheim. Liegt dagegen ein durch Krankheit veranlasster Aufenthalt in einem Alters- oder Pflegeheim vor, stellen sich die Aufwendungen für die Heimunterbringung als Krankheitskosten dar[3]. Es gelten die allgemeinen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten[4].

Nach diesen Grundsätzen stellen in dem geschilderten Fall die Aufwendungen der Klägerin für den Bundesfinanzhof Krankheitskosten dar, denn die Klägerin war krankheitsbedingt und nicht wegen ihres Alters im Seniorenheim untergebracht. Für den Nachweis der Krankheitsbedingtheit ist auch amtsärztliches Attest zu verlangen[5].

Dem steht nicht entgegen, dass der Klägerin keine Pflegekosten in Rechnung gestellt worden sind. Zwar ist der Abzug von Unterbringungskosten als außergewöhnliche Belastung vornehmlich bei krankheitsbedingter Pflegebedürftigkeit von Bedeutung[6]. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Pflegebedürftigkeit notwendige Voraussetzung für den Abzug ist. Vielmehr kann, wie der Streitfall zeigt, der Aufenthalt in einem Altersheim auch dann krankheitsbedingt sein, wenn eine ständige Pflegebedürftigkeit (noch) nicht gegeben ist.

Soweit der III. Senat des Bundesfinanzhofs[7] die Auffassung vertreten hat, dass ein ausschließlich krankheitsbedingter Aufenthalt noch nicht gegeben sei, wenn keine zusätzlichen Pflegekosten entstanden seien und kein Merkzeichen „H“ oder „Bl“ im Schwerbehindertenausweis nach § 69 Abs. 5 SGB IX i.V.m. § 1 SchwbAwV festgestellt sei, folgt dem der im vorliegenden Fall entscheidende VI. Senat des Bundesfinanzhofs nicht. Einer Vorlage an den Großen Senat gemäß § 11 Abs. 3 FGO bedurfte es trotz dieser widerstreitenden Auffassungen jedoch es nicht, weil der VI. Senat seit 2009 für außergewöhnliche Belastungen sachlich allein zuständig ist.

Werden Kosten einer Heimunterbringung dem Grund nach als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) berücksichtigt, sind sie allerdings nur insoweit gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) sowie die sog. Haushaltsersparnis übersteigen[8]. Im vorliegenden Streitfall hatte das Finanzgericht – nach Ansicht des Bundesfinanzhofs zu Recht – die Haushaltsersparnis entsprechend dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag zu Recht auf 7.680 € geschätzt und dabei die Kosten für Verpflegung, deren Berücksichtigung die Klägerin nicht ausdrücklich beantragt hatte, gegengerechnet.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 13. Oktober 2010 – VI R 38/09

  1. vgl. noch BFH, Urteil vom 18.12.2008 – III R 12/07, BFH/NV 2009, 1102[]
  2. BFH, Urteil vom 15.04.2010 – VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794, m.w.N.[]
  3. BFH, Urteile vom 24.02.2000 – III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294; vom 23.05.2002 – III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl II 2002, 567; vom 18.04.2002 – III R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70; siehe auch R 33.3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 EStR 2008[]
  4. Schmidt/Loschelder, EStG, 29. Aufl., § 33 Rz 35, Stichwort Altersheim[]
  5. BFH, Urteil in BFHE 199, 296, BStBl II 2002, 567[]
  6. BFH, Urteile vom 18.12.2008 – III R 12/07, BFH/NV 2009, 1102; in BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70[]
  7. BFH, Urteil in BFH/NV 2009, 1102[]
  8. BFH, Urteil in BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794[]