Klageverfahren wegen der Einkommensteuer – und die erfolgte Lohnsteuerpauschalierung

Die Aussetzung eines Klageverfahrens wegen der Einkommensteuer des Arbeitnehmers ist jedenfalls dann nicht mehr gemäß § 74 FGO geboten, wenn über die Lohnsteuerpauschalierung bestandskräftig entschieden worden ist.

Klageverfahren wegen der Einkommensteuer – und die erfolgte Lohnsteuerpauschalierung

Es stellt einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens und damit einen Verfahrensfehler dar, wenn das Finanzgericht eine Sachentscheidung trifft, obwohl es das Verfahren hätte gemäß § 74 FGO aussetzen müssen[1].

Nach § 74 FGO kann ein finanzgerichtliches Verfahren ausgesetzt werden, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist.

Mit Rücksicht auf den Zweck der Vorschrift, einander widersprechende Entscheidungen zu vermeiden und eine möglichst ökonomische Prozessführung zu gewährleisten, ist das Merkmal des sog. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses i.S. von § 74 FGO weit auszulegen. Es erfordert keine rechtliche Bindung der vorgreiflichen Entscheidung; ausreichend ist vielmehr, dass die Entscheidung in dem anderen Verfahren in rechtlicher Hinsicht für das auszusetzende Verfahren von Bedeutung ist[2].

Eine Aussetzung des Verfahrens kommt aber nicht mehr in Betracht, wenn das vorgreifliche (Verwaltungs-)Verfahren abgeschlossen ist. Das ergibt sich im Umkehrschluss daraus, dass die Aussetzung längstens bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde anzuordnen ist[3].

Zwar bleiben gemäß § 40 Abs. 3 Satz 3 EStG der pauschal besteuerte Arbeitslohn und die pauschale Lohnsteuer bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer außer Ansatz. Diese Rechtsfolgen des § 40 Abs. 3 EStG treten indes nur ein, wenn die Pauschalierung tatsächlich vorgenommen wurde und dem Gesetz entsprochen hat. Nur wenn der Lohn dem Gesetz entsprechend pauschal besteuert worden ist, bleiben daher Arbeitslohn und pauschale Lohnsteuer bei einer Einkommensteuerveranlagung außer Ansatz[4]. Selbst im Fall einer sog. fehlgeschlagenen Pauschalierung hat die pauschale Lohnsteuer keine Abgeltungswirkung, so dass der dem Arbeitnehmer ausgezahlte Arbeitslohn in dessen Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen ist[5].

Zudem betreffen Entscheidungen im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens das Vorauszahlungsverfahren des zur Einkommensteuer zu veranlagenden Arbeitnehmers. Solche Entscheidungen können bei der Einkommensteuerveranlagung unbeschränkt überprüft werden. Sie entfalten im Veranlagungsverfahren regelmäßig auch keine (verfahrensrechtliche) Bindungswirkung. Die pauschale Lohnsteuererhebung ist ebenfalls Teil des Lohnsteuerabzugsverfahrens und damit Teil des Vorauszahlungsverfahrens des Arbeitnehmers. Ob eine entsprechende Pauschalierung Bindungswirkung auch für die Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers entfaltet, kann das Wohnsitz-Finanzamt bei der Jahresbesteuerung des Arbeitnehmers wie jede andere Maßnahme des Vorauszahlungsverfahrens in vollem Umfang überprüfen[6].

In dem hier entschiedenen Fall bedeutete dies: Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht, die den Bundesfinanzhof entsprechend § 118 Abs. 2 FGO auch im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision binden[7], war der Arbeitnehmer nicht in der Liste der Arbeitnehmer genannt, für die die Lohnsteuerpauschalierung nach dem Bescheid des Finanzamt Z Gültigkeit hatte. Dies stellt auch der Arbeitnehmer nicht in Abrede. Ob der Arbeitnehmer nach Auffassung des Finanzamt X, der Steuerfahndungsstelle des Finanzamt Y, seiner Arbeitgeberin oder deren Steuerberatung von der Lohnsteuerpauschalierung erfasst war oder jedenfalls hätte erfasst werden sollen, ist demgegenüber angesichts der tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht -anders als der Arbeitnehmer meint- von Rechts wegen unerheblich. Der Nachforderungsbescheid des Finanzamt Z wurde bestandskräftig. Damit war das Lohnsteuerpauschalierungsverfahren abgeschlossen. Im Hinblick auf jenes Verfahren war schon deshalb keine Aussetzung des finanzgerichtlichen Klageverfahrens geboten. Das Finanzgericht musste das Klageverfahren auch nicht im Hinblick auf eine vom Arbeitnehmer erstrebte Änderung der Liste der Arbeitnehmer und damit des Nachforderungsbescheids nach § 74 FGO aussetzen. Denn der Arbeitnehmer, der an dem Lohnsteuerpauschalierungsverfahren seiner Arbeitgeberin nicht beteiligt war und auch nicht beteiligt werden musste, konnte eine solche Änderung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erreichen, wie das Finanzgericht zutreffend entschieden hat. Der Arbeitnehmer legt auch in seiner Beschwerdebegründung keine entsprechende Rechtsgrundlage dar.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 2. Oktober 2017 – VI B 9/17

  1. BFH, Beschluss vom 16.07.2008 – VI B 25/08, BFH/NV 2008, 1845, m.w.N.[]
  2. BFH, Urteil vom 07.05.2014 – I R 59/13, BFH/NV 2014, 1752[]
  3. BFH, Beschluss vom 06.10.2016 – IX B 81/16, BFHE 254, 514, BStBl II 2017, 196[]
  4. BFH, Beschluss vom 07.10.2015 – VI B 49/15, BFH/NV 2016, 38[]
  5. BFH, Urteil vom 13.01.1989 – VI R 66/87, BFHE 156, 412, BStBl II 1989, 1030; BFH, Beschluss vom 18.01.1991 – VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309[]
  6. BFH, Urteile in BFHE 156, 412, BStBl II 1989, 1030; und vom 10.06.1988 – III R 232/84, BFHE 154, 68, BStBl II 1988, 981[]
  7. dazu BFH, Beschluss vom 17.01.2002 – IX B 124/01 m.w.N.[]