Klagebefugnis gegen Feststellungsbescheide zur Höhe der Entnahmen und Einlagen

Der Feststellungsbescheid nach § 34a Abs. 10 Satz 1 EStG trifft nur gesonderte Feststellungen, auch wenn er mit einem gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO verbunden ist. § 48 FGO ist auf Feststellungsbescheide nach § 34a Abs. 10 Satz 1 EStG nicht anwendbar. Demnach ist nur der betroffene Gesellschafter, nicht die Personengesellschaft befugt, Klage gegen derartige Feststellungsbescheide zu erheben.

Klagebefugnis gegen Feststellungsbescheide zur Höhe der Entnahmen und Einlagen

Der Feststellungsbescheid nach § 34a Abs. 10 EStG ist ein selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt.

Nach § 34a Abs. 10 EStG können für den Fall, dass Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a oder b der Abgabenordnung (AO) gesondert festzustellen sind, auch die Höhe der Entnahmen und Einlagen sowie weitere für die Tarifermittlung nach den Absätzen 1 bis 7 erforderliche Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt werden (Satz 1). Zuständig für die gesonderte Feststellung nach Satz 1 ist das Finanzamt, das für die gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zuständig ist (Satz 2).

Dieser Feststellungsbescheid nach § 34a Abs. 10 Satz 1 EStG ist selbständig anfechtbar. Er kann zwar nach § 34a Abs. 10 Satz 3 EStG im Falle einer Mitunternehmerschaft mit dem Gewinnfeststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO verbunden werden. Diese Verbindung ändert aber nichts daran, dass es sich inhaltlich -neben dem Gewinnfeststellungsbescheid und einem ggf. aufgenommenen Verlustfeststellungsbescheid (vgl. § 15a Abs. 4 Satz 5 EStG)- um einen selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt handelt[1]. Der Feststellungsbescheid nach § 34a Abs. 10 EStG ist Folgebescheid des Gewinnfeststellungsbescheids und seinerseits Grundlagenbescheid für den Feststellungsbescheid nach § 34a Abs. 3 Satz 3 EStG[2] und den Einkommensteuerbescheid[3]. Danach kann in einem Klageverfahren gemäß § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 2 AO der Feststellungsbescheid nach § 34a Abs. 10 EStG nur insoweit zulässigerweise angefochten werden, als die geltend gemachten Einwendungen Feststellungen betreffen, die Gegenstand des Bescheids nach § 34a Abs. 10 EStG und nicht des Bescheids nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind[4].

Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO können gegen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zur Vertretung berufene Geschäftsführer oder, wenn solche nicht vorhanden sind, der Klagebevollmächtigte i.S. des Abs. 2 Klage erheben.

Diese Bestimmung ist dahin zu verstehen, dass gegen den nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO[5] ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid im Grundsatz nur die Personengesellschaft im eigenen Namen, vertreten durch ihre Geschäftsführer, Klage erheben kann, obwohl sich dieser Bescheid inhaltlich an die einzelnen Gesellschafter als Inhaltsadressaten richtet[6]. Den Gesellschaftern selbst steht ein eigenes Klage- (oder Einspruchs-)recht gegen solche Feststellungsbescheide nur in den Fällen zu, in denen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 FGO vorliegen[7]. § 48 FGO greift nach seinem klaren Wortlaut aber nur dann ein, wenn eine gesonderte Feststellung auch einheitlich erfolgt; nur gesonderte Feststellungen sind nicht erfasst[8].

Nach einhelliger Auffassung im Fachschrifttum ordnet § 34a Abs. 10 EStG nur eine gesonderte Feststellung an. Denn es seien nur die individuellen mitunternehmeranteilsbezogenen Voraussetzungen der Tarifbegünstigung festzustellen. Hieraus folge, dass § 48 FGO[9] nicht eingreife[10]. Danach sei allein der betroffene Gesellschafter befugt, gegen den Feststellungsbescheid nach § 34a Abs. 10 EStG Klage zu erheben. Dies gelte auch dann, wenn dieser Feststellungsbescheid -was gemäß § 34a Abs. 10 Satz 3 EStG möglich sei- mit dem Gewinnfeststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO verbunden werde. Der erstgenannte Bescheid werde nicht Teil der einheitlich vorgenommenen Gewinnfeststellung[11].

Dem schließt sich der Bundesfinanzhof an.

Nach § 179 Abs. 2 Satz 2 AO ist eine gesonderte Feststellung gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich vorzunehmen, wenn dies gesetzlich bestimmt[12] oder der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist[13].

Die gesetzlich angeordnete einheitliche Feststellung[12] meint (regelmäßig) Fälle, in denen der Feststellungsgegenstand nicht mehreren Personen zuzurechnen ist, d.h. die Besteuerungsmerkmale nicht gemeinschaftlich verwirklicht werden. Die Entscheidung muss zwar verfahrensrechtlich gegenüber allen, nicht aber in der Sache einheitlich vorgenommen werden. So verhält es sich z.B. im Falle des § 15a Abs. 4 Satz 6 EStG. Nach dieser Vorschrift ist der verrechenbare Verlust der Kommanditisten einheitlich festzustellen, wenn die Verlustfeststellung mit dem Gewinnfeststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO verbunden wird. Danach muss die Verlustfeststellung gegenüber allen Beteiligten des Gewinnfeststellungsverfahrens vorgenommen werden, auch wenn der verrechenbare Verlust in der Sache für jeden Kommanditisten individuell (nicht einheitlich) zu ermitteln ist[14].

Ist der Feststellungsgegenstand mehreren Personen zuzurechnen[13], muss hingegen gegenüber allen Beteiligten eine inhaltlich einheitliche Sachentscheidung getroffen werden[15]. Ob eine derartige Zurechnung zu erfolgen hat, bestimmt sich nach dem materiellen Steuerrecht[16]; ein wichtiger Anwendungsfall ist die gemeinschaftliche Einkünfteerzielung durch eine gewerbliche Mitunternehmerschaft (§ 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).

„Einheitlich“ bedeutet danach in beiden Alternativen des § 179 Abs. 2 Satz 2 AO zumindest, dass die erforderlichen Feststellungen von Amts wegen unter Beteiligung aller in einem eigenständigen Feststellungsverfahren -nicht zwingend in einem Bescheid[17]– zu treffen sind[18]. Der Kreis der Feststellungsbeteiligten muss im Zeitpunkt der Aufnahme des Verfahrens feststehen; eine Feststellung nur gegenüber einer der betroffenen Personen ist nicht zulässig[19].

Die Voraussetzungen der ersten Alternative des § 179 Abs. 2 Satz 2 AO sind nicht erfüllt.

§ 34a Abs. 10 EStG ordnet nicht an, dass die nach Satz 1 fakultativ mögliche Feststellung einheitlich vorzunehmen ist. Nach § 34a Abs. 10 Satz 3 EStG kann zwar der gesonderte Feststellungsbescheid mit dem Gewinnfeststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO verbunden werden. Es fehlt aber -anders als in § 15a Abs. 4 Satz 6 EStG- eine gesetzliche Bestimmung, wonach für diesen Fall die gesonderte Feststellung einheitlich gegenüber allen am Gewinnfeststellungsverfahren Beteiligten zu erfolgen hat. Im Gegenteil ergibt sich aus der antragsbezogenen Ausgestaltung des § 34a EStG, dass das Feststellungsverfahren nach Abs. 10 gerade nicht von Amts wegen für alle Beteiligten des Gewinnfeststellungsverfahrens durchzuführen ist. Seine Durchführung durch das Feststellungsfinanzamt (§ 34a Abs. 10 Satz 2 EStG) ist erst dann angezeigt, wenn dieses Kenntnis davon hat, dass ein Mitunternehmer die begünstigte Besteuerung tatsächlich in Anspruch nehmen will[20]. Hierfür ist ein Antrag erforderlich, der von einem Mitunternehmer -bezogen auf seinen jeweiligen Mitunternehmeranteil- nur unter den in § 34a Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Voraussetzungen gestellt werden kann. Dieser Antrag ist de lege lata -auch vom Mitunternehmer- beim Wohnsitzfinanzamt zu stellen (§ 34a Abs. 1 Satz 2 EStG). Außerdem kann die Situation eintreten, dass nach einem bereits gegenüber einem Gesellschafter ergangenen Feststellungsbescheid nach § 34a Abs. 10 EStG zu einem späteren Zeitpunkt ein weiterer Gesellschafter für das gleiche Jahr einen Antrag auf Tarifbegünstigung stellt. In diesem Fall ist für diese Person ein eigenständiges Feststellungsverfahren nach § 34a Abs. 10 Satz 1 EStG durchzuführen.

Schließlich ist es nicht möglich, bei einer Verbindung des Feststellungsbescheids nach § 34a Abs. 10 EStG mit dem Gewinnfeststellungsbescheid -wie hier geschehen- § 15a Abs. 4 Satz 6 EStG analog anzuwenden. Denn damit würde der in § 179 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 AO zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Wille konterkariert, wonach die Vornahme einer einheitlichen Feststellung von einer entsprechenden gesetzlichen Anordnung abhängig ist.

Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 179 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO erfüllt.

Bei den für die Tarifermittlung nach den Absätzen 1 bis 7 erforderlichen -nach § 34a Abs. 10 Satz 1 EStG gesondert festzustellenden- Besteuerungsgrundlagen handelt es sich um individuelle (mitunternehmeranteilsbezogene) Merkmale[21]. Der Tarifbegünstigung unterliegt der nicht entnommene Gewinn (§ 34a Abs. 1 EStG). Zentrale Vorschrift für die Tarifermittlung ist § 34a Abs. 2 EStG, wonach der nicht entnommene Gewinn des Betriebs oder Mitunternehmeranteils der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ermittelte Gewinn vermindert um den positiven Saldo der Entnahmen und Einlagen des Wirtschaftsjahres ist. Der Verweis auf § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 EStG bedingt, dass zu diesem nicht entnommenen Gewinn eines Mitunternehmers -bezogen auf den einzelnen Anteil- jedenfalls sein Anteil am Gewinn der Gesamthand, sein Ergänzungsbilanz- und Sonderbilanzergebnis[22] sowie seine Entnahmen und Einlagen[23] gehören. Keiner Klärung bedarf es im Streitfall, ob und inwieweit von diesem Verweis auch außerbilanzielle Korrekturen umfasst sind[24]. Denn diese Korrekturen würden ebenfalls nur den Gewinnanteil des Mitunternehmers betreffen. Hiervon ist noch ein ggf. bestehender Saldo der Entnahmen und Einlagen (Entnahmeüberschuss) des Mitunternehmers abzuziehen. Danach beurteilen sich die maßgeblichen Größen für die Tarifermittlung nach den individuellen Verhältnissen des Mitunternehmers. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass bestimmte, bei Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen berücksichtigte Merkmale -wie z.B. der Anteil des Mitunternehmers am Gewinn der Gesamthand- auf Größen basieren, die -wie eben der Gewinn der Gesamthand- für alle Gesellschafter gleichermaßen zu beurteilen sind.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 9. Januar 2019 – IV R 27/16

  1. Schmidt/Wacker, EStG, 37. Aufl., § 34a Rz 98; Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 34a EStG Rz 130; Reiß in Kirchhof, EStG, 17. Aufl., § 34a Rz 86; Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz 221.2[]
  2. nachversteuerungspflichtiger Betrag[]
  3. BFH, Beschluss vom 13.02.2017 – X B 72/16, Rz 16; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 34a Rz 99; HHR/Niehus/Wilke, § 34a EStG Rz 130; Reiß in Kirchhof, a.a.O., § 34a Rz 85; Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz 216.2; vgl. auch Blümich/Ratschow, § 34a EStG Rz 96[]
  4. Bodden, Finanz-Rundschau 2011, 829, 834[]
  5. gesondert und einheitlich[]
  6. BFH, Beschluss vom 30.12 2003 – IV B 21/01, BFHE 204, 44, BStBl II 2004, 239, unter 2.a; BFH, Urteil vom 01.07.2004 – IV R 4/03, BFH/NV 2005, 162, unter 2.b, zur Einspruchsbefugnis nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO[]
  7. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Beschluss in BFHE 204, 44, BStBl II 2004, 239, unter 2.a, m.w.N.[]
  8. Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 48 FGO Rz 32; Gräber/Levedag, a.a.O., § 48 Rz 12, 18[]
  9. ebenso § 352 AO[]
  10. Schmidt/Wacker, a.a.O., § 34a Rz 98; HHR/Niehus/Wilke, § 34a EStG Rz 130; Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz 216.1; Reiß in Kirchhof, a.a.O., § 34a Rz 85; Blümich/Ratschow, § 34a EStG Rz 96; Weitemeyer/Schumacher, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 34a Rz J 10[]
  11. HHR/Niehus/Wilke, § 34a EStG Rz 130; Gräber/Levedag, a.a.O., § 48 Rz 18; Schiffers, Deutsche Steuer-Zeitung 2018, 881, 884; gleicher Ansicht Finanzgericht Münster, Urteil vom 19.02.2014 9 K 511/14 F, Rz 24, rechtskräftig[]
  12. Alternative 1[][]
  13. Alternative 2[][]
  14. v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15a Rz F 93; HHR/Lüdemann, § 15a EStG Rz 175[]
  15. Gebot der materiellen Einheitlichkeit[]
  16. vgl. Klein/Ratschow, AO, 14. Aufl., § 179 Rz 22[]
  17. vgl. BFH, Beschluss vom 26.06.2008 – IV R 89/05, BFH/NV 2008, 1984, unter III. 2.a cc aaa[]
  18. Klein/Ratschow, a.a.O., § 179 Rz 22[]
  19. Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 179 AO Rz 36[]
  20. vgl. BT-Drs. 16/11108, S. 17[]
  21. Schmidt/Wacker, a.a.O., § 34a Rz 98; Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz 216.1; Reiß in Kirchhof, a.a.O., § 34a Rz 85; Weitemeyer/Schumacher, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 34a Rz J 10[]
  22. Schmidt/Wacker, a.a.O., § 34a Rz 98; Reiß in Kirchhof, a.a.O., § 34a Rz 53; Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz 78[]
  23. Reiß in Kirchhof, a.a.O., § 34a Rz 54[]
  24. strittig; dies ablehnend, z.B. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 11.11.2008 – IV C 6-S 2290-a/07/10001, BStBl I 2008, 838, Tz. 16; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 34a Rz 25; Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz 104; HHR/Niehus/Wilke, § 34a EStG Rz 57; Reiß in Kirchhof, a.a.O., § 34a Rz 52a; Blümich/Ratschow, § 34a EStG Rz 34; dies bejahend, z.B. Weitemeyer/Schumacher, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 34a Rz C 21; Pohl, Betriebs-Berater 2007, 2483[]