Wendet ein Schenker ein Grundstück zunächst einem Erstbeschenkten zu, mit der Auflage, das Grundstück an einen Dritten zu übertragen, sind beide Rechtsgeschäfte schenkungsteuerrechtlich selbständig zu beurteilen. Eine Zusammenschau von Befreiungsvorschriften auf Grundlage fiktiver Gestaltungen findet nicht statt.
Nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind von der Besteuerung ausgenommen u.a. Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes. Ziel und Zweck der Vorschrift ist es, die Doppelbelastung eines Lebenssachverhalts mit Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer zu vermeiden[1]. Ob eine Schenkung vorliegt, ist nach der jeweils geltenden Fassung des § 7 ErbStG zu beurteilen (dynamische Verweisung)[2]. Es handelt sich um einen abschließenden Katalog[3].
Als Schenkung unter Lebenden gilt u.a. nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird, ferner nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, was infolge Vollziehung einer von dem Schenker angeordneten Auflage oder infolge Erfüllung einer einem Rechtsgeschäft unter Lebenden beigefügten Bedingung ohne entsprechende Gegenleistung erlangt wird, es sei denn, dass eine einheitliche Zweckzuwendung vorliegt.
Die Schenkung unter Auflage nach § 525 BGB gehört zu den Schenkungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ErbStG. Ist Begünstigter der Auflage ein Dritter, so bleibt der ursprüngliche Schenker alleiniger Schenker. Das gilt ohne Weiteres gegenüber dem unmittelbar Beschenkten (Erstbeschenkten). Es gilt aber auch hinsichtlich des Gegenstandes der Auflage gegenüber dem davon begünstigten Dritten (Zweitbeschenkten). Führt nach einer solchen Schenkung der Erstbeschenkte die ihm auferlegte -und aus dem ihm Zugewendeten zu erbringende- Leistung durch Zuwendung an den Zweitbeschenkten aus, so ist Schenker der Zuwendung an den Zweitbeschenkten nicht der Erstbeschenkte, sondern der ursprüngliche Schenker[4]. Die in der Auflagenbegünstigung liegende Schenkung ist bei dem Zweitbeschenkten nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG oder § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG steuerbar[5].
§ 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ist im Falle einer solchen Schenkung unter Auflage zugunsten eines Dritten hinsichtlich des Gegenstandes der Auflage nicht anwendbar. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG setzt voraus, dass sich der Grundstückserwerb zwischen Schenker und Bedachtem vollzieht[6]. Das ist bei der Vollziehung einer Schenkungsauflage ausgeschlossen. Der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerb vollzieht sich zwischen dem Erstbeschenkten und dem Zweitbeschenkten. Die Schenkung vollzieht sich zwischen dem ursprünglichen Schenker und dem Zweitbeschenkten. Der Erstbeschenkte und der ursprüngliche Schenker sind definitionsgemäß nie identisch.
Nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG ist von der Besteuerung ausgenommen u.a. der Erwerb eines Grundstücks durch Personen, die mit dem Veräußerer in gerader Linie verwandt sind.
Gemäß § 1589 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Personen, deren eine von der anderen abstammt, in gerader Linie verwandt, während gemäß § 1589 Abs. 1 Satz 2 BGB Personen, die nicht in gerader Linie verwandt sind, aber von derselben dritten Person abstammen, in der Seitenlinie verwandt sind. Eltern und Kinder sind in gerader Linie, Geschwister lediglich in der Seitenlinie verwandt.
§ 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG ist auch anwendbar, wenn an dem Grundstücksübertragungsgeschäft Personengesellschaften beteiligt sind, die die Voraussetzungen, die an die Verwandtschaft anknüpfen, als nicht natürliche Personen unmittelbar nicht erfüllen können. Den Personengesellschaften als Gesamthandsgemeinschaften, zu denen auch die KG gehört, können im Rahmen der Befreiungstatbestände im Umfang der Beteiligung die persönlichen Eigenschaften der jeweiligen Gesellschafter zugerechnet werden. Das wird aus dem Rechtsgedanken des § 5 Abs. 2 GrEStG abgeleitet[7].
Wenn die Leistungsbeziehung in der Grunderwerbsteuer für sich genommen keinen Befreiungstatbestand erfüllt, so kann gleichwohl die Zusammenschau mehrerer Befreiungsvorschriften oder die mehrfache Anwendung derselben Befreiungsvorschrift eine Steuerbefreiung im Wege der Zusammenschau eröffnen, die im Wortlaut der Einzelvorschriften, je für sich allein betrachtet, nicht zum Ausdruck kommt.
Die Zusammenschau darf nur an einen real verwirklichten, nicht aber an einen fiktiven Sachverhalt anknüpfen. Sie darf auch nicht zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Befreiungsvorschrift über ihren Zweck hinaus führen. Fälle des Gestaltungsmissbrauchs i.S. des § 42 AO sind ausgeschlossen[8].
Die Zusammenschau kommt insbesondere dann in Betracht, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb als abgekürzter Leistungsweg darstellt und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wenn sie durchgeführt worden wären, ebenfalls steuerfrei wären. Im abgekürzten Leistungsweg hat die tatsächliche Ausführung der Leistung für sich genommen keinen Rechtsgrund. Sie kürzt lediglich den mehraktigen Leistungsweg ab, der den schuldrechtlichen Grundverhältnissen entspräche. Modell des abgekürzten Leistungswegs ist das Dreiecksverhältnis der Anweisung (§§ 783 ff. BGB), in dem der Anweisende den Angewiesenen anweist, eine Leistung nicht an ihn, den Anweisenden, sondern an einen Dritten, den Anweisungsempfänger zu erbringen. Es bestehen Rechtsbeziehungen einerseits zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen im sog. Deckungsverhältnis (§ 787 BGB)[9], andererseits zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger im sog. Valutaverhältnis (§ 788 BGB)[10]. Im Verhältnis zwischen dem Angewiesenen und dem Anweisungsempfänger wird zwar die Leistung tatsächlich erbracht, jedoch besteht kein Grundverhältnis[11], d.h. kein eigener Rechtsgrund.
Die Schenkung unter Auflage zugunsten eines Dritten enthält hinsichtlich der Auflage einen abgekürzten Leistungsweg. Die Auflage kann jede Leistung zum Gegenstand haben[12]. Ist diese ein grunderwerbsteuerbares Rechtsgeschäft, kann eine solche Schenkung die Zusammenschau von grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften eröffnen.
Ein abgekürzter Leistungsweg, der der Zusammenschau zugänglich wäre, liegt jedoch nicht vor, wenn der Gegenstand einer solchen Schenkungsauflage bereits ganz oder teilweise Gegenstand der Zuwendung des ursprünglichen Schenkers an den Erstbeschenkten war. In diesem Falle hätte der Schenker den Gegenstand der Auflage auch unmittelbar dem Zweitbeschenkten zuwenden können. Es stellt keine Abkürzung, sondern eine Verlängerung des Leistungswegs dar, wenn der Schenker dasjenige, was er im Ergebnis dem Zweitbeschenkten zuwenden will, dem Erstbeschenkten mit der Auflage zuwendet, es an den Zweitbeschenkten weiterzureichen, statt eine unmittelbare Zuwendung an den Zweitbeschenkten zu bewirken. Hinsichtlich der Leistungsbeziehungen verhält sich eine solche Gestaltung gerade invers zu der Rechtsfigur des abgekürzten Leistungswegs. Unerheblich ist, ob es anderweitige -auch beachtliche- Gründe gab, den Umweg der Schenkung unter Auflage zu wählen, denn diese können nicht zu einer Besteuerung führen, wie sie stattfände, wenn dieser Weg nicht gewählt worden wäre. Wie eine unmittelbare Zuwendung des ursprünglichen Schenkers an den Zweitbeschenkten zu behandeln gewesen wäre, ist ebenfalls unerheblich, da dieser fiktive Sachverhalt nicht Gegenstand der Besteuerung ist.
Aus einer derartigen Konstellation wird auch nicht deshalb ein abgekürzter Leistungsweg, weil die Durchführung der Auflage dadurch ersetzt werden könnte, dass der Erstbeschenkte dasjenige, was Gegenstand der Auflage ist, zunächst dem Schenker zurückschenkt, damit dieser es anschließend dem Zweitbeschenkten zuwenden kann. Dies wäre keine Zusammenschau, sondern eine künstliche Aufspaltung eines Vorgangs, die die vorgängige Schenkung des Schenkers an den Erstbeschenkten einschließlich des Gegenstandes der Auflage ausblendet und dadurch die Ausführung der Auflage durch einen nicht gewollten Leistungsweg ersetzt. Dem entsprechend hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 22.02.2017[13] in einer ähnlichen Konstellation die Frage einer Steuerbefreiung kraft Zusammenschau nicht in Erwägung gezogen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. August 2020 – II R 30/18
- ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil vom 16.01.2019 – II R 7/16, BFHE 263, 465, BStBl II 2019, 617, Rz 22, m.w.N.[↩]
- vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 19. Aufl., § 3 Rz 98[↩]
- Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 3 Rz 139[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 17.02.1993 – II R 72/90, BFHE 171, 316, BStBl II 1993, 523; vom 16.12.2015 – II R 49/14, BFHE 251, 513, BStBl II 2016, 292, Rz 11, sowie vom 07.11.2018 – II R 38/15, BFHE 263, 459, BStBl II 2019, 325, Rz 17[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 11.06.2008 – II R 60/06, BFH/NV 2008, 2026, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 263, 459, BStBl II 2019, 325, Rz 17, m.w.N.[↩]
- unter der früheren zivilrechtlichen Beurteilung der Gesamthand BFH, Urteile vom 25.02.1969 – II 142/63, BFHE 95, 292, BStBl II 1969, 400; und vom 21.11.1979 – II R 96/76, BFHE 129, 400, BStBl II 1980, 217; aus jüngerer Zeit unter ausdrücklicher Berufung auf § 5 Abs. 2 GrEStG BFH, Urteil vom 20.12.2011 – II R 42/10, BFH/NV 2012, 1177, Rz 13 bis 15[↩]
- BFH, Urteile vom 28.04.1970 – II 109/65, BFHE 99, 250, BStBl II 1970, 600; in BFHE 251, 513, BStBl II 2016, 292, Rz 9, m.w.N., und in BFHE 263, 459, BStBl II 2019, 325, Rz 19[↩]
- dazu Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Aufl., § 783 Rz 6, § 787 Rz 1[↩]
- dazu Palandt/Sprau, a.a.O., § 783 Rz 5, § 788 Rz 1[↩]
- Palandt/Sprau, a.a.O., § 783 Rz 8[↩]
- Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 525 Rz 1[↩]
- BFH, Urteil vom 22.02.2017 – II R 52/14, BFHE 257, 363, BStBl II 2017, 653[↩]