Die zurückbehaltenen Forderungen bei der Gründung einer Steuerberater-Sozietät

Honorarforderungen eines Steuerberaters können als unwesentliche Betriebsgrundlagen bei einer Einbringung nach § 24 UmwStG zurückbehalten werden. Entnimmt der Steuerpflichtige die zurückbehaltenen Forderungen nicht ausdrücklich in sein Privatvermögen, verbleiben sie in seinem Restbetriebsvermögen. Die zur Ermittlung des Einbringungsgewinns erforderliche Übergangsgewinnermittlung erstreckt sich nur auf tatsächlich eingebrachte Wirtschaftsgüter. Ermittelte der Steuerpflichtige vor der Einbringung seiner Praxis den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, so sind die zurückbehaltenen Forderungen als nachträgliche Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 24 Nr. 2 EStG im Zuflusszeitpunkt zu erfassen.

Die zurückbehaltenen Forderungen bei der Gründung einer Steuerberater-Sozietät

Der einbringende Steuerberater ist nicht verpflichtet, seine zurückbehaltenen Honorarforderungen im Zuge der Einbringung seiner Einzelpraxis in die Sozietät als Ertrag in seiner Gewinnermittlung zu erfassen.

Die Voraussetzungen einer Einbringung i.S. des § 24 UmwStG und damit einer möglichen Begünstigung des Einbringungsgewinns nach §§ 16, 34 EStG lagen im Streitfall trotz Zurückbehaltung der Honorarforderungen vor.

§ 24 UmwStG setzt voraus, dass ein Betrieb oder Teilbetrieb in eine Personengesellschaft eingebracht und der Einbringende Mitunternehmer dieser Gesellschaft wird. Ein Betrieb ist dann i.S. des § 24 UmwStG eingebracht, wenn seine wesentlichen Betriebsgrundlagen auf die Personengesellschaft übergehen[1]. Werden einzelne nicht wesentliche Wirtschaftsgüter des Betriebs zurückbehalten und auch nicht Sonderbetriebsvermögen bei der übernehmenden Personengesellschaft, so ist dies unschädlich für die Anwendung von § 24 UmwStG[2]. Ob eine Betriebsgrundlage wesentlich ist, beurteilt sich im Rahmen des § 24 UmwStG nach der funktionalen Betrachtungsweise[3]. Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens gehören unabhängig vom Umfang nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen[4]. Bei der Einbringung einer freiberuflichen Praxis sind der Mandantenstamm, der Praxiswert und unter Umständen die Praxiseinrichtung wesentlich, nicht jedoch bereits vorhandene Forderungen[5].

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich im Streitfall um eine Einbringung einer ganzen Praxis. Sowohl der Mandantenstamm, der Praxiswert als auch die Einrichtungsgegenstände wurden in die GbR eingebracht. Die zurückbehaltenen Forderungen sind unabhängig von ihrer Höhe nicht funktional wesentlich und stehen damit den Rechtsfolgen des § 24 Abs. 3 UmwStG nicht entgegen.

Um die Rechtsfolgen des § 24 Abs. 3 UmwStG i.V.m. §§ 16, 34 EStG in Gestalt des begünstigten Veräußerungsgewinns auszulösen, ist weiter erforderlich, dass die Praxis zum Teilwert eingebracht wird. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt. Nach den Feststellungen des Finanzgericht war der Steuerberater verpflichtet, eine Einbringungsbilanz aufzustellen und seine Praxis mit den gemeinen Werten einzubringen.

Die zurückbehaltenen Forderungen gehörten nach der Einbringung weiterhin zu einem Betriebsvermögen, nämlich zum Restbetriebsvermögen des Steuerberaters. Anders als das Finanzamt und das beigetretene BMF meinen, ist ein Betriebsvermögen ohne aktiven Betrieb möglich. Denn der einkommensteuerrechtliche Begriff des Gewerbebetriebs umfasst auch die auf Abwicklung eines Unternehmens gerichtete Tätigkeit[6]. Auch bei der Betriebsveräußerung i.S. des § 16 EStG können nicht mitveräußerte unwesentliche Wirtschaftsgüter im Restbetriebsvermögen verbleiben[7]. Nichts anderes gilt für die Abwicklung von zurückbehaltenen Forderungen bei einer Einbringung einer freiberuflichen Einzelpraxis in eine freiberufliche Sozietät. Die Vorschrift des § 24 EStG setzt voraus, dass auch nach Beendigung der aktiven freiberuflichen Tätigkeit freiberufliche Einkünfte entstehen können.

Die Anerkennung eines Restbetriebsvermögens verbunden mit der Erfassung der Erträge zum Zeitpunkt des Zuflusses verhindert zudem Streitigkeiten im Hinblick auf die Bewertung der Forderungen zum fiktiven Entnahmezeitpunkt. Diesem Wert käme im Falle einer Zwangsentnahme entscheidende Bedeutung zu. Denn dann wären sämtliche späteren Vorgänge, wie tatsächlicher Einnahmenausfall, vom angesetzten Entnahmebetrag abweichende Mehr- oder Mindereinnahmen, in Zusammenhang mit den zwangsweise entnommenen Forderungen dem nichtsteuerbaren Privatbereich zuzuordnen. Ob in diesen Fällen eine Korrektur nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO möglich wäre, erscheint zumindest bei unbestrittenen Forderungen zweifelhaft[8].

Die vom Steuerberater zurückbehaltenen Honorarforderungen waren auch nicht als (Zwangs-)Entnahme mit dem Teilwert in der Gewinnermittlung zu erfassen.

Entgegen der Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen gehen anlässlich einer Einbringung i.S. des § 24 UmwStG zurückbehaltene Forderungen nicht zwangsläufig in das Privatvermögen des Einbringenden über[9]. Erklärt der Steuerpflichtige nicht ausdrücklich eine Übernahme der zurückbehaltenen betrieblich begründeten Forderungen ins Privatvermögen, kann er diese auch ohne Betrieb als Restbetriebsvermögen behandeln und schrittweise einziehen[10]. Dauert aber die freiberufliche Einkünfteerzielung –wenn auch nicht mehr aus werbender Tätigkeit– an, besteht kein Zwang, Forderungen dem Privatvermögen zuzuordnen[11]. Nach zutreffender Auffassung des Finanzgericht muss der Einbringende seine Forderungen dabei nicht in einem bestimmten Abwicklungszeitraum einziehen[12]. Die Erfassung als Betriebseinnahme ist wegen der betrieblichen Verstrickung im Restbetriebsvermögen sichergestellt. Denn im Zeitpunkt des Zuflusses der Honorareinnahmen hat der Einbringende nachträgliche Einkünfte aus seiner Tätigkeit vor der Einbringung (§ 24 Nr. 2 EStG)[13]. Zudem besteht insbesondere bei Forderungen nicht die Gefahr von „ewigem“ Betriebsvermögen. Entweder der Steuerpflichtige macht seine Forderungen gerichtlich geltend und setzt damit den Einziehungsprozess in Gang oder nach zwei –jetzt nach drei– Jahren tritt regelmäßig Verjährung von Honorarforderungen ein (§ 196 Abs. 1 Nr. 15, § 198 BGB a.F., heute § 195 BGB)[14]. Dies führt in der Regel zu einer Entwertung der Forderungen. Aufgrund dessen besteht für die Fiktion einer Entnahme ins Privatvermögen im Zeitpunkt der Einbringung keine Notwendigkeit[15].

Der vom Finanzamt vertretene automatische Übergang der Forderungen ins Privatvermögen kann auch nicht mit einer entsprechenden Anwendung des im Streitjahr geltenden Satzes 4 (heute Satz 7) des § 16 Abs. 3 EStG begründet werden. Gemäß dieser Vorschrift sind die im Zuge einer Betriebsaufgabe nicht veräußerten Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Aufgabe des Gewerbebetriebs anzusetzen. Allerdings setzt bereits die direkte Anwendung dieser Norm voraus, dass die Wirtschaftsgüter gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG ins Privatvermögen überführt worden sind[16].

Im Streitfall verblieben die Honorarforderungen des Steuerberaters in dessen Restbetriebsvermögen. Denn der Steuerberater hat sie nach den Feststellungen des Finanzgericht nicht durch eine Entnahme ins Privatvermögen überführt.

Die Honorarforderungen des Steuerberaters waren auch nicht im Rahmen der Übergangsgewinnermittlung anlässlich der Einbringung zu erfassen.

Das Finanzamt geht zwar zu Recht davon aus, dass der Steuerberater anlässlich der Einbringung seiner Praxis in die Sozietät von der bisherigen Einnahmenüberschussrechnung i.S. des § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich i.S. des § 4 Abs. 1 EStG übergehen musste. Denn die Aufdeckung aller stillen Reserven der wesentlichen Betriebsgrundlagen und die Ermittlung eines Einbringungsgewinns auf der Grundlage einer Einbringungsbilanz und einer Eröffnungsbilanz der Gesellschaft sind Voraussetzung für die Begünstigungen der §§ 16, 34 EStG[17].

Allerdings musste der Steuerberater die zurückbehaltenen Honorarforderungen nicht in die Einbringungsbilanz der Sozietät einstellen. § 24 Abs. 1 UmwStG bezieht sich auf das „eingebrachte Betriebsvermögen“. Infolge dessen sind in der Übergangsgewinnermittlung nur die tatsächlich eingebrachten Wirtschaftsgüter zu erfassen[18]. Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Begünstigungen der §§ 16, 18 Abs. 3 und 34 EStG. Denn ein Einbringungsgewinn soll nur dann steuerbegünstigt sein, wenn sämtliche stillen Reserven der wesentlichen Betriebsgrundlagen –aber eben auch nur dieser– aufgedeckt werden[19]. Daher findet in Bezug auf die zurückbehaltenen Forderungen kein Wechsel der Gewinnermittlungsart statt[20]. Dies ist auch nicht erforderlich, weil die Forderungen durch die Zugehörigkeit zu einem Restbetriebsvermögen weiterhin betrieblich verstrickt bleiben und eine Erfassung der Zahlungseingänge als nachträgliche Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 24 Nr. 2 EStG sichergestellt ist.

Dadurch wird –entgegen der Auffassung des Finanzamt– auch nicht der aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes abgeleitete Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit verletzt. Diesem ist bereits dann genügt, wenn der aufgrund einer Überschussrechnung und der aufgrund eines Bestandsvergleichs ermittelte Totalgewinn, der jeweils alle Geschäftsvorfälle erfasst, identisch sind[21]. Dabei sind auch Geschäftsvorfälle zu berücksichtigen, die sich nach Beendigung, Veräußerung oder Einbringung eines Betriebes ereignen. Insofern muss die Gesamtgewinngleichheit im Streitfall erst mit dem letzten Geldeingang beim Steuerberater erreicht sein. Aufgrund dessen ist auch kein bestimmter zeitlicher Zusammenhang zwischen der Einbringung und der zu erwartenden Einziehung der Forderungen erforderlich. Soweit der XI. Senat des Bundesfinanzhofs[22] den Grundsatz der Totalgewinnidentität nur dann als gewahrt angesehen haben sollte, wenn die zurückbehaltenen Forderungen in einem überschaubaren Zeitraum nach der Einbringung der Praxis eingezogen werden, könnte ihm der Bundesfinanzhof nicht folgen. Für eine derartige Einschränkung des zu betrachtenden Gesamtgewinnzeitraums bestehen keine Rechtfertigungsgründe. Insofern kommt es im Streitfall nicht darauf an, wann der Steuerberater seine Honorarforderungen eingezogen hat. Darin liegt schon deshalb keine Abweichung gemäß § 11 Abs. 2 und 3 FGO, weil der XI. Senat des Bundesfinanzhofs für Rechtsfragen der hier zu entscheidenden Art nicht mehr zuständig ist.

Der Einwand des Finanzamt, dass im Falle einer Gewerbesteuerpflicht des eingebrachten Betriebes der Grundsatz der Totalgewinnidentität deswegen verletzt sei, weil die nachträglichen Einkünfte i.S. des § 24 Nr. 2 EStG nicht gewerbesteuerpflichtig seien, verfängt nicht. Denn der Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit verlangt nur die Identität des nach verschiedenen Methoden ermittelten Gewinns als Bemessungsgrundlage für Ertragsteuern, jedoch nicht eine Gleichheit der gesamten steuerlichen Belastung[23].

Der Steuerberater hatte die Zahlungen, die auf seine zurückbehaltenen Honorarforderungen geleistet werden, erst mit dem tatsächlichen Zufluss i.S. des § 11 EStG als nachträgliche Betriebseinnahmen zu erfassen. Denn er hat die Höhe der nachträglichen Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nach den Grundsätzen der Einnahmenüberschussrechnung i.S. des § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Der Steuerberater hat nach den Feststellungen des Finanzgericht für das Streitjahr keine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG durchgeführt und auch keine einer Buchführung entsprechenden Unterlagen vorgelegt. Bei dieser Sachlage ist für einen Steuerpflichtigen nur die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zulässig[24]. Der BFH kann daher offenlassen, ob dem Steuerberater zur Ermittlung des Gewinns des Restbetriebsvermögens anderenfalls ein Wahlrecht hinsichtlich der Gewinnermittlungsart zugestanden hätte[25] oder ob dies nur nach § 4 Abs. 3 EStG möglich gewesen wäre[26].

Bundesfinanzhof, Urteil vom 4. Dezember 2012 – VIII R 41/09

  1. BFH, Urteil vom 29.11.1988 – VIII R 316/82, BFHE 156, 408, BStBl II 1989, 602, unter 6.[]
  2. Fuhrmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG Rz 245[]
  3. BFH, Urteil vom 25.11.2009 – I R 72/08, BFHE 227, 445, BStBl II 2010, 471, unter II.3.a bb aaa[]
  4. BFH, Urteil vom 11.10.2007 – X R 39/04, BFHE 219, 144, BStBl II 2008, 220, unter II.4.c[]
  5. BFH, Urteil vom 13.09.2001 – IV R 13/01, BFHE 196, 546, BStBl II 2002, 287; vgl. auch BFH, Urteil vom 18.05.1994 – I R 109/93, BFHE 175, 249, BStBl II 1994, 92[]
  6. BFH, Urteile vom 09.11.1999 – II R 45/97, BFH/NV 2000, 686; vom 24.04.1980 – IV R 68/77, BFHE 131, 70, BStBl II 1980, 658[]
  7. BFH, Urteile in BFH/NV 2000, 686; vom 01.08.2007 – XI R 47/06, BFHE 218, 509, BStBl II 2008, 106[]
  8. BFH, Urteil vom 10.02.1994 – IV R 37/92, BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564, unter 4.d[]
  9. BFH, Urteil vom 14.11.2007 – XI R 32/06, BFH/NV 2008, 385[]
  10. BFH, Urteile in BFH/NV 2008, 385; in BFH/NV 2000, 686[]
  11. BFH, Urteil vom 25.02.1975 – VIII R 84/69, BFHE 115, 429, BStBl II 1975, 571[]
  12. offengelassen im BFH, Urteil in BFH/NV 2008, 385[]
  13. BFH, Urteil vom 25.03.1976 – IV R 174/73, BFHE 118, 572, BStBl II 1976, 487[]
  14. vgl. OLG Köln, Urteil vom 22.01.2004 – 8 U 67/03, OLG-Report Hamm Düsseldorf Köln 2005, 32 zur Verjährung im Jahr 1999[]
  15. so aber BMF, Schreiben zur Anwendung des Umwandlungssteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl I 2011, 1314[]
  16. BFH, Urteil in BFH/NV 2000, 686[]
  17. BFH, Beschluss vom 18.10.1999 – GrS 2/98, BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123, unter C.I.1.; BFH, Urteile in BFH/NV 2008, 385; vom 05.04.1984 – IV R 88/80, BFHE 141, 27, BStBl II 1984, 518[]
  18. vgl. BFH, Urteil in BFHE 141, 27, BStBl II 1984, 518[]
  19. BFH, Beschluss in BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123, unter C.V.1.c[]
  20. BFH, Urteil in BFH/NV 2008, 385; vgl. auch BFH, Urteil in BFHE 196, 546, BStBl II 2002, 287; Korn, FR 2005, 1236, unter IV.[]
  21. BFH, Urteil vom 10.06.2008 – VIII R 101/04, BFH/NV 2008, 1824; Weber-Grellet, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz D 10 sowie D 203[]
  22. BFH, Urteil in BFH/NV 2008, 385[]
  23. Weber-Grellet, a.a.O., § 4 Rz D 10; Drüen, FR 1999, 1097, 1105[]
  24. BFH, Urteil vom 06.03.1997 – IV R 47/95, BFHE 183, 78, BStBl II 1997, 509[]
  25. Schießl, FR 2007, 136[]
  26. BFH, Urteil vom 22.02.1978 – I R 137/74, BFHE 125, 42, BStBl II 1978, 430[]