Das noch zu bebauende Grundstück – und der einheitliche Erwerbsgegenstand bei der Grunderwerbsteuer

Ergibt sich aus einem Rechtsgeschäft oder weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand. Ein unbebautes Grundstück kann aber nur dann in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs sein, wenn der Veräußerer zivilrechtlich zur Gebäudeerrichtung verpflichtet ist.

Das noch zu bebauende Grundstück – und der einheitliche Erwerbsgegenstand bei der Grunderwerbsteuer

Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand[1].

Ein beim Abschluss des Kaufvertrags unbebautes Grundstück kann nur dann in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs sein, wenn der Veräußerer zivilrechtlich zur Gebäudeerrichtung verpflichtet ist[2]. Auf der Veräußererseite können dabei mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, so dass sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist dann, dass der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichem Erwerbsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen[3].

Zur Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstands genügt es nicht, dass sich der Erwerber gegenüber dem Grundstücksverkäufer verpflichtet, das Gebäude zu errichten. Allein die Bindung des Erwerbers an eine bestimmte Bebauung des Grundstücks („Ob“ und „Wie“ der Bebauung) reicht für sich genommen nicht aus, wenn diese nicht gegenüber der (zur Gebäudeerrichtung verpflichteten) Veräußererseite (d.h. dem Grundstücksverkäufer oder einem mit diesem verbundenen Dritten) besteht. Denn nur dann, wenn die Veräußererseite (auch) zur Errichtung des Gebäudes verpflichtet ist, entspricht eine solche Sachverhaltsgestaltung ihrem objektiven Inhalt nach dem Abschluss eines das bebaute Grundstück umfassenden Grundstückskaufvertrags[4]. Fehlt eine solche Verpflichtung der Veräußererseite, ist die Bebauung vielmehr eine eigennützige Leistung des Erwerbers, die keine Gegenleistung für den Erwerb des (bebauten) Grundstücks darstellt. Selbst ein Eigeninteresse der Veräußererseite daran, dass die Bebauung des erworbenen Grundstücks zeitnah und in der gestalterisch durch sie vorgegebenen Weise erfolgt, führt nicht zu einer der Veräußererseite zuzurechnenden zivilrechtlichen Herstellungspflicht. Der Erwerber ist in diesen Fällen als Bauherr des unbebauten Grundstücks und nicht als Erwerber eines bebauten Grundstücks anzusehen.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall ist daher das Finanzgericht des Saarlands in der Vorinstanz[5] zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Käuferin das Grundstück -in vollem Umfang- im bebauten Zustand erworben hat und damit alle Bauerrichtungskosten, die Kosten für die Baugenehmigung, für die Mietverträge und für die sonstigen Projektierungsunterlagen in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind:

Auf den ursprünglich im Eigentum des S stehenden Grundstücken in … sollte ein Outlet-Center errichtet werden. Die C-AG hatte Planungen erstellt und eine Baugenehmigung erwirkt; mit der Vermietung war begonnen worden. Die Käuferin trat in das noch unvollendete Projekt ein. S verkaufte und übertrug der Käuferin den Grundbesitz mit aufstehenden Gebäulichkeiten, Bestandteilen und Zubehör. Er verpflichtete sich außerdem, den „Baukörper 5“, der bereits vermietet war, herzustellen. Die mitbeteiligte C-AG verkaufte und übertrug der Käuferin die Baugenehmigung, alle Mietverträge und alle Projektierungsunterlagen. Der Gesamtkaufpreis betrug 4.770.000 €. Davon entfielen auf den Grundbesitz 1.240.000 €, auf den Baukörper 5  770.000 € sowie auf die von der C-AG veräußerten Wirtschaftsgüter 2.760.000 €. Die Käuferin übernahm sämtliche öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen und verpflichtete sich, das Outlet-Center entsprechend den Vorgaben der übernommenen Verträge herzustellen. Im Hinblick auf den Umstand, dass ein nahezu vollständig entwickeltes Projekt veräußert und eine weitere Beteiligung des Veräußerers gewünscht wurde, hatten die Beteiligten über eine Kaufpreisherabsetzung zu verhandeln, wenn entweder die Baukosten für die noch zu errichtenden Gebäude den Betrag von 5.880.000 € überschreiten oder das „Gesamtnettomietvolumen“ den Betrag von 865.000 € p.a. unterschreitet. Im Falle einer Weiterveräußerung sollte der Veräußerer 30 % des Weiterveräußerungsgewinns erhalten. Die Käuferin beauftragte die W-KG mit der Bebauung des Grundstücks. Die W-KG ihrerseits beauftragte einer Vorabvereinbarung entsprechend das Ingenieurbüro des S mit der Erbringung der Architektenleistungen. Im Verlauf der Baumaßnahmen erhöhten sich die tatsächlichen Baukosten um 2.000.000 € auf somit insgesamt 7.880.000 €. Andererseits konnte für den Baukörper 5 eine um 72.000 € erhöhte Miete vereinbart werden. Daraufhin wurde ein Änderungsvertrag geschlossen, mit dem der Kaufpreis auf 2.842.000 € herabgesetzt wurde, wovon noch 760.000 € auf die von der C-AG veräußerten Wirtschaftsgüter entfielen.

Hiernach waren weder der Veräußerer noch die Mitbeteiligte zivilrechtlich zur Herstellung der Gebäude verpflichtet. Dass die Käuferin auf die Fertigstellung der Gebäude praktisch keinen Einfluss mehr nehmen konnte, führt nicht zu einer solchen Verpflichtung. Eine etwaige vom Erwerber geschuldete Vergütung für Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem vom Erwerber selbst herzustellenden Gebäude oder die Bereitstellung von Planungsunterlagen unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer. Dies gilt auch dann, wenn die Veräußererseite das Grundstück sowie die sonstigen Dienst- und Sachleistungen einheitlich angeboten hatte. Schließlich begründet auch ein finanzielles Einstehen des Veräußerers für die Verwirklichung des Projekts keinen einheitlichen Erwerbsgegenstand. Zwar hat die Vorinstanz zutreffend auf die möglicherweise ungewöhnliche Risikoverteilung in den geschlossenen Verträgen hingewiesen. Eine bloß wirtschaftliche Verantwortlichkeit ersetzt bei der Prüfung des einheitlichen Erwerbsgegenstands indessen keine zivilrechtlichen Verpflichtungen.

Auch der Umstand, dass die Käuferin die W-KG mit der Bebauung des Grundstücks beauftragte und diese das Ingenieurbüro des S zur Erbringung der Architektenleistungen verpflichtete, schafft keine zivilrechtliche Verpflichtung der Veräußererseite.

Der vom Finanzgericht zur Begründung seiner Rechtsauffassung herangezogene Fall[6] unterscheidet sich insoweit vom Streitfall. Denn dort hatte die Eigentümerin dem Käufer die Generalunternehmerin benannt. Diese beauftragte der Käufer dann auf der Grundlage des von der Grundstückseigentümerin ausgearbeiteten Generalübernehmerwerkvertrags, der genehmigten Bauplanung und der dem Verkaufsprospekt beigefügten Baubeschreibung mit der schlüsselfertigen Erstellung des Gebäudes auf dem Grundstück zum Festpreis. Im Streitfall fehlen Feststellungen, wonach die Käuferin an einen bestimmten Generalunternehmer -nämlich die W-KG- verwiesen wurde.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 27. Mai 2020 – II R 25/17

  1. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteile vom 06.07.2016 – II R 5/15, BFHE 254, 77, BStBl II 2016, 895, Rz 12; vom 25.01.2017 – II R 19/15, BFHE 257, 358, BStBl II 2017, 655, Rz 13; und vom 20.02.2019 – II R 28/15, BFHE 264, 343, BStBl II 2019, 555, jeweils m.w.N.[]
  2. vgl. BFH, Urteile vom 03.03.2015 – II R 9/14, BFHE 249, 323, BStBl II 2015, 660, Rz 15; und vom 30.08.2017 – II R 48/15, BFHE 259, 127, BStBl II 2018, 24, Rz 33, jeweils m.w.N.[]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 26.02.2014 – II R 54/12, BFH/NV 2014, 1403, Rz 11, m.w.N.[]
  4. vgl. im Einzelnen BFH, Urteil vom 16.01.2002 – II R 16/00, BFHE 197, 308, BStBl II 2002, 431, unter II. 1.[]
  5. FG Saarland, Urteil vom 19.10.2016 – 2 K 1332/13[]
  6. BFH, Urteil vom 30.04.2003 – II R 29/01, BFH/NV 2003, 1446[]