Bezugsrecht bei der Lebensversicherung, Nachlassverbindlichkeiten – und die Erbschaftsteuer

Vom Erblasser herrührende Schulden können auch bei Erwerbern, die nicht Erben sind, als Nachlassverbindlichkeiten vom Erwerb abziehbar sein.

Bezugsrecht bei der Lebensversicherung, Nachlassverbindlichkeiten – und die Erbschaftsteuer

Der Erwerb des Anspruchs auf die Versicherungssumme erfüllt den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Vom Erwerb ist jedoch die einbehaltene Quellensteuer als vom Erblasser herrührende Schuld nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzuziehen.

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tod von einem Dritten unmittelbar erworben wird. Die Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG setzt bei einem Vertrag zugunsten Dritter voraus, dass die Zuwendung an den Dritten im Verhältnis zum Erblasser (Valutaverhältnis) alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung aufweist. Bei dem nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtigen Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter handelt es sich nämlich vom Typus her um eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, die nur deshalb den Erwerben von Todes wegen zugerechnet wird, weil die die Steuerpflicht auslösende Bereicherung des Dritten erst beim Tod des Erblassers als Zuwendenden eintritt. Daher verlangt auch der Erwerb i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG eine objektive Bereicherung des Dritten, die aus dem Vermögen des Erblassers herrührt[1].

In den Fällen des § 3 ErbStG gilt als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegt, die nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setzt ebenso wie die Erbenhaftung nach § 1967 Abs. 2 BGB voraus, dass Schulden vom Erblasser herrühren. Aus dem Begriff „herrühren“ ergibt sich, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen[2]. Erblasserschulden i.S. des § 1967 Abs. 2 BGB sind auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzung verstorben wäre[3].

Vom Erblasser herrührende Schulden können auch bei Erwerbern, die keine Erben sind, Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sein. Dies folgt aus § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG, der den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nicht auf bestimmte Erwerbsvorgänge des § 3 ErbStG beschränkt. Soweit der Bundesfinanzhof zu einem anderen Sachverhalt die Auffassung vertreten hat, dass ein Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG durch eine Person, die nicht Erbe geworden ist, nicht um Erblasserschulden i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG gemindert werden kann[4], wird daran nicht mehr festgehalten.

Hat der Erblasser für den Fall seines Todes einen Dritten als alleinigen Bezugsberechtigten der Versicherungssumme aus einer von ihm abgeschlossenen Lebensversicherung benannt und dabei freigebig gehandelt, ist der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG mit dem Tod des Erblassers erfüllt. Die Versicherungssumme ist mit dem Nennwert anzusetzen. Von der Versicherungssumme ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 ErbStG eine bei Auszahlung der Versicherungssumme einbehaltene Quellensteuer als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen, wenn die Quellensteuer deshalb erhoben wird, weil in der Versicherungssumme unversteuerte Einnahmen des Erblassers enthalten sind. Insoweit gilt nichts anderes als beim Abzug von -nach dem Tod des Erblassers gegen den Erben festgesetzten- Steuerschulden des Erblassers[5]. Die bei Auszahlung einbehaltene Quellensteuer wirkt in diesem Fall wie eine nachgelagerte Besteuerung des Erblassers und gehört zu den vom Erblasser herrührenden Schulden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. Juni 2016 – II R 51/14

  1. BFH, Urteile vom 13.05.1998 – II R 60/95 BFH/NV 1998, 1485; und vom 18.09.2013 – II R 29/11, BFHE 243, 385, BStBl II 2014, 261, Rz 10[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 07.06.1991 – V ZR 214/89, NJW 1991, 2558, m.w.N; BFH, Urteil vom 04.07.2012 – II R 15/11, BFHE 238, 233, BStBl II 2012, 790, Rz 14[]
  3. vgl. BGH, Urteil in NJW 1991, 2558; BFH, Urteil in BFHE 238, 233, BStBl II 2012, 790, Rz 14[]
  4. vgl. BFH, Beschluss vom 17.05.2000 – II B 72/99, BFH/NV 2001, 39[]
  5. vgl. dazu BFH, Urteile in BFHE 238, 233, BStBl II 2012, 790, Rz 15; und vom 28.10.2015 – II R 46/13, BFHE 252, 448, BStBl II 2016, 477, Rz 12[]