Anrechnung von Kapitalertragsteuer auf Fondserträge

Eine Kapitalertragsteuer auf Erträge aus Investmentfonds ist nur dann anzurechnen, wenn die entsprechenden Kapitalerträge beim Anleger oder bei seinem Rechtsvorgänger als Einnahmen erfasst worden sind.

Anrechnung von Kapitalertragsteuer auf Fondserträge

Nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG wird unter bestimmten, in der Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen auf die Einkommensteuer die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer angerechnet. Zu der durch Steuerabzug erhobenen Einkommensteuer zählt u.a. die Kapitalertragsteuer (§ 43 Abs. 1 EStG). Diese wird bei Erträgen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG –und damit auch bei Erträgen aus Investmentanteilen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG a.F.)– für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge erhoben (§ 44 Abs. 1 Satz 1 EStG). Daraus folgt im Hinblick auf die Besteuerung von Erträgen aus Investmentanteilen im Grundsatz, dass u.a. die gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvStG a.F. erhobene Kapitalertragsteuer auf die Einkommensteuer des Anlegers angerechnet wird. Das wird durch § 7 Abs. 7 InvStG a.F. bestätigt, der ergänzend bestimmt, dass für die Anrechnung der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer nach § 36 Abs. 2 EStG die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes entsprechend gelten.

Die in § 7 Abs. 7 InvStG a.F. angeordnete „entsprechende“ Geltung der einkommensteuerrechtlichen Vorschriften bewirkt, dass im Bereich der Erträge aus Investmentanteilen die Anrechnung der Kapitalertragsteuer denselben Regeln unterliegt wie bei anderen Kapitalerträgen. Das bedeutet insbesondere, dass eine Anrechnung nur unter den in § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG genannten Voraussetzungen stattfindet. Diese Voraussetzungen gehen u.a. dahin, dass eine durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer nur insoweit angerechnet wird, als sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte oder auf bestimmte bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleibende Bezüge entfällt.

Der Bundesfinanzhof folgt damit nicht der Ansicht, dass § 7 Abs. 7 InvStG a.F. nur auf die in § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG bestimmte Rechtsfolge verweise, nicht aber die dort aufgestellten Voraussetzungen in Bezug nehme. Eine solche Einschränkung wird weder durch den Wortlaut noch durch den Zweck des § 7 Abs. 7 InvStG a.F. gerechtfertigt. Insbesondere kann sie nicht daraus abgeleitet werden, dass § 7 Abs. 7 InvStG a.F. (nur) eine „entsprechende“ Geltung der Vorschriften des Einkommensteuergesetzes anordnet.

Gegen diese Deutung spricht zum einen die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. So heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 18a AuslInvestmG u.a., dass einbehaltene Kapitalertragsteuer im Veräußerungsfall nur dann erstattet werden solle, wenn die ausschüttungsgleichen Erträge bereits versteuert worden seien[1]. Zu § 7 InvStG a.F., der in dem hier interessierenden Punkt inhaltlich mit § 18a AuslInvestmG übereinstimmt, fehlt zwar eine dementsprechende ausdrückliche Erklärung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe; die Gesetzesmaterialien enthalten aber auch keine davon abweichende Erläuterung. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, spricht dies dafür, dass die Regelung in § 7 Abs. 7 InvStG a.F. von denselben Erwägungen getragen ist wie die zuvor in § 18a AuslInvestmG getroffene. Hätte der Gesetzgeber anordnen wollen, dass die Anrechnung nunmehr nur noch von der Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer abhänge und von den übrigen Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG unabhängig sei, so hätte er dies jedenfalls deutlicher zum Ausdruck gebracht.

Zudem würde namentlich ein Verzicht auf die Erfassung der betreffenden Einnahmen bei der Einkommensteuer dem Zweck der Kapitalertragsteuer widersprechen. Denn durch die rechtliche Verknüpfung zwischen der Besteuerung von Kapitalerträgen einerseits und dem Abzug sowie der Anrechnung von Kapitalertragsteuer andererseits will der Gesetzgeber Steuerverkürzungen entgegentreten und Steuerausfälle vermeiden. Die Erhebung der Kapitalertragsteuer soll sicherstellen, dass Kapitalerträge auch dann besteuert werden, wenn sie im Rahmen einer Veranlagung des Gläubigers zur Einkommensteuer nicht erklärt und in der Folge nicht erfasst werden; eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer soll deshalb nur dann erfolgen, wenn diese Gefahr durch die steuerliche Erfassung der Kapitalerträge beseitigt ist. Die hiernach aus der Sicht des Gesetzgebers zu vermeidende Gefahr besteht indessen auch im Bereich der Erträge aus Investmentanteilen. Folgerichtig ist denn auch insoweit eine Erhebung von Kapitalertragsteuer vorgesehen. Diese würde ihres Sicherungszwecks entkleidet, wenn sie –der Ansicht des Klägers entsprechend– unabhängig von einer Erfassung der steuerpflichtigen Einnahmen angerechnet werden müsste. Eine solche Lösung würde die Erhebung der Kapitalertragsteuer in diesem Bereich letztlich überflüssig machen und zu einem in diesem Sinne widersinnigen Ergebnis führen. Sie kann daher auch unter diesem Gesichtspunkt aus § 7 Abs. 7 InvStG a.F. nicht abgeleitet werden.

Die Überlegungen zur Berücksichtigung der Verhältnisse eines Rechtsvorgängers stützen sie ebenfalls nicht. Zwar ist zu Recht darauf hinzuweisen, dass nach dem System des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvStG a.F. zwischen dem Zufluss ausschüttungsgleicher Erträge und der Abführung der darauf entfallenden Kapitalertragsteuer keine zeitliche Korrespondenz besteht. Denn die ausschüttungsgleichen Erträge gelten mit Ablauf des Geschäftsjahres, in dem sie (vom Investmentfonds) vereinnahmt worden sind, als (dem Anleger) zugeflossen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 InvStG a.F.[2]); der Anleger muss sie daher –dem Transparenzprinzip entsprechend– in dem Veranlagungszeitraum versteuern, in dem der Investmentfonds sie erzielt hat[3]. Dagegen wird die auf ausschüttungsgleiche Erträge entfallende Kapitalertragsteuer erst dann erhoben, wenn der Anteil veräußert oder zurückgegeben wird[4]. Das kann im Einzelfall zur Folge haben, dass die Abzugsteuer zu Lasten eines Anlegers einzubehalten ist, dem die entsprechenden Einnahmen nicht zuzurechnen sind, während derjenige, der tatsächlich die Einnahmen erzielt hat, nicht mit Kapitalertragsteuer belastet wird. Zu denken ist etwa an eine unentgeltliche Übertragung der Investmentanteile in der Zeit zwischen der Erzielung der ausschüttungsgleichen Erträge und dem Eintritt des die Kapitalertragsteuer auslösenden Umstandes. Daraus kann aber entgegen der Ansicht des Klägers nicht abgeleitet werden, dass die Kapitalertragsteuer unabhängig von der Erfassung der für sie maßgeblichen Erträge anzurechnen ist.

Denn auch dann, wenn in der Zeit zwischen der Erzielung jener Erträge und der Vornahme des Steuerabzugs der Inhaber der Anteile gewechselt hat, kann die Kapitalertragsteuer ihre Sicherungsfunktion erfüllen. Ihre Erhebung verhindert nämlich dann ebenso wie in Fällen ohne Anteilseignerwechsel, dass Kapitalerträge der gesetzlich vorgesehenen Besteuerung gänzlich entgehen. Es entspricht mithin dem Zweck des Gesetzes, in einem solchen Fall die Anrechnung der Kapitalertragsteuer ebenfalls nur dann zu gewähren, wenn die entsprechenden Erträge tatsächlich versteuert worden sind. Dass in dieser Situation die Gefahr des Steuerausfalls einerseits und die Versagung der Anrechnung andererseits bei zwei verschiedenen Personen eintreten, ist dabei nicht entscheidend; aus der Sicht des Gesetzgebers kommt es vielmehr vor allem darauf an, dass im Ergebnis die Erfassung des Ertrags gewährleistet ist. Deshalb ist es auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit zwischenzeitlicher Anteilsveräußerungen sachgerecht, § 7 Abs. 7 InvStG a.F. dahin zu deuten, dass die Vorschrift auf die in § 36 Abs. 2 EStG genannten Anrechnungsvoraussetzungen verweist.

Nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 EStG ist die Anrechnung einer Abzugsteuer auch dann geboten, wenn diese Steuer auf nach § 3 Nr. 40 EStG oder nach § 8b Abs. 1 und 6 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes außer Ansatz bleibende Bezüge entfällt. Dass die von der D-Bank einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer sich auf solche Erträge bezieht, ist jedoch weder festgestellt noch vom Kläger geltend gemacht worden.

Der Kläger stützt sein Erstattungsbegehren auf § 37 Abs. 2 AO. Nach dieser Vorschrift hat u.a. derjenige, auf dessen Rechnung eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO); das gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO). Dazu hat der Senat jedoch bereits entschieden, dass die Anmeldung einer Kapitalertragsteuer einen Rechtsgrund für deren Zahlung bildet und dass deshalb eine Erstattung der Kapitalertragsteuer nach § 37 Abs. 2 AO nicht erreicht werden kann, solange und soweit die Anmeldung fortbesteht und kein gegenläufiger Steuerbescheid ergangen ist[5]. Dieser Grundsatz, an dem festzuhalten ist, greift im Streitfall ein. Die Anmeldung der Kapitalertragsteuer durch die D-Bank, die noch unverändert besteht, bildet hiernach einen rechtlichen Grund für die Steuerzahlung. Daher ist für eine Erstattung auf der Grundlage des § 37 Abs. 2 AO kein Raum. Dieser Beurteilung steht nicht das Urteil des Bundesfinanzhof vom 31. August 1999[6] entgegen. Dort ist zwar ausgeführt, dass eine Erstattung von Kapitalertragsteuer nach § 37 Abs. 2 AO in Betracht komme. Doch handelt es sich dabei zum einen um eine beiläufige Bemerkung, die die seinerzeit getroffene Entscheidung nicht getragen hat. Zum anderen enthält das Urteil keine Ausführungen dazu, auf welchem verfahrensrechtlichen Weg die dort erwähnte Erstattung erreicht werden kann.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 8. September 2010 – I R 90/09

  1. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12/5630, S. 79[]
  2. ebenso zur Rechtslage bis zum Veranlagungszeitraum 2003 § 17 Abs. 1 Satz 3 AuslInvestmG[]
  3. Carlé in Korn, Einkommensteuergesetz, § 2 InvStG Rz 12[]
  4. Hamacher in Korn, a.a.O., § 7 InvStG Rz 8[]
  5. BFH, Urteil vom 28.06.2006 – I R 47/05, BFH/NV 2007, 2, m.w.N.[]
  6. BFH, Urteil vom 31.08.1999 – VIII R 23/98, BFH/NV 2000, 420[]