Wird während eines anhängigen finanzgerichtlichen Verfahrens über einen durch Duldungsbescheid geltend gemachten Anfechtungsanspruch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet, so wird das Verfahren gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) unterbrochen. Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, das Verfahren gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 AnfG aufzunehmen. Das gilt auch dann, wenn die Finanzbehörde als Insolvenzgläubigerin bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund ihres Anfechtungsanspruchs eine Sicherung erlangt hat.
Das anhängige finanzgerichtliche Verfahren wurde mit der Insolvenzeröffnung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG unterbrochen; und vom Insolvenzverwalter gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 AnfG wirksam aufgenommen. Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögendes Schuldners war der Duldungsbescheid streitgegenständlich, mit dem das Finanzamt einen Anfechtungsanspruch gemäß § 4 AnfG gegenüber der klagenden Duldungsschuldnerin geltend gemacht hatte. Infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG berechtigt, den vom Finanzamt erhobenen Anfechtungsanspruch zu verfolgen.
Das Finanzgericht ist in einem solchen Fall nicht befugt, den Insolvenzverwalter aus dem Prozess zu weisen[1], weil dieser für die Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs prozessführungsbefugt ist.
Denn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Einzelgläubigeranfechtungsanspruch aus § 11 AnfG erloschen, der Anfechtungsanspruch gehört nunmehr zur Insolvenzmasse[2]. Der Insolvenzverwalter ist nach § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG berechtigt, die von den Insolvenzgläubigern erhobenen Anfechtungsansprüche zu verfolgen, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wird[3].
Das finanzgerichtliche Verfahren wurde gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG unterbrochen.
Ist das Verfahren über den Anfechtungsanspruch im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch rechtshängig, so wird es gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG unterbrochen. Im Streitfall hat das AG während des anhängigen finanzgerichtlichen Klageverfahrens das Insolvenzverfahren über das Vermögendes Schuldners eröffnet. Da das anhängige Verfahren der Duldungsschuldnerin gegen den Duldungsbescheid des Finanzamtes den Bestand der der Sicherungshypothek zugrunde liegenden Forderung betrifft, führte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG.
Zwar handelt es sich vorliegend nicht unmittelbar um ein Verfahren über den Anfechtungsanspruch, sondern um ein Verfahren über den Duldungsbescheid, mit dem wiederum ein Anfechtungsanspruch geltend gemacht wird. Allerdings gilt die Vorschrift des § 17 Abs. 1 AnfG -jedenfalls entsprechend- auch für den Rechtsstreit über die Anfechtungsklage gegen einen Duldungsbescheid[4].
Der Insolvenzverwalter hat gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 AnfG wirksam die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens erklärt und ist damit anstelle des Finanzamtes in den Rechtsstreit eingetreten.
Eine wirksame Aufnahmeerklärung des Insolvenzverwalters ist vorliegend gegeben. Zweifel ergeben sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass das Finanzgericht den Beteiligten die Aufnahmeerklärung lediglich zur Kenntnisnahme zugesandt hat, ohne sie -wie von § 155 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 250 ZPO vorgegeben- förmlich zuzustellen (§ 53 Abs. 2 FGO). Denn da keiner der Beteiligten dieses Versäumnis gerügt hat, ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Beteiligten auf die Befolgung des § 250 ZPO gemäß § 295 Abs. 1 ZPO verzichtet haben[5].
In der Folge hat das Finanzgericht am 13.09.2022 zutreffend den Insolvenzverwalter im Wege des Beteiligtenwechsels als Duldungsschuldner (§ 57 Nr. 1 FGO) und die Duldungsschuldnerin, die Anfechtungsgegnerin, als Beklagte in das Gerichtsregister aufgenommen. Das Finanzamt ist zutreffend als Beteiligter ausgetragen worden.
Um die Anfechtungsansprüche zu verfolgen, kann der Insolvenzverwalter das Verfahren gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 AnfG aufnehmen. Nimmt er das Verfahren auf, so tritt er im Wege des Beteiligtenwechsels in die Position des Duldungsschuldners, der bisherige Anfechtungsgegner in die Position des Beklagten ein[6]. Der Klageantrag des Insolvenzverwalters richtet sich auf Herausgabe des betroffenen Gegenstandes an die Insolvenzmasse[7] beziehungsweise auf Wertersatz gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AnfG.
Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass das Finanzamt bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögendes Schuldners aufgrund seines Anfechtungsanspruchs eine Sicherheit in Form einer Sicherungshypothek auf einem im Alleineigentum der Duldungsschuldnerin (Anfechtungsgegnerin) stehenden Grundstück erlangt hat. Das Finanzgericht hat § 16 Abs. 2 AnfG rechtsfehlerhaft angewendet und dem Insolvenzverwalter zu Unrecht die Prozessführungsbefugnis versagt.
Gemäß § 16 Abs. 2 AnfG gilt § 130 InsO entsprechend, wenn ein Insolvenzgläubiger bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund seines Anfechtungsanspruchs Sicherung oder Befriedigung erlangt hat. Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, anfechtbar, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte.
§ 16 Abs. 2 AnfG führt dazu, dass der Insolvenzverwalter den Anfechtungsgläubiger, der vor Insolvenzeröffnung aufgrund seines Anfechtungsanspruchs Sicherung oder Befriedigung erlangt hat, nur unter den Voraussetzungen des § 130 InsO auf Rückgewähr des aus der Einzelanfechtung Erlangten zur Masse in Anspruch nehmen kann[8]. Andere Anfechtungsgründe sind nicht vorgesehen[9]; Boeker in HHSp, § 191 AO Rz 275; Haertlein in Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., AnfG § 16 Rz 10; Thole, Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht -NZI- 2017, 129)). Dabei handelt es sich um einen Anspruch, den der Insolvenzverwalter gegen den Anfechtungsgläubiger -hier das Finanzamt- geltend machen kann[10].
Findet diese Inanspruchnahme allerdings -wie im Streitfall- nicht statt, bedeutet dies, dass der auf das Anfechtungsgesetz gestützte, nicht nach § 130 InsO wirksam angefochtene Erwerb einer Sicherung des Anfechtungsgläubigers Bestand hat[11]. Daraus ergibt sich eine Privilegierung dieses Einzelgläubigers, die dem Normzweck des § 16 Abs. 2 AnfG entspricht[12].
Aus der auf § 130 InsO beschränkten Inanspruchnahme des Anfechtungsgläubigers ergeben sich zudem Rechtsfolgen im Verhältnis zum Anfechtungsgegner, der Duldungsschuldnerin.
Der BGH hat -für den Fall einer Befriedigung gemäß § 16 Abs. 2 AnfG- entschieden, dass der Anfechtungsgegner, welcher den anfechtbar erlangten Vorteil an einen Gläubiger des Schuldners ausgekehrt hat, nicht erneut in Anspruch genommen werden kann. Der Anfechtungsgläubiger kann dann, wenn die Voraussetzungen der besonderen Insolvenzanfechtung gemäß § 130 InsO nicht vorliegen, den aus dem Vermögen des Schuldners stammenden Vermögenswert endgültig behalten. Ein sachlicher Grund für eine zusätzliche Inanspruchnahme des Anfechtungsgegners liegt dann nicht mehr vor[13].
Allerdings hatte der Einzelgläubiger in dem vom BGH entschiedenen Fall eine Befriedigung erlangt, in der vorliegenden Konstellation hingegen lediglich eine Sicherheit. Der Anfechtungsgegner (hier die Duldungsschuldnerin) hat den anfechtbar erlangten Vorteil nicht an den Einzelgläubiger (das Finanzamt) ausgekehrt. Zu einer doppelten Inanspruchnahme des Anfechtungsgegners, von der sich der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung maßgeblich hat leiten lassen, kann es in dieser Konstellation nicht kommen. Denn während des laufenden Insolvenzverfahrens ist -wie dargelegt- der Einzelgläubigeranfechtungsanspruch aus § 11 AnfG erloschen[2]. Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens könnte der Anfechtungsgegner im Falle eines Obsiegens des Insolvenzverwalters und einer anschließenden Befriedigung desselben dies gemäß § 18 Abs. 1 AnfG dem Einzelgläubiger entgegenhalten.
Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass die Sicherungshypothek streng akzessorisch am Bestehen der gesicherten Forderung hängt[14]. Folglich kann aus ihr nicht vorgegangen werden, solange die Forderung nicht rechtsverbindlich festgestellt ist; der Einzelgläubiger kann keine Vollstreckung betreiben.
Ob § 16 Abs. 2 AnfG den Einzelgläubiger möglicherweise nur dann schützt, wenn er aus der Sicherheit vorgeht, und eine Unterbrechung des Verfahrens in diesem Fall nicht eintritt, ist im Streitfall damit nicht zu entscheiden.
Gleichermaßen kann für den Bundesfinanzhof im Ergebnis dahinstehen, ob § 16 Abs. 2 AnfG die vorliegende Konstellation überhaupt erfasst. Dies hat der Insolvenzverwalter vor dem Finanzgericht infrage gestellt, weil die Sicherungshypothek nicht zulasten des Insolvenzschuldners eingetragen wurde und er als Insolvenzverwalter daher keine Möglichkeit habe, gegen die Eintragung der Sicherungshypothek vorzugehen.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 3. Juli 2024 – VII B 23/23
- so aber Nds. FG, Beschluss vom 28.12.2022 – 15 K 202/19[↩]
- BFH, Beschluss vom 24.07.2019 – VII B 65/19, BFHE 265, 20, BStBl II 2020, 367, Rz 10[↩][↩]
- BFH, Beschlüsse vom 24.07.2019 – VII B 65/19, BFHE 265, 20, BStBl II 2020, 367, Rz 10; und vom 30.08.2010 – VII B 83/10, Rz 8; BFH, Urteile vom 18.09.2012 – VII R 14/11, BFHE 238, 505, BStBl II 2013, 128, Rz 18; und vom 29.03.1994 – VII R 120/92, BFHE 174, 295, BStBl II 1995, 225, unter 2.b der Gründe zu § 13 AnfG a.F.[↩]
- BFH, Beschluss vom 24.07.2019 – VII B 65/19, BFHE 265, 20, BStBl II 2020, 367, Rz 10; BFH, Urteil vom 18.09.2012 – VII R 14/11, BFHE 238, 505, BStBl II 2013, 128, Rz 18[↩]
- vgl. MünchKomm-ZPO/Stackmann, § 250 Rz 12[↩]
- BFH, Urteil vom 18.09.2012 – VII R 14/11, BFHE 238, 505, BStBl II 2013, 128, Rz 19 ff.; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 191 AO Rz 277[↩]
- BFH, Beschluss vom 24.07.2019 – VII B 65/19, BFHE 265, 20, BStBl II 2020, 367, Rz 11; BFH, Urteil vom 18.09.2012 – VII R 14/11, BFHE 238, 505, BStBl II 2013, 128, Rz 19 und 23; Boeker in HHSp, § 191 AO Rz 276, 277[↩]
- BFH, Beschluss vom 26.02.2014 – VII B 53/13, Rz 14[↩]
- MünchKomm-AnfG/Weinland, AnfG § 16 Rz 20 ((2. Aufl.2022[↩]
- vgl. Huber, AnfG, 12. Aufl., § 16 Rz 18[↩]
- BFH, Beschluss vom 26.02.2014 – VII B 53/13, Rz 14, unter Verweis auf BGH, Urteil vom 15.11.2012 – IX ZR 173/09, Rz 18[↩]
- MünchKomm-AnfG/Weinland, AnfG § 16 Rz 25 (2. Aufl.2022); Huber, AnfG, 12. Aufl., § 16 Rz 16; Thole, NZI 2017, 129[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2012 – IX ZR 173/09, Rz 19[↩]
- Grüneberg/Herrler, Bürgerliches Gesetzbuch, 83. Aufl., § 1184 Rz 1 ff.[↩]








