Abfindungen für den Verzicht auf eine behauptete Erbenstellung werden von § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG i.d.F. des StUmgBG erfasst, wenn der Verzicht nach dem 24.06.2017 erklärt wird. Sie gelten daher als vom Erblasser zugewendet.

Nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG i.d.F. des StUmgBG gilt als vom Erblasser zugewendet u.a., was als Abfindung dafür gewährt wird, dass eine Rechtsstellung, insbesondere eine Erbenstellung oder ein Recht oder ein Anspruch, die zu einem Erwerb nach § 3 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des StUmgBG führen würden, nicht mehr oder nur noch teilweise geltend gemacht werden.
Diese Regelung wurde als weitere Alternative durch Art. 4 Nr. 2 StUmgBG in § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG eingefügt, nachdem bis dahin lediglich Abfindungen für einen Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch oder für die Ausschlagung einer Erbschaft, eines Erbersatzanspruchs oder eines Vermächtnisses oder für die Zurückweisung eines Rechts aus einem Vertrag des Erblassers zugunsten Dritter auf den Todesfall oder anstelle eines anderen in § 3 Abs. 1 ErbStG genannten Erwerbs der Besteuerung unterlagen. Bis zur Neuregelung erfüllten Abfindungen an den sog. Erbprätendenten nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG[1].
§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG i.d.F. des StUmgBG ist am 24.06.2017 in Kraft getreten (vgl. Art. 11 StUmgBG). Nach der durch Art. 4 Nr. 8 StUmgBG angefügten Übergangsvorschrift in § 37 Abs. 14 ErbStG ist u.a. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG in der am 25.06.2017 geltenden Fassung auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 24.06.2017 entsteht. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f ErbStG i.d.F. des Art. 4 Nr. 3 StUmgBG, ebenfalls von § 37 Abs. 14 ErbStG erfasst, entsteht die Steuer in den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG mit dem Zeitpunkt des Verzichts, der Ausschlagung, der Zurückweisung oder der Erklärung über das Nichtgeltendmachen. Danach sind Abfindungen, die dafür gezahlt werden, dass eine behauptete Erbenstellung nicht mehr oder nur noch teilweise geltend gemacht wird, von § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG i.d.F. des StUmgBG erfasst, wenn der Verzicht auf die Erbenstellung nach dem 24.06.2017 erklärt wird.
Die gesetzliche Regelung ist eindeutig. Sie lässt keine andere Beurteilung zu. Mit der Neuregelung ist keine Rückwirkung verbunden. Daher stellt sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer solchen Regelung nicht. Der Zeitpunkt des Erbfalls, der zu dem Streit um die Erbenstellung geführt hat, ist für die Entstehung der Steuer ohne Bedeutung. Maßgeblich ist allein der Zeitpunkt der Verzichtserklärung oder der Erklärung darüber, dass die behauptete Erbenstellung nicht mehr geltend gemacht wird. Eine Regelungslücke ist nicht erkennbar. Bis zur Neuregelung unterlagen Abfindungen für den Verzicht einer behaupteten Erbenstellung nicht der Besteuerung, danach schon.
Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall ist der Vergleich erst im November 2017 geschlossen worden. Darin hat der (vermeintliche) Erbe gegen Abfindung auf Einwendungen gegen den Erbvertrag verzichtet. Zu diesem Zeitpunkt war die Neuregelung bereits anwendbar. Der verzichtende Erbe konnte im Zeitpunkt des Verzichts nicht mehr darauf vertrauen, dass die Abfindung nicht der Besteuerung unterliegen würde.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 1. Dezember 2021 – II B 34/21
- BFH, Urteil vom 04.05.2011 – II R 34/09, BFHE 233, 184, BStBl II 2011, 725[↩]