Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags – bei einer einzel- und einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte

Ist der Gewerbesteuermessbetrag zwischen einer einzelgemeindlichen Betriebsstätte und einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte (Rohrleitungsnetz) nach dem Regelmaßstab der Arbeitslöhne nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG zu zerlegen, steht der mehrgemeindlichen Betriebsstätte ohne dort beschäftigte Arbeitnehmer kein Zerlegungsanteil zu. 

Im Rahmen der durchzuführenden Zerlegung stellen sowohl der Geschäftsleitungs-/Verwaltungssitz als auch das Rohrleitungsnetz jeweils eine eigenständige Betriebsstätte, nicht eine einheitliche mehrgemeindliche Betriebsstätte dar. Der Steuermessbetrag ist daher in voller Höhe der einzelgemeindlichen Betriebsstätte zuzuteilen, weil als Zerlegungsmaßstab nur die Arbeitslöhne nach § 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 GewStG und nicht die in § 30 GewStG genannten Kriterien heranzuziehen sind . Eine vom Zerlegungsmaßstab des § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG abweichende Zerlegung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG infolge eines offenbar unbilligen Ergebnisses kommt nicht in Betracht. Schließlich scheidet vorliegend auch eine abweichende Zerlegung nach § 33 Abs. 2 GewStG aus.

Das Finanzamt hat zu Recht ein Zerlegungsverfahren durchgeführt, und zwar unabhängig von der Frage, ob die Geschäftsleitung/Verwaltung auf dem Gemeindegebiet der einzelgemeindlichen Betriebsstätte und das sich über die Gemeindegebiete der anderen Gemeinden erstreckende Rohrleitungsnetz eine einheitliche mehrgemeindliche Betriebsstätte oder zwei Betriebsstätten bilden. Denn entweder sind die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG oder die des § 28 Abs. 1 Satz 2 GewStG gegeben.

Was unter einer Betriebsstätte zu verstehen ist, ergibt sich -auch für gewerbesteuerrechtliche Zwecke- aus § 12 AO, weil das Gewerbesteuergesetz und insbesondere die §§ 28, 30 GewStG keine eigene Definition enthalten[1]. Eine mehrgemeindliche Betriebsstätte liegt nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen vor, wenn zwischen den Betriebsanlagen, Geschäftseinrichtungen oder Teilen von ihnen ein räumlicher sowie betrieblicher, das heißt organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Diese Merkmale müssen grundsätzlich kumulativ erfüllt sein[2]. Allerdings kann für bestimmte Unternehmen der räumliche Zusammenhang bei einer besonders engen wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Verbindung in den Hintergrund treten. Dies ist für Unternehmen der Elektrizitätsversorgung höchstrichterlich anerkannt[3]. Zu beachten bleibt, dass die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 30 GewStG[4] anstelle der Grundnorm des § 29 GewStG nicht zum Regelfall für die Durchführung der Zerlegung werden darf[5]. Vor diesem Hintergrund ist bei fehlender räumlicher Verbindung an das Vorliegen eines besonders engen betrieblichen Zusammenhangs zwischen den Betriebsanlagen beziehungsweise Geschäftseinrichtungen ein eher strenger Maßstab anzulegen. Die Feststellung, ob und gegebenenfalls welche einzelnen Betriebsteile aufgrund der genannten Kriterien ein einheitliches Ganzes darstellen, obliegt dem Finanzgericht[6].

Danach liegen im Streitfall zwei selbständige Betriebsstätten – Geschäftsleitung und Rohrleitungsnetz – im Sinne des § 12 AO vor.

Der inländische Teil des Rohrleitungsnetzes (Pipeline) stellt eine Betriebsstätte im Sinne des § 12 Satz 1 AO dar. Diese Anlage fällt zwar nicht bereits unter den Katalog der Regelbeispiele nach § 12 Satz 2 AO. Sie erfüllt aber die gemäß § 12 Satz 1 AO erforderlichen Voraussetzungen, wonach die Annahme einer Betriebsstätte eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraussetzt, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat[7].

Das Rohrleitungsnetz stellt eine feste Geschäftseinrichtung dar, und zwar auch dann, wenn die Rohrleitungen unterirdisch verlaufen. Der Begriff der Betriebsstätte erfordert keinen sichtbaren Bezug der Geschäftseinrichtung oder Anlage zur Erdoberfläche[8].

Das Rohrleitungsnetz ist auch von gewisser Dauer. Dies ergibt sich bereits aus der Art der Geschäftseinrichtung (Pipeline), die auf langfristigen Gebrauch für betriebliche Zwecke angelegt ist.

Die inländische Rohrleitung dient auch der Tätigkeit des Unternehmens der Klägerin.

Hierfür reicht schon die Durchleitung (Transport) aus[9]. Denn dieser Transport durch die Pipeline stellt ein dem Unternehmenszweck der Klägerin dienendes Tätigwerden dar. Das gilt selbst dann, wenn der inländische Teil der Pipeline ein für sich allein nicht funktionstüchtiger Teil einer Gesamtanlage ist, der maßgeblich durch im Ausland befindliche Einrichtungen gesteuert wird[10].

Im vorliegenden Streitfall kann auch dahinstehen, ob eine mehrgemeindliche Betriebsstätte nur zwischen solchen Anlagen bestehen kann, die zusätzlich die in § 28 Abs. 2 GewStG genannten Merkmale erfüllen. Danach wäre zum Beispiel eine mehrgemeindliche Betriebsstätte bei Anlagen, die der Weiterleitung fester, flüssiger oder gasförmiger Stoffe sowie elektrischer Energie dienen, nur zwischen solchen Gemeinden möglich, in denen diese Stoffe beziehungsweise die Energie abgegeben werden (§ 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewStG)[11]. Denn im Streitfall befanden sich auf dem Gemeindegebiet der Gemeinden 2. bis 5. oberirdische Absperrarmaturen, an denen (auch) Abgaben an Kunden erfolgten. Danach bildet das durch die unterirdischen Rohrleitungen verbundene Netz[12] jedenfalls eine mehrgemeindliche Betriebsstätte zwischen den Gemeinden des Rohrleitungsnetzes.

Aber auch dann, wenn man diejenigen Gemeinden, auf deren Gebiet sich nur AnAnlagen befinden, die der Weiterleitung (dem Transport) fester, flüssiger oder gasförmiger Stoffe sowie elektrischer Energie dienen, als Teil der mehrgemeindlichen Betriebsstätte beurteilen wollte, wären diese Gemeinden gleichwohl nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewStG nicht bei der Zerlegung zu berücksichtigen[13].

Der sinngemäße Einwand der Klägerin, wonach eine lediglich im Boden verlegte und mit Anschlüssen versehene Rohrleitung -ohne einen zusätzlichen Impuls (von außen)- für sich nicht der Tätigkeit eines Unternehmens dienen könne, greift nicht durch. Es ist schon unklar, ob hiermit gemeint ist, dass bei der Klägerin für den Transport des … kein Impuls erforderlich sei. Es wird auch nicht dargelegt, weshalb dieser Umstand rechtlich das Vorliegen einer Betriebsstätte im Sinne des § 12 Satz 1 AO ausschließen soll.

Unstreitig stellt -bei isolierter Betrachtung- der auf dem Gemeindegebiet der Sitzgemeinde befindliche Geschäftsleitungs-/Verwaltungssitz eine Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO dar. Da dies zwischen den Beteiligten nicht in Streit steht, sieht der Bundesfinanzhof insoweit von weiteren Ausführungen ab.

Diese beiden Betriebsstätten der Klägerin -der inländische Teil des Rohrleitungsnetzes und der Geschäftsleitungs-/Verwaltungssitz- stellen keine einheitliche mehrgemeindliche Betriebsstätte dar.

Die tatsächliche Würdigung des Finanzgericht Düsseldorf[14], wonach es jedenfalls an einem besonders engen betrieblichen, das heißt wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Zusammenhang zwischen den vorbezeichneten Betriebsstätten fehlt, ist möglich und lässt keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze erkennen; sie ist damit für den Bundesfinanzhof bindend[15]. Diese Würdigung bleibt für den Bundesfinanzhof bindend, weil das finanzgerichtliche Verfahren nicht an einem Verfahrensmangel leidet.

Nach den für den Bundesfinanzhof bindenden Feststellungen des Finanzgerichts Düsseldorf (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) sind der Geschäftsleitungs-/Verwaltungssitz und das Rohrleitungsnetz weder durch die Erdoberfläche noch durch ober- oder unterirdische betriebliche Anlagen räumlich miteinander verbunden.

Zudem durfte das Finanzgericht mangels eines besonders engen wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Zusammenhangs rechtsfehlerfrei dahinstehen lassen, ob die für bestimmte Unternehmen bejahte Möglichkeit eingreift, den räumlichen Zusammenhang in den Hintergrund treten zu lassen.

Nach den bindenden Feststellungen des Finanzgerichtes sind die am Geschäftsleitungs-/Verwaltungssitz der Klägerin beschäftigten Mitarbeiter zu rund 50 % ihrer Arbeitszeit für Drittunternehmen tätig geworden. Bereits hieraus durfte das Finanzgericht ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze schlussfolgern, dass ein besonders enger wirtschaftlicher, technischer und organisatorischer Zusammenhang gefehlt hat. So rechtfertigt der Umstand, dass die Mitarbeiter der Betriebsstätte auf dem Gemeindegebiet der Sitzgemeinde in quantitativer Hinsicht in einem erheblichen Umfang für Dritte tätig geworden sind, in vertretbarer Weise die vorbezeichnete Schlussfolgerung. Denn diese „Fremdtätigkeiten“ stehen in keinem Zusammenhang mit dem Betrieb, der Verwaltung und der Unterhaltung des Rohrleitungsnetzes der Klägerin. Bei dieser Sachlage ist es -entgegen der Auffassung der Klägerin- auch unerheblich, dass das Finanzgericht die von den Mitarbeitern für das Rohrleitungsnetz der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten nicht qualitativ gewürdigt hat. Selbst wenn diese Tätigkeiten für den Betrieb und die Unterhaltung des Rohrleitungsnetzes notwendig gewesen sein sollten, bleibt die vom Finanzgericht gezogene Schlussfolgerung -insbesondere unter Berücksichtigung des dem § 30 GewStG zugrundeliegenden engen Normverständnisses- vertretbar. Im Übrigen wird dieses Ergebnis -ohne dass es hierauf noch ankäme- dadurch gestützt, dass nach den Feststellungen des Finanzgerichtes die Überwachung und Steuerung der …-Pipeline sowie der Absperrarmaturen durch die Betriebszentrale im Ausland erfolgt ist. Danach wurden zentrale technische Aufgaben im Zusammenhang mit dem Betrieb des Rohrleitungsnetzes nicht am Geschäftsleitungs-/Verwaltungssitz ausgeübt.

Der Steuermessbetrag war nach § 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 GewStG insgesamt der Gemeinde des Verwaltungssitzes zuzuteilen.

Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG ist Zerlegungsmaßstab das Verhältnis, in dem die Summe der Arbeitslöhne, die an die bei allen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu den Arbeitslöhnen steht, die an die bei den Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind. Nach § 29 Abs. 2 GewStG sind bei der Zerlegung die Arbeitslöhne anzusetzen, die in den Betriebsstätten der beteiligten Gemeinden (§ 28 GewStG) während des Erhebungszeitraums (§ 14 GewStG) erzielt oder gezahlt worden sind. Danach steht der Gemeinde der gesamte Steuermessbetrag zu, auf deren Gemeindegebiet sich die einzige Betriebsstätte befunden hat, in der Arbeitslöhne gezahlt worden sind.

 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewStG führt -entgegen der Auffassung der Klägerin- zu keinem abweichenden Ergebnis. Dieser Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, dass Gemeinden, in denen der transportierte Stoff … abgegeben wird, stets ein Anteil am Steuermessbetrag zuzuteilen ist. Die Norm regelt keine Zerlegungsberechtigung, sondern einen Zerlegungsausschluss für Gemeinden, in denen sich lediglich Anlagen befinden, die der Weiterleitung der Stoffe dienen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ein Steuerpflichtiger, der neben der mehrgemeindlichen Betriebsstätte noch eine einzelgemeindliche Betriebsstätte in einer anderen Gemeinde unterhält, den Steuermessbetrag zunächst nach § 29 GewStG auf die einzel- und die mehrgemeindliche Betriebsstätte zerlegen muss. Greift der Regelzerlegungsmaßstab der Arbeitslöhne nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG ein, führt dies dazu, dass (mehrgemeindliche) Betriebsstätten ohne dort beschäftigte Arbeitnehmer keinen Zerlegungsanteil erhalten[16].

Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 14.12.2023[17]. In dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof ausgeführt, aus § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewStG lasse sich folgern, dass der Gesetzgeber bei der Zerlegung die Gemeinden berücksichtigt wissen wolle, in denen eine Abgabe (und keine bloße Weiterleitung) derartiger Stoffe erfolge. Diese Aussage bezieht sich aber nur auf die Zerlegung des Steuermessbetrags, der einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte zuzuteilen ist. Für diese Zerlegung kann die Abgabemenge ein nach § 30 GewStG heranzuziehendes geeignetes sachliches Zerlegungskriterium sein. Im Streitfall steht der mehrgemeindlichen Betriebsstätte hingegen kein Steuermessbetrag zu.

Eine vom Zerlegungsmaßstab des § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG abweichende Zerlegung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG kommt nicht in Betracht.

Nach dieser Vorschrift ist der Steuermessbetrag unter der Voraussetzung, dass die Zerlegung nach den §§ 28 bis 31 GewStG zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führt, nach einem Maßstab zu zerlegen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt.

Dies kommt nach ständiger Rechtsprechung nur dann in Betracht, wenn eine eindeutige Unbilligkeit von erheblichem Gewicht vorliegt. Eine solche liegt vor, wenn aufgrund der atypischen Umstände des Einzelfalls die sich aus dem groben Maßstab des § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG allgemein ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird[18]. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige in der Betriebsstätte, die nach Art und Umfang von erheblicher Bedeutung ist, auf Dauer und ausschließlich Leiharbeitnehmer (in wesentlicher Zahl) einsetzt, anstatt -wie sonst im Allgemeinen üblich- die eingesetzten Arbeitskräfte selbst zu beschäftigen, und dadurch der Gemeinde, in der diese Betriebsstätte unterhalten wird, das Gewerbesteueraufkommen aus dieser Betriebsstätte vollständig entgeht[19]. Eine Unbilligkeit im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG kommt auch dann in Betracht, wenn durch das Vorhandensein einer Betriebsstätte einer Gemeinde andere Lasten als Arbeitnehmerfolgekosten entstehen und diese finanziellen Lasten ins Gewicht fallen und atypisch sind[20]. Hingegen führt allein der Umstand, dass in bestimmten Betriebsstätten keine Arbeitslöhne angefallen sind und deshalb auf diese nur Zerlegungsanteile von 0 € entfallen, nicht zur offenbaren Unbilligkeit des von § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG vorgegebenen Aufteilungsmaßstabs[18].

Nach Anwendung dieser Maßstäbe ist im hier entschiedenen Streitfall keine Unbilligkeit im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG gegeben.

Nach den für den Bundesfinanzhof weiterhin bindenden tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichtes (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hatten im Streitfall die Rohrleitungsgemeinden infolge der auf ihren Gemeindegebieten befindlichen Betriebsstätte keine besonders gewichtigen und atypischen Lasten zu tragen. Das Finanzgericht durfte den Vortrag der Klägerin, wonach die Abgabestellen für die städtische Infrastruktur ein latentes Risiko darstellen, dahingehend würdigen, dass besonders gewichtige und atypische Lasten mangels Darlegung nicht vorhanden waren. Die von der Klägerin diesbezüglich erhobene Sachaufklärungsrüge greift nicht durch. Lediglich ergänzend weist der Bundesfinanzhof darauf hin, dass die Rohrleitungsgemeinden in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage besonders gewichtige und atypische -durch das Vorhandensein der Abgabestellen entstandene- Lasten für die betroffenen Gemeinden nicht näher bezeichnen konnten. Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren das Vorbringen hierzu weiter substantiiert hat, liegt im Übrigen neuer Tatsachenvortrag vor, der im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden kann.

Der Einwand, das vom Finanzgericht gefundene Ergebnis widerspreche der ständigen Rechtsprechung, wonach Zerlegungen nicht (ausschließlich) nach Arbeitslöhnen erfolgen, greift nicht durch. So lagen den von der Klägerin zur Bestätigung ihrer Auffassung zitierten BFH-Urteilen vom 16.11.1965 und vom 20.02.1974[21] bereits andere Sachverhalte zugrunde. Denn in diesen Verfahren war jeweils eine mehrgemeindliche Betriebsstätte gegeben, sodass die Zerlegung nach Maßgabe des § 30 GewStG zu erfolgen hatte. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 18.02.2021[22], weil in diesem Verfahren überhaupt keine Zerlegung durchzuführen war.

Ebenso ist der in § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG verwendete Begriff der Unbilligkeit mit Blick auf die verfassungsrechtlich garantierte kommunale Finanzhoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 3, Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG) nicht dahingehend (verfassungskonform) auszulegen, dass den Rohrleitungs-Gemeinden gleichwohl ein Anteil am Steuermessbetrag zuzuteilen ist. Denn es ist schon nicht erkennbar, dass die hier vorgenommene Auslegung des Begriffs der Unbilligkeit im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG in unverhältnismäßiger Weise in die kommunale Finanzhoheit der Rohrleitungs-Gemeinden eingreifen und damit zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen könnte.

Die kommunale Finanzhoheit nach Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG umfasst das Recht zu eigenverantwortlicher Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft. Zu ihr gehört unter anderem die Steuer- und Abgabenhoheit, die den Gemeinden erlaubt, ihre Einwohner aus eigenem Recht zu den aus der Aufgabenerfüllung resultierenden Lasten heranzuziehen. Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG, der den Gemeinden das Recht zusichert, die Hebesätze der Realsteuern -nach heutigem Normtext: der Grundsteuer und der Gewerbesteuer- im Rahmen der Gesetze festzusetzen, verstärkt bereichsbezogen den Inhalt der kommunalen Finanzautonomie[23]. Auch wenn noch nicht geklärt ist, ob eine angemessene Finanzausstattung oder jedenfalls eine finanzielle Mindestausstattung Teil der kommunalen Finanzhoheit ist[24], ist jedoch der effektive Gewährleistungsbereich kommunaler Selbstverwaltung im Allgemeinen und der Finanzhoheit im Besonderen in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt, wenn die Kommunen ihre eigenen Aufgaben nicht mehr wahrnehmen und mangels finanziellen Spielraums Prioritätsentscheidungen bezüglich der Aufgabenwahrnehmung nicht mehr treffen können[25].

Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte für derartige Einschränkungen. Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, dass die finanziellen Spielräume der Rohrleitungs-Gemeinden in derart unverhältnismäßiger Weise betroffen waren.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. Mai 2024 – IV R 21/21

  1. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 13.09.2000 – X R 174/96, BFHE 194, 222, BStBl II 2001, 734; BFH, Beschluss vom 18.02.2021 – III R 8/19, BFHE 272, 75, BStBl II 2021, 627[]
  2. vgl. zum Ganzen z.B. BFH, Urteil vom 16.12.2009 – I R 56/08, BFHE 228, 356, BStBl II 2010, 492, unter B.II. 2.a, m.w.N.[]
  3. BFH, Urteil vom 16.11.1965 – I B 249/62 U, BFHE 84, 108, BStBl III 1966, 40; für Unternehmen der Mineralölwirtschaft vgl. BFH, Urteile vom 12.10.1977 – I R 227/75, BFHE 124, 65, BStBl II 1978, 160, unter IV.A.01.; vom 26.02.1992 – I R 58/91, BFH/NV 1992, 766, unter II.; vom 16.12.2009 – I R 56/08, BFHE 228, 356, BStBl II 2010, 492, unter B.II. 2.c[]
  4. Zerlegung bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten[]
  5. BFH, Urteil vom 16.12.2009 – I R 56/08, BFHE 228, 356, BStBl II 2010, 492, unter B.II. 2.c[]
  6. z.B. BFH, Urteile vom 26.02.1992 – I R 58/91, BFH/NV 1992, 766, unter II.; vom 16.12.2009 – I R 56/08, BFHE 228, 356, BStBl II 2010, 492, unter B.II. 2.a[]
  7. z.B. BFH, Urteile vom 05.11.2014 – IV R 30/11, BFHE 248, 81, BStBl II 2015, 601, Rz 28, m.w.N.; vom 18.09.2019 – III R 3/19, Rz 30; BFH, Beschluss vom 18.02.2021 – III R 8/19, BFHE 272, 75, BStBl II 2021, 627, Rz 18[]
  8. BFH, Urteil vom 30.10.1996 – II R 12/92, BFHE 181, 356, BStBl II 1997, 12, unter II. 1.a bb[]
  9. z.B. BFH, Urteil vom 30.10.1996 – II R 12/92, BFHE 181, 356, BStBl II 1997, 12, unter II. 1.a dd; vgl. auch Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2017 – 14 K 2779/14 G, unter III. 2.a; Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 28 Rz 29[]
  10. BFH, Urteil vom 30.10.1996 – II R 12/92, BFHE 181, 356, BStBl II 1997, 12, unter II. 1.a aa und dd[]
  11. o BFH, Urteil vom 12.10.1977 – I R 226/75, BFHE 123, 500, BStBl II 1978, 111, unter 2., zur alten Rechtslage nach § 16 des Steueranpassungsgesetzes 1934[]
  12. vgl. dazu BFH, Urteil vom 12.10.1977 – I R 226/75, BFHE 123, 500, BStBl II 1978, 111, unter 2.b[]
  13. gleicher Ansicht Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2017 – 14 K 2779/14 G, unter III. 2.b; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl., § 28 Rz 6; anderer Ansicht Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 28 Rz 31; Leister in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl., § 28 Rz 50[]
  14. FG Düsseldorf, Urteil vom 19.06.2020 – 3 K 3280/17 G[]
  15. z.B. BFH, Urteil vom 26.07.2023 – IV R 22/20, BFHE 281, 32, BStBl II 2023, 1091, Rz 25[]
  16. vgl. Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 28 Rz 29[]
  17. BFH, Urteil vom 14.12.2023 – IV R 2/21, BStBl II 2024, 481, Rz 58 f.[]
  18. z.B. BFH, Urteil vom 25.11.2009 – I R 18/08, BFH/NV 2010, 941, unter II. 5.a, m.w.N.[][]
  19. BFH, Urteil vom 26.02.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 836, unter II. 2.[]
  20. BFH, Urteil vom 26.08.1987 – I R 376/83, BFHE 151, 452, BStBl II 1988, 201, unter II.B.01.[]
  21. BFH, Urteile vom 16.11.1965 – I B 249/62 U, BFHE 84, 108, BStBl III 1966, 40; und vom 20.02.1974 – I R 179/72, BFHE 112, 183, BStBl II 1974, 427[]
  22. BFH, Beschluss vom 18.02.2021 – III R 8/19, BFHE 272, 75, BStBl II 2021, 627[]
  23. BVerfG, Beschluss vom 27.01.2010 – 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04, BVerfGE 125, 141, Rz 67 f.[]
  24. BVerfG, Beschluss vom 07.07.2020 – 2 BvR 696/12, BVerfGE 155, 310, Rz 55[]
  25. BVerfG, Beschluss vom 07.07.2020 – 2 BvR 696/12, BVerfGE 155, 310, Rz 54[]