Die unentgeltliche Zurverfügungstellung von Plätzen in einer VIP-Loge an Geschäftspartner und Arbeitnehmer ist eine Sachzuwendung, die nach § 37b EStG pauschal besteuert werden kann. Gegenstand der Sachzuwendung ist die Überlassung des einzelnen Logenplatzes. Auf Leerplätze entfallende Aufwendungen sind deshalb nicht zu berücksichtigen. Die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die überlassenen Plätze können im Wege sachgerechter Schätzung ermittelt werden. Entsprechendes gilt für den auf die Zuwendung entfallenden Werbeanteil.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hat die klagende Markenherstellerin im Streitzeitraum (2012 bis 2014) in einer Mehrzweckhalle, in der Sportveranstaltungen sowie Konzerte und sonstige Veranstaltungen stattfinden, eine VIP-Loge mit zwölf Sitzplätzen. Der „Suite-Nutzungsvertrag“ über die VIP-Loge umfasste keine Bewirtungsleistungen. Werbe- und Sponsoring-Maßnahmen waren der Unternehmerin nur innerhalb der VIP-Loge gestattet. Das vereinbarte Werbepaket beinhaltete Logo- und Schriftzugdarstellungen im Suitenumlauf, auf einem Board sowie Einträge im Branchenbuch der Veranstaltungsstätte. Die VIP-Loge wurde bei Veranstaltungen dergestalt genutzt, dass Geschäftspartner der Unternehmerin zu dem entsprechenden Event eingeladen wurden. Ferner nahmen Mitarbeiter oder Mitglieder der Geschäftsleitung der Unternehmerin an den jeweiligen Veranstaltungen teil. Diesbezüglich hatte die Unternehmerin interne Anweisungen über das Verhalten als sogenannter Gastgeber erteilt. Der verantwortliche Mitarbeiter hatte danach unter anderem darauf zu achten, dass Flyer im Schrank auslagen, ausreichend T-Shirts der Unternehmerin vorhanden waren und das Video „X-Veranstaltungsstätte – Unternehmerin“ lief. Ferner führte der Mitarbeiter den Gästeempfang sowie die Essensbestellungen durch.
Für die VIP-Loge hatte die Unternehmerin Aufwendungen (ohne Bewirtungsaufwendungen) in Höhe von netto jeweils 130.000 € für die Jahre 2012 und 2013 sowie in Höhe von netto 126.666, 67 € für das Jahr 2014. Entsprechend des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 22.08.2005[1] zur ertragsteuerlichen Behandlung von Aufwendungen für VIP-Logen in Sportstätten (sogenannter VIP-Logenerlass)‚ das eine Aufteilung von 40 % Werbung, 30 % Bewirtung und 30 % Geschenke vorsieht, teilte die Unternehmerin den nicht vorhandenen Anteil für Bewirtung auf die Bereiche Werbung und Geschenke im Verhältnis 4 zu 3 auf und ermittelte auf diese Weise einen Anteil von 57 % (40 % + 17 %) für Werbung sowie von 43 % (30 % + 13 %) für Geschenke. Außerdem kürzte die Unternehmerin die gesamten Aufwendungen vorab um 8,33 % (einer von zwölf Plätzen), da sie der Auffassung war, dass der als Gastgeber teilnehmende Arbeitnehmer aus rein betrieblichen Gründen vor Ort gewesen sei. Die verbleibenden Beträge von 43 % behandelte die Unternehmerin als Zuwendungen/Geschenke und meldete hierfür pauschale Einkommensteuer nach § 37b EStG an. Nach einer bei der Unternehmerin durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass dieser Aufteilung nicht zuzustimmen sei. Unter Hinweis auf die BMF, Schreiben vom 22.08.2005[1] und vom 11.07.2006[2] sowie den Runderlass der Senatsverwaltung für Finanzen Berlin vom 20.05.2010[3] nahm das Finanzamt eine Aufteilung von 25 % für Werbung und 75 % für Geschenke an. Einen Abschlag für dienstverpflichtete Arbeitnehmer nahm es nicht vor. Die Differenz zu den von der Unternehmerin berechneten Beträgen machte das Finanzamt durch Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die Zeit von Januar 2012 bis Dezember 2014 geltend.
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg gab der hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage teilweise statt[4]. Die Zuwendungen gemäß § 37b EStG seien entgegen der Ansicht des Finanazamtes nicht mit 75 % der Gesamtaufwendungen der Unternehmerin für die VIP-Loge anzusetzen. Die auf die Zuwendungen entfallenden Aufwendungen seien vielmehr gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 Abs. 1 AO dergestalt zu schätzen, dass die Gesamtaufwendungen für die Loge ins Verhältnis zu der tatsächlichen Nutzung zu setzen und die Aufwandsteile abzuziehen seien, die nicht auf die Erbringung von Zuwendungen entfielen. Dafür seien sogenannte Platzwerte zu ermitteln, die sich aus der Multiplikation der Plätze in der VIP-Loge mit dem um 5 € erhöhten Kartenpreis der Preiskategorie PK 1 ergäben. Von den so ermittelten Beträgen seien zunächst die Platzwerte für nicht genutzte Plätze abzuziehen. Des Weiteren habe die Unternehmerin auch in Bezug auf die Platzwerte, die auf Mitarbeiter entfielen, die aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse teilgenommen hätten, keine Zuwendungen erbracht. Das Finanzgericht schätzte diesen Anteil auf den halben Platzwert je Veranstaltung, bei der Kunden zugegen gewesen seien. Da die Unternehmerin die VIP-Loge angemietet habe, um mehrere betriebliche Zwecke zu verfolgen, nämlich werbend auf ihre Kunden zuzugehen und zugleich entsprechende Zuwendungen an die Kunden zu erbringen, sei eine weitere Aufteilung der Platzwerte, soweit sie auf Kunden entfielen, erforderlich. Der darin enthaltene Werbeanteil sei dabei in Anlehnung an den VIP-Logenerlass des BMF mit 40 % zu bemessen.
Die gegen dieses finanzgerichtliche Urteil gerichtete Revision des Finanazamtes wies der Bundesfinanzhof als unbegründet zurück; das Finanzgericht Berlin-Brandenburg habe die mit dem angefochtenen Nachforderungsbescheid festgesetzten Nachforderungsbeträge über pauschale Einkommensteuer gemäß § 37b EStG ohne einen das Finanzamt beschwerenden Rechtsfehler herabgesetzt:
Nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG können Steuerpflichtige die Einkommensteuer (für Nicht-Arbeitnehmer) einheitlich für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten betrieblich veranlassten, nicht in Geld bestehenden Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden, mit einem Pauschsteuersatz von 30 % erheben. § 37b Abs. 1 EStG gilt gemäß § 37b Abs. 2 Satz 1 EStG auch für betrieblich veranlasste Zuwendungen an Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen, soweit die Zuwendungen nicht in Geld bestehen und zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden.
Die Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG erfasst nicht alle Zuwendungen schlechthin. § 37b EStG beschränkt sich vielmehr auf Zuwendungen, die bei den Zuwendungsempfängern zu einkommensteuerpflichtigen Einkünften führen. Denn § 37b EStG begründet keine weitere eigenständige Einkunftsart und keinen sonstigen originären (Einkommen-)Steuertatbestand, sondern stellt lediglich eine besondere pauschalierende Erhebungsform der Einkommensteuer zur Wahl[5].
Die Vorinstanz hat zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für die Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Bezug auf die (Sach-)Zuwendungen der Unternehmerin an ihre Geschäftspartner bei der unentgeltlichen Zurverfügungstellung der Plätze in der VIP-Loge zum Besuch der jeweiligen Veranstaltung in der X-Veranstaltungsstätte dem Grunde nach vorliegen. Dies gilt auch für die entsprechenden (Sach-)Zuwendungen der Unternehmerin an ihre Arbeitnehmer (§ 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG), soweit diese die Veranstaltungen nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Unternehmerin besuchten. Hiergegen haben die Beteiligten im Revisionsverfahren keine Einwände vorgetragen. Der Bundesfinanzhof sieht daher insoweit von weiteren Ausführungen ab.
Die Entscheidung des Finanzgerichts für die als sogenannte Gastgeber fungierenden Arbeitnehmer der Unternehmerin abweichend von den Lohnsteuer-Anmeldungen lediglich den hälftigen Aufwand für deren Platz in der VIP-Loge bei der Pauschalierung der Einkommensteuer wegen des ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesses der Unternehmerin an der Betreuung der Geschäftspartner von der Versteuerung auszunehmen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar spricht nach Aktenlage einiges dafür, diesen Aufwand in voller Höhe nicht dem Anwendungsbereich des § 37b EStG zu unterwerfen, da es insoweit an einer Zuwendung an die Arbeitnehmer fehlt. Dies kann der Bundesfinanzhof jedoch dahinstehen lassen, da die Unternehmerin gegen die Vorentscheidung keine Revision eingelegt hat. Aus dem Ansatz (lediglich) des hälftigen Aufwands ergibt sich jedenfalls kein Rechtsnachteil zu Lasten des revisionsführenden Finanzamt.
Ebenfalls zu Recht hat das Finanzgericht den Aufwand, der auf die von dem Suite-Nutzungsvertrag umfassten, aber nicht besuchten Veranstaltungen entfiel, sowie den Aufwand betreffend die Leerplätze der besuchten Veranstaltungen, nicht dem Anwendungsbereich des § 37b EStG unterworfen. Die Unternehmerin hat insoweit schon dem Grunde nach niemandem einen Vorteil zugewandt. Denn Gegenstand der Sachzuwendung an die Zuwendungsempfänger ist -wie oben ausgeführt- nicht der veranstaltungsbezogene Besuch der VIP-Loge als solcher, sondern die unentgeltliche Zurverfügungstellung des einzelnen Platzes in der VIP-Loge zum Besuch der jeweiligen Veranstaltung in der X-Veranstaltungsstätte.
Bemessungsgrundlage der pauschalen Einkommensteuer sind gemäß § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG die Aufwendungen des Steuerpflichtigen einschließlich Umsatzsteuer.
§ 37b Abs. 1 Satz 2 EStG enthält für die Bewertung der Zuwendungen nach § 37b Abs. 1 Satz 1 EStG eine eigenständige Bemessungsgrundlage. Diese verdrängt in ihrem Anwendungsbereich die Bewertung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. Sich hierdurch ergebende unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe und daraus folgende unterschiedliche Ergebnisse bei der Bewertung einer Sachzuwendung sind im Gesetz angelegt; und vom Rechtsanwender daher hinzunehmen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ist insoweit nicht zu besorgen. Denn die Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b EStG und die damit einhergehende, von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG abweichende Bewertung der Zuwendungen steht zur Wahl des Steuerpflichtigen. Der Steuerpflichtige hat es selbst in der Hand zu bestimmen, auf welcher Grundlage die Bewertung vorzunehmen ist[6].
In die Bemessungsgrundlage nach § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG sind alle der Zuwendung direkt zuzuordnenden Aufwendungen (Einzelkosten) einzubeziehen. Soweit die Aufwendungen Teil einer Gesamtleistung sind, ist der auf die jeweilige Zuwendung entfallende Anteil an diesen Aufwendungen anzusetzen, der gegebenenfalls im Wege der Schätzung zu ermitteln ist. Darüber hinaus besteht gemäß § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG keine Rechtsgrundlage dafür, bestimmte einzelne Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes bemisst sich die pauschale Einkommensteuer nach den „Aufwendungen des Steuerpflichtigen einschließlich Umsatzsteuer“. Einschränkungen oder Ausnahmen hiervon sieht das Gesetz nicht vor[7].
Nach diesen Maßstäben ist die vom Finanzgericht vorgenommene Bewertung der Sachzuwendungen, die die Unternehmerin gegenüber ihren Geschäftspartnern und den nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse teilnehmenden Arbeitnehmern im Streitzeitraum erbracht hat, von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
Die nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG maßgebliche und daher gemäß § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG zu bewertende (Sach-)Zuwendung ist -wie oben ausgeführt- sowohl in Bezug auf die Geschäftspartner der Unternehmerin als auch hinsichtlich der Arbeitnehmer die unentgeltliche Zurverfügungstellung des einzelnen Platzes zum Besuch der jeweiligen Veranstaltung in der X-Veranstaltungsstätte.
Das Finanzgericht hat die Aufwendungen der Unternehmerin, die auf die Plätze der Geschäftspartner und der Arbeitnehmer entfielen, dem Grunde nach zu Recht im Wege der Schätzung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 AO) angesetzt.
Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann; § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 AO gibt dem Finanzgericht eine eigene Schätzungsbefugnis.
Zwischen den Beteiligten steht zutreffend nicht in Streit, dass dem Finanzgericht im vorliegenden Fall dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis zustand. Die Unternehmerin wandte ihren Geschäftspartnern und Arbeitnehmern im Streitzeitraum Plätze zum Besuch von mehr als 300 ganz unterschiedlichen Veranstaltungen in der X-Veranstaltungsstätte unentgeltlich zu. Die vom Finanzgericht im Einzelnen festgestellten Veranstaltungen reichten von Sportveranstaltungen unterschiedlicher Sportarten über Konzerte, Musicals, …-Musikvorführungen, Kinoveranstaltungen bis hin zu Tier-Shows. An den Veranstaltungen nahmen nach den Feststellungen des Finanzgerichts knapp 3 000 Geschäftspartner und mehr als 1 000 Arbeitnehmer der Unternehmerin teil. Etwa 1 300 Plätze, über die die Unternehmerin in ihrer VIP-Loge verfügte, blieben leer.
Bei dieser Sachlage ließ sich im Streitfall -trotz der umfassenden Mitwirkung der Unternehmerin bei der Ermittlung der einzelnen Veranstaltungen, der Zahl der teilnehmenden Geschäftspartner und Arbeitnehmer sowie der einzelnen Veranstaltungspreise- nur schätzweise ermitteln, welcher Anteil der von der Unternehmerin insgesamt getragenen Aufwendungen einschließlich Umsatzsteuer auf die einzelnen, den Geschäftspartnern und den Arbeitnehmern zugewandten Sachbezüge (Plätze) entfiel.
Die Schätzung des Finanzgerichts ist auch der Höhe nach revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gehört zu den tatsächlichen Feststellungen, an die der Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsinstanz nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich gebunden ist. Die Bindung des Bundesfinanzhofs entfällt nur, wenn bei der Schätzung gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, allgemeine Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verstoßen wurde. Die Überprüfung einer Schätzung durch den Bundesfinanzhof ist auf Rechtsfehler beschränkt[8].
Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO sind bei der Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen, die für sie von Bedeutung sind. Die Schätzungsergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein[9]. Das Finanzamt und damit gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 AO auch das Finanzgericht sind in der Wahl der Schätzungsmethoden grundsätzlich frei. Es ist Sache der Tatsacheninstanz zu entscheiden, welcher Schätzungsmethode sie sich bedienen will, wenn diese geeignet ist, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen[10].
Allerdings ergibt sich aus § 5 AO in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Wahlfreiheit des Finanazamtes beziehungsweise des Finanzgerichts bei der Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Schätzungsmethoden nach den für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geltenden Grundsätzen eingeschränkt ist und dabei auch Verhältnismäßigkeitserwägungen zu beachten sind. Jede Schätzung hat zum Ziel, Besteuerungsgrundlagen mithilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ermitteln, wenn eine sichere Tatsachenfeststellung trotz des Bemühens um Aufklärung nicht möglich ist. Ermessensleitend ist deshalb das Ziel, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahekommen. Kommt eine bestimmte Schätzungsmethode diesem Ziel voraussichtlich näher als eine andere, ist die erstgenannte unter Ermessensgesichtspunkten vorzugswürdig[11].
Im Streitfall hat das Finanzgericht bei seiner Entscheidung alle rechtlichen Anforderungen, die an die Durchführung einer Schätzung zu stellen sind, erfüllt.
Die Vorinstanz hat zunächst -getrennt nach Jahren- anhand der für die jeweiligen Veranstaltungen in der Preiskategorie PK 1 zu zahlenden Ticketpreise die Summe der von ihm so bezeichneten Platzwerte für die in der VIP-Loge der Unternehmerin vorhandenen Plätze ermittelt. Dabei hat es den in der Preiskategorie PK 1 zu zahlenden Preis im Hinblick auf die mit der Nutzung der VIP-Loge verbundenen individuellen Betreuung (Einlass, Garderobe) und der Möglichkeit der Bewirtung am Platz um jeweils 5 € erhöht. Dies begegnet von Rechts wegen keinen Bedenken und wurde von den Beteiligten auch nicht beanstandet.
Die von der Unternehmerin getragenen Aufwendungen für die den Geschäftspartnern und den Arbeitnehmern unentgeltlich zugewandten Plätze hat die Vorinstanz ausgehend hiervon in der Weise ermittelt, dass sie die Aufwendungen prozentual nach den auf die teilnehmenden Geschäftspartner und Arbeitnehmer entfallenden Platzwerte aufgeteilt hat. Hierbei handelt es sich um eine schlüssige Aufteilungsmethode, die geeignet ist, ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen. Das Finanzgericht hat seine Schätzung auf die betriebsinternen Daten der Unternehmerin hinsichtlich der von ihr getragenen Aufwendungen gestützt und die individuellen Verhältnisse in Bezug auf die Veranstaltungen, die jeweiligen Ticketpreise sowie die Zahl der teilnehmenden Geschäftspartner und Arbeitnehmer zugrunde gelegt.
Die Vorinstanz hat weiter ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Aufwendungen der Unternehmerin für die VIP-Loge auch einen auf die Werbung entfallenden Anteil enthielten. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten dem Grunde nach ebenfalls kein Streit. So beinhaltete der Suite-Nutzungsvertrag, den die Vorinstanz festgestellt hat, in Nr. 6.1 und 6.2 Regelungen über die „Werbeleistungen für den Vertragspartner“ (die Unternehmerin). Bei diesen Werbeleistungen, die die Unternehmerin mit ihren Zahlungen für die VIP-Loge ebenfalls vergütet hat, handelte es sich jedoch nicht um (Sach-)Zuwendungen der Unternehmerin an ihre Geschäftspartner. Es ist daher geboten, die Aufwendungen der Unternehmerin für die Inanspruchnahme der Werbeleistungen aus der Bemessungsgrundlage des § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG auszuscheiden.
Aus dem Suite-Nutzungsvertrag ergibt sich allerdings nicht, welcher Anteil der Gesamtaufwendungen der Unternehmerin auf die Werbeleistungen entfiel. Die Vorinstanz war daher berechtigt und verpflichtet, den Anteil der auf die Werbung entfallenden Aufwendungen zu schätzen (§ 162 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO). Einer solchen Schätzung steht im Streitfall nicht entgegen, dass für die Aufteilung kein leichter und eindeutiger Aufteilungsmaßstab zu erkennen ist. Denn es geht vorliegend nicht um den Abzug von Betriebsausgaben (der Unternehmerin), sondern um die Bewertung der den Geschäftspartnern der Unternehmerin zugewandten Sachleistungen. Auf der Einnahmeseite ist eine Aufteilung -auch im Wege sachgerechter Schätzung- grundsätzlich zulässig[12].
Die Beteiligten haben hinsichtlich der Schätzung des Werbeanteils unterschiedliche Auffassungen vertreten. So hat die Unternehmerin in ihren Lohnsteuer-Anmeldungen einen Werbeanteil von 57 % angenommen, während das Finanzamt den Werbeanteil in dem angefochtenen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid auf 25 % geschätzt hat; beide allerdings ausgehend von den Gesamtaufwendungen der Unternehmerin für die VIP-Loge.
Das Finanzgericht hat in Anlehnung an das BMF-Schreiben vom 22.08.2005[13] zur ertragsteuerlichen Behandlung von Aufwendungen für VIP-Logen in Sportstätten, das insoweit auch bei der Pauschalierung von Sachzuwendungen nach § 37b EStG Anwendung finden soll[14], und nach Auffassung der Finanzverwaltung für ähnliche Sachverhalte (zum Beispiel kulturelle Veranstaltungen in einer Sportstätte) entsprechend angewendet werden kann[15], den Anteil der Werbeleistungen auf 40 % der Aufwendungen der Unternehmerin geschätzt, die es für die den Geschäftspartnern zur Verfügung gestellten Plätze angesetzt hat.
Insoweit ist das Finanzgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Werbeleistungen der Unternehmerin nur in Bezug auf die den Geschäftspartnern zur Verfügung gestellten Plätze von Bedeutung sind. Die Aufwendungen der Unternehmerin für die ihren Arbeitnehmern zur Verfügung gestellten Plätze hat die Vorinstanz zu Recht nicht um Werbeaufwand gekürzt. Denn gegenüber den Arbeitnehmern kamen Werbemaßnahmen der Unternehmerin im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Überlassung der Plätze von vornherein nicht in Betracht.
Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung, ob der Bundesfinanzhof der von der Finanzverwaltung selbst so bezeichneten Vereinfachungsregelung in dem BMF, Schreiben vom 22.08.2005[16] allgemein beitreten könnte. Es ist hier nur zu beurteilen, ob die vom Finanzgericht im vorliegenden Einzelfall vorgenommene griffweise Schätzung des Werbeanteils im Ergebnis rechtsfehlerfrei erfolgt ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist auch eine griffweise Schätzung nicht von vornherein unzulässig. Sie muss allerdings ebenfalls (noch) schlüssig, wirtschaftlich möglich, vernünftig und insoweit überprüfbar sein[17]. Dies ist vorliegend der Fall.
Gemäß Nr. 3.2 des Suite-Nutzungsvertrags wies die von der Unternehmerin angemietete VIP-Loge eine Größe von circa 50 qm auf und verfügte hiernach über mehr Platz und Ausstattung, als für die dort vorhandenen zwölf Sitzplätze erforderlich war. Die Unternehmerin war nach Nr. 6.1 des Suite-Nutzungsvertrags berechtigt, in der VIP-Loge Werbeflächen für ihre Eigenmarketing- und Werbezwecke zu nutzen. Auch durfte sie in der VIP-Loge für die Dauer der Nutzung während einer Veranstaltung Werbe- und Marketingmaßnahmen durchführen und entsprechende Materialien aufstellen. Nach Nr. 6.2 des Suite-Nutzungsvertrags beinhaltete das Werbepaket zusätzlich Logo- und Schriftzugdarstellung im Suitenumlauf, auf einem Suiteninhaber-Board sowie Einträge im Branchenbuch der X-Veranstaltungsstätte.
Bei dieser Sachlage erscheint es wahrscheinlich und wirklichkeitsnah, dass die Unternehmerin einen erheblichen Anteil der Aufwendungen, der auf die den Geschäftspartnern zur Verfügung gestellten Logenplätze entfiel, im Hinblick auf die dort vorhandenen Werbemöglichkeiten leistete. Der vom Finanzgericht insoweit angesetzte Werbeaufwand in Höhe von (netto) 33.081, 58 € für 2012, in Höhe von (netto) 27.521, 36 € für 2013 und in Höhe von (netto) 31.344, 99 € für 2014 ist hiernach wirtschaftlich möglich. Er stellt einen nachvollziehbaren und nicht unangemessenen Betrag für die Nutzung der VIP-Loge zu Werbezwecken dar.
Das Finanzamt weist in diesem Zusammenhang zwar zutreffend darauf hin, dass nach dem BMF-Schreiben vom 11.07.2006[18] die Vereinfachungsregelung zur Pauschalaufteilung von 40:30:30 nicht in Fällen angewendet werden soll, in denen im Gesamtbetrag der Aufwendungen -wie im Streitfall- nur die Leistungen für Werbung und Eintrittskarten enthalten sind. Dies ist allerdings schon deshalb zwingend geboten, weil eine Pauschalaufteilung auf drei Bestandteile bei einem Sachverhalt, bei dem die Aufteilung nur auf zwei Bestandteile (Werbung und Ticketpreis) in Betracht kommt, denklogisch ausgeschlossen ist. Stattdessen soll nach dem BMF-Schreiben vom 11.07.2006[18] in einem solchen Fall für den Werbeanteil und den Ticketanteil ein anderer angemessener Aufteilungsmaßstab im Sinne einer sachgerechten Schätzung gefunden werden.
Das Finanzamt trägt indes keine Umstände vor, aus denen sich ergibt, dass die vom Finanzgericht vorgenommene (schätzweise) Aufteilung der Aufwendungen der Unternehmerin in Werbung und Sachzuwendungen unangemessen und nicht sachgerecht sei. Einen Rechtsfehler des Finanzgerichts bei der Schätzung hat das Finanzamt damit nicht aufgezeigt. Der Vortrag des Finanazamtes in der Revisionsbegründung, seiner Ansicht nach sei der Werbeaufwand (nunmehr) aus der Differenz zwischen den vom Finanzgericht ermittelten Platzwerten und dem anteiligen Gesamtaufwand zu ermitteln, reicht insoweit jedenfalls nicht aus. Es kommt hinzu, dass nach der Schätzung der Vorinstanz der Anteil der Werbeaufwendungen der Unternehmerin an den gesamten Aufwendungen für die VIP-Loge 25,45 % für 2012, 21,17 % für 2013 und 24,75 % für 2014 betrug. Den Ansatz eines Anteils von 25 % für den Werbeaufwand der Unternehmerin hielt das Finanzamt erstinstanzlich selbst noch für sachgerecht.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. November 2023 – VI R 15/21
- BMF, Schreiben vom 22.08.2005, BStBl I 2005, 845[↩][↩]
- BMF, Schreiben vom 11.07.2006, BStBl I 2006, 447[↩]
- Senatsverwaltung für Finanzen Berlin, Runderlass vom 20.05.2010 – III B -S – 2144 – 2/2010 -1[↩]
- FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.06.2021 – 8 K 8232/18, EFG 2021, 1636[↩]
- ständige Rechtsprechung, s. BFH, Urteil vom 07.07.2020 – VI R 4/19, Rz 10, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 13.05.2020 – VI R 13/18, BFHE 269, 80, BStBl II 2021, 395, Rz 35[↩]
- BFH, Urteil vom 13.05.2020 – VI R 13/18, BFHE 269, 80, BStBl II 2021, 395, Rz 36 f.[↩]
- BFH, Urteile vom 18.10.1983 – VIII R 190/82, BFHE 139, 350, BStBl II 1984, 88; und vom 20.03.2017 – X R 11/16, BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992, Rz 51 f.[↩]
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 17.06.2020 – X R 26/18, Rz 23[↩]
- zum Ganzen BFH, Urteil vom 16.12.2021 – IV R 1/18, Rz 49, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 25.03.2015 – X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 60[↩]
- grundlegend BFH, Urteil vom 18.08.2005 – VI R 32/03, BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30[↩]
- BMF, Schreiben vom 22.08.2005, BStBl I 2005, 845, Rz 14[↩]
- s. BMF, Schreiben vom 19.05.2015, BStBl I 2015, 468, Rz 15[↩]
- s. BMF, Schreiben vom 11.07.2006, BStBl I 2006, 447, Nr. 5 i.V.m. BMF, Schreiben vom 19.05.2015, BStBl I 2015, 468, Rz 15[↩]
- BStBl I 2005, 845, Rz 14[↩]
- z.B. BFH, Urteile vom 15.04.2015 – VIII R 49/12, Rz 19; und vom 26.10.1994 – X R 114/92, BFH/NV 1995, 373[↩]
- BMF, Schreiben vom 11.07.2006, BStBl I 2006, 447, Nr. 3[↩][↩]
