Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts sind privat veranlasst und stellen keine (vorweggenommenen) Werbungskosten bei späteren Unterhaltseinkünften im Sinne des § 22 Nr. 1a EStG dar. Erst der mit Zustimmung des Empfängers gestellte Antrag des Gebers gemäß § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 EStG bewirkt eine Umqualifizierung der Unterhaltsleistungen zu Sonderausgaben beim Geber und steuerbaren Einkünften beim Empfänger und überführt sie rechtsgestaltend in den steuerrechtlich relevanten Bereich. Die Umqualifizierung markiert die zeitliche Grenze für das Vorliegen abzugsfähiger Erwerbsaufwendungen; zuvor verursachte Aufwendungen des Unterhaltsempfängers können keine Werbungskosten darstellen.

Prozesskosten zur Erlangung eines (höheren) nachehelichen Unterhalts sind mithin bei der Einkommensbesteuerung nicht als Werbungskosten abziehbar, auch wenn der Unterhaltsempfänger die Unterhaltszahlungen im Rahmen des sog. Realsplittings versteuern muss.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall wurde die Ehe der klagenden Ehefrau im Jahr 2014 geschieden und ihr früherer Ehemann verpflichtet, ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt in Höhe von 582,50 € monatlich zu zahlen. Das von der Ex-Ehefrau angestrengte Gerichtsverfahren endete vor dem Oberlandesgericht mit einem Vergleich, in welchem sich der frühere Ehemann zur Zahlung eines höheren nachehelichen Unterhalts von monatlich 900 € bereit erklärte. Die Verfahrenskosten wurden gegeneinander aufgehoben. Die Ex-Ehefrau entrichtete Gerichts- und Anwaltskosten im Jahre 2015. Das Finanzamt erfasste bei der Ex-Ehefrau die erhaltenen Unterhaltsleistungen als steuerpflichtige sonstige Einkünfte; die von ihr getragenen Anwalts- und Gerichtskosten ließ es nicht zum Abzug zu.
Das Finanzgericht Münster gab der dagegen gerichteten Klage mit der Begründung statt, dass die Ex-Ehefrau ohne diese Aufwendungen später keine Unterhaltseinkünfte hätte erzielen können, daher stellten sie einkommensteuerrechtlich vorweggenommene Werbungskosten dar[1].
Dem ist der Bundesfinanzhof entgegengetreten:
Unterhaltszahlungen seien dem Privatbereich zuzuordnen, entsprechend auch die zu ihrer Erlangung aufgewendeten Prozesskosten. Steuerrechtlich würden die Unterhaltszahlungen nur und erst dann relevant, wenn der Geber mit Zustimmung des Empfängers einen Antrag auf Sonderausgabenabzug stelle (sog. Realsplitting). Der Antrag überführe die privaten Unterhaltszahlungen rechtsgestaltend in den steuerrechtlich relevanten Bereich. Die Umqualifizierung zu Sonderausgaben beim Geber und -korrespondierend- steuerbaren Einkünften beim Empfänger markiere die zeitliche Grenze für das Vorliegen abzugsfähiger Erwerbsaufwendungen. Zuvor verursachte Aufwendungen des Unterhaltsempfängers -im Streitfall in Form von Prozesskosten zur Erlangung von Unterhalt- könnten keine Werbungskosten darstellen. Der Bundesfinanzhof hat dennoch über die Klage nicht abschließend entschieden, sondern die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Denn das Finanzgericht habe keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die streitbetroffenen Prozesskosten gegebenenfalls als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten.
Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abziehbar, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG).
Werbungskosten liegen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang (objektiver Zusammenhang) besteht. Dabei muss die Frage, ob der Steuerpflichtige Aufwendungen aus Anlass der Einkünfteerzielung erbringt, anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Die sogenannte Bedingungslehre begründet als logisch-naturwissenschaftliches Prinzip allerdings noch keinen Zurechnungszusammenhang. Sie allein ist deshalb zur Abgrenzung von beruflicher und privater Sphäre ungeeignet. Ein lediglich abstrakter Kausalzusammenhang (Ursache-Folge-Verhältnis im Sinne einer conditio sine qua non) rechtfertigt allein noch nicht die einkommensteuerliche Zuordnung von Aufwendungen zur Erwerbssphäre. Denn nach dem Einkommensteuergesetz sind Aufwendungen vielmehr nur dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzu wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments und zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Besteuerungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre[2].
Die Aufwendungen können schon zu einem Zeitpunkt anfallen, in dem mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung vorab entstandener Werbungskosten ist, dass ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird[3].
Auch Kosten der Rechtsverfolgung (Beratungs, Vertretungs- und Prozesskosten) können danach Werbungskosten sein, wenn der Gegenstand des Prozesses mit der Einkunftsart zusammenhängt, in deren Rahmen die Aufwendungen geltend gemacht werden[4]. Prozesskosten (Gerichtskosten, Rechtsanwaltsgebühren) teilen als Folgekosten die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren[5]. Der Zusammenhang mit der Einkunftsart richtet sich dabei nach objektiven Gesichtspunkten, nicht nach den Vorstellungen des Steuerpflichtigen[6].
Die Beurteilung, ob Aufwendungen durch die Einkünfteerzielung veranlasst sind, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung des Finanzgerichtes. Das Finanzgericht Münster hat anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen, welche Indizien hierfür ausreichend sind[7].
Auch bei den Einkünften aus § 22 Nr. 1a EStG können Werbungskosten entstehen, jedoch aus systemimmanenten Gründen nur in begrenztem Rahmen. Prozesskosten betreffend nachehelichen Unterhalt können grundsätzlich nicht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG als (vorweggenommene) Werbungskosten bei den Unterhaltseinkünften im Sinne des § 22 Nr. 1a EStG abgezogen werden. Im Ausgangspunkt fehlerfrei hat das Finanzgericht zwar erkannt, dass bei wertender Beurteilung das auslösende Moment für die Verausgabung der in Rede stehenden Prozesskosten durch die Ex-Ehefrau die Erhaltung sowie die Erlangung nachehelichen Unterhalts von ihrem geschiedenen Ehemann gewesen ist. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, sodass der Bundesfinanzhof von weiteren Ausführungen absieht. Das Finanzgericht hat allerdings der rechtsgestaltenden Bedeutung des (zustimmungsgebundenen) Antrags des Unterhaltsgebers auf Sonderausgabenabzug eine zu weitreichende Wirkung für die Vergangenheit beigemessen. Antrag und Zustimmung gemäß § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 EStG überführen die Unterhaltsleistungen in den steuerrechtlich relevanten Bereich und bestimmen den Zeitpunkt, an dem die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen des Unterhaltsempfängers als Werbungskosten beginnt.
Sonstige Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 1a EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind Einkünfte aus Leistungen und Zahlungen nach § 10 Abs. 1a EStG, soweit für diese die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug beim Leistungs- oder Zahlungsverpflichteten nach § 10 Abs. 1a EStG erfüllt sind. Nach § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 EStG sind Sonderausgaben unter anderem Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten bis zu 13.805 € im Kalenderjahr, wenn der Geber dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt.
Der Antrag des Gebers und die Zustimmung des Empfängers sind rechtsgestaltend. Sie überführen die -an sich privaten- Unterhaltsleistungen in den steuerrechtlich relevanten Bereich und ändern so ihren Rechtscharakter. Bei dem Geber werden die Unterhaltsleistungen in Sonderausgaben umqualifiziert, die gemäß § 2 Abs. 4, 5 EStG den Gesamtbetrag der Einkünfte und damit im Ergebnis auch sein zu versteuerndes Einkommen mindern. Bei dem Empfänger werden die sonst nicht steuerbaren Unterhaltsleistungen (erst) durch die in § 22 Nr. 1a EStG enthaltene Bezugnahme in steuerbare Einkünfte umqualifiziert[8].
Der Antrag hat eine Doppelfunktion: Er ist nicht nur Verfahrensvoraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen, sondern gleichzeitig materiell-rechtliche Voraussetzung für die Abzugsmöglichkeit dem Grunde nach. Die Steuerpflicht dieser Leistungen bei dem Empfänger hängt somit nicht davon ab, ob und inwieweit der Sonderausgabenabzug beim Geber tatsächlich zu einer Steuerminderung geführt hat. Bereits mit der Einreichung der Einkommensteuererklärung des Gebers samt Anlage U und Zustimmung des Empfängers tritt das Ereignis einer rechtsgestaltenden Umqualifizierung ein, welches zur Steuerbarkeit der Unterhaltsleistungen nach § 22 Nr. 1a EStG führt[9].
Vor diesem Hintergrund stellt der (zustimmungsgebundene) Antrag des Unterhaltsgebers auf Sonderausgabenabzug, der den Rechtscharakter der Unterhaltsleistungen ändert, auch die zeitliche Grenze dar, von der an abzugsfähige Erwerbsaufwendungen überhaupt entstehen können. Zuvor verursachte Aufwendungen des Unterhaltsempfängers können keine Werbungskosten begründen, da sie zu der Einkünfteebene noch nicht in einem objektiven Veranlassungszusammenhang stehen. Solange der Geber den Antrag nicht gestellt hat, ist der Lebenssachverhalt „Unterhalt“ privater Natur.
Der vom Finanzgericht und der Ex-Ehefrau sinngemäß geäußerten Ansicht, nur durch die Einbeziehung der Prozesskosten des Unterhaltsrechtsstreits würden die Unterhaltseinkünfte hinsichtlich des Umfangs des Werbungskostenabzugs den übrigen Einkunftsarten beziehungsweise Einkünftetatbeständen vollständig gleichgestellt, vermag der Bundesfinanzhof nicht zu folgen. Die Einkünfte aus Unterhaltsleistungen im Sinne des § 22 Nr. 1a EStG unterscheiden sich wegen der rechtsgestaltenden Wirkung des -auf einen bestimmten Zeitpunkt bezogenen- zustimmungsgebundenen Antrags des Unterhaltsgebers maßgebend von anderen Einkünften. Das betrifft gerade die Möglichkeit vorab entstehender/vergeblicher Werbungskosten. Letztere sind unzweifelhaft durch eine Einkunftsart veranlasst, indem sie allein im Hinblick auf die Einkünfteerzielung -beispielsweise mit dem Ziel der Begründung eines zukünftigen Arbeitsverhältnisses- getätigt werden. Demgegenüber betrifft im Streitfall die Prozessführung originär den Bereich der privaten Lebensführung der Ex-Ehefrau (Erlangung nachehelichen Unterhalts), sodass die Prozesskosten als Folgekosten diese einkommensteuerrechtliche Qualifikation teilen. Dieser private Veranlassungszusammenhang ist unabhängig von einer -gegebenenfalls- zeitlich nachfolgenden rechtsgestaltenden Antragstellung des Unterhaltsgebers, durch welche die Steuerbarkeit erstmals begründet wird. Aufgrund dieser -mit der Antragstellung verbundenen- zeitlichen Zäsur gibt es in Bezug auf die bereits privat verursachten Prozesskosten keinen weiteren Veranlassungszusammenhang (mit der Erwerbssphäre), der den privaten Veranlassungszusammenhang überlagern könnte. Aus den vorstehenden Erwägungen kann es -worauf das BMF zutreffend hinweist- zu keiner rückwirkenden Umqualifizierung der der privaten Lebensführung zugeordneten nicht abzugsfähigen Aufwendungen (§ 12 EStG) in vorweggenommene Werbungskosten kommen.
Das Vorbringen der Ex-Ehefrau, durch die seit dem Veranlagungszeitraum 2013 geübte steuerliche Praxis, dass die Unterhaltsleistungen des Ex-Ehemanns -seinerzeit als Trennungsunterhalt- mit ihrer Zustimmung im Wege des Realsplittings berücksichtigt worden seien, hätten die streitigen Prozesskosten die bereits begründete Einkünfteebene betroffen und der Erhaltung weiterer Unterhaltseinkünfte gedient, rechtfertigt keine andere Einschätzung. Sie macht damit sinngemäß geltend, bei der Prüfung des objektiven Veranlassungszusammenhangs zwischen den Prozessaufwendungen und den durch den Prozess angestrebten Unterhaltsleistungen müsse auch die steuerliche Behandlung der zwischen den Prozessparteien in der Vergangenheit geflossenen Unterhaltszahlungen berücksichtigt werden. Das ist unzutreffend. Auf die bisherige Praxis der Unterhaltsbeteiligten kommt es nicht an. Während die einmal erteilte Zustimmung des Unterhaltsempfängers nach § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 Satz 4, 5 EStG über mehrere Jahre hinweg fortgelten kann, kann der Antrag des Gebers nach § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG jeweils nur für ein Kalenderjahr gestellt und nicht zurückgenommen werden. Das bedeutet, dass der Geber unabhängig von der Behandlung der Sache in der Vergangenheit jedes Jahr neu über die Antragstellung entscheiden kann und ein Rückschluss von einer bisherigen tatsächlichen Übung nicht möglich ist. Es ist deshalb aus Rechtsgründen unerheblich, ob der Ex-Ehemann bereits in den Vorjahren solche Anträge gestellt hatte.
Für die Nichtabziehbarkeit der Prozesskosten sprechen vor allem auch systematische Gründe.
Bei allen einkommensteuerrechtlichen Tatbeständen, für die das Korrespondenzprinzip gilt, findet ein „Transfer von Einkünften“ statt, nicht aber ein Transfer von Einnahmen. Eine beim Geber im Inland als Sonderausgaben abziehbare Leistung wird beim Empfänger materiell-rechtlich korrespondierend der Besteuerung unterworfen. Ein solches Korrespondenzprinzip ist für den Spezialfall des Realsplittings durch § 22 Nr. 1a, § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 EStG ausdrücklich gesetzlich angeordnet worden[10]. Ebenso beruht auch das Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen auf dem Grundsatz der gegenständlich auf den Transfer von Einkünften beschränkten materiell-rechtlichen Korrespondenz[11].
Soweit die Ex-Ehefrau demgegenüber die Ansicht vertritt, in § 22 Nr. 1a EStG sei von Einkünften „aus Leistungen und Zahlungen nach § 10 Abs. 1a“ die Rede, so dass die in Bezug genommenen, in § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 EStG genannten „Unterhaltsleistungen“ nicht selbst wiederum „Einkünfte“ darstellen und daher nur als „Einnahmen“ verstanden werden könnten, verkennt sie den Hintergrund des hier maßgeblichen Übertragungsgedankens. Bei dem Transfer von Einkünften geht es systematisch um eine Verlagerung von Einkünften als Teil der Bemessungsgrundlage. Für die vorliegend relevante Frage der Besteuerung des Empfängers kommt es nicht darauf an, ob es folgerichtig ist, dass der Abzug beim Geber erst auf der Ebene der Sonderausgaben stattfindet[12]. Der Sache nach ist dieses Konzept durch den Großen Senat des Bundesfinanzhofs bestätigt worden. Dieser hat mit Beschluss vom 12.05.2003[13] entschieden, dass im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe vereinbarte abänderbare Versorgungsleistungen -bei einem vor dem 01.01.2008 abgeschlossenen Vermögensübergabevertrag- dann nicht als dauernde Last abziehbar sind, wenn sie nicht aus den erzielbaren laufenden „Nettoerträgen“ des übergebenen Vermögens gezahlt werden können, wobei der erzielbare Nettoertrag nicht notwendigerweise mit den steuerlichen Einkünften identisch ist. Ebenso wie der Große Senat des Bundesfinanzhofs von „Nettoerträgen“ ausgeht, erbringt bei dem vorliegend in Rede stehenden Realsplitting der Unterhaltsverpflichtete die Unterhaltsleistungen aus eigenen Einkünften, die ihrerseits schon durch Werbungskosten oder Betriebsausgaben des Unterhaltsverpflichteten selbst gemindert sind. Insoweit geht eine Nettogröße auf den Unterhaltsempfänger über. Der Transfer eines steuerlich zusammengefassten Ergebnisses rechtfertigt es, über die durch den zustimmungsgebundenen Antrag auf Sonderausgabenabzug markierte zeitliche Zäsur die Möglichkeit vorweggenommener Werbungskosten einzuschränken.
Die Ex-Ehefrau meint ferner, auch bei den Einnahmen aus Unterhaltsleistungen müsse es einen Raum für die Geltendmachung von Kosten der Rechtsverfolgung als Werbungskosten geben. Hätte der Gesetzgeber einen Werbungskostenabzug aus systematischen Gründen generell ausschließen wollen, wäre die Gewährung eines Werbungskosten-Pauschbetrags von 102 € in § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG als systemwidrig anzusehen. Bei der engen Auslegung durch den Bundesfinanzhof bleibe unklar, weshalb ein Werbungskosten-Pauschbetrag überhaupt und in dieser Höhe gewährt werde.
Dem vermag der Bundesfinanzhof nicht zu folgen. Die vorbezeichnete Auslegung führt lediglich zu einer Modifizierung der allgemeinen Grundsätze, nicht aber zu einem vollständigen Ausschluss des Werbungskostenabzugs. Darüber hinaus werden mit dem Pauschbetrag gemäß § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG nicht allein mit Unterhaltseinkünften zusammenhängende Werbungskosten abgegolten. Vielmehr wird der Pauschbetrag „von den Einnahmen im Sinne des § 22 Nummer 1, 1a und 5“ EStG abgezogen, also für mehrere Arten sonstiger Einkünfte gewährt. Der Werbungskosten-Pauschbetrag soll insbesondere solche Kleinbetrags-Aufwendungen abgelten, deren Höhe und insbesondere deren konkrete Veranlassung durch den steuerpflichtigen Unterhaltsbezug im Einzelfall nur schwer nachgewiesen werden könnte (zum Beispiel Porto, Telefon, Internet- und Fahrtkosten); dazu kann beispielsweise bei Beauftragung eines Steuerberaters die Gebühr für die Berechnung der steuerpflichtigen Einkünfte gehören[14]. Selbst bei einem engen Verständnis des Werbungskostenbegriffs bleibt der Pauschbetrag daher auch in Bezug auf die Unterhaltseinkünfte im Sinne von § 22 Nr. 1a EStG relevant.
Darüber hinaus entspräche die steuerliche Berücksichtigung von Prozesskosten zur Erhaltung und Erlangung nachehelichen Unterhalts als Werbungskosten nicht dem Normzweck des „begrenzten Realsplittings“.
Durch den rechtsgestaltenden Antrag des Gebers gemäß § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 EStG werden die Unterhaltsleistungen bei ihm in Sonderausgaben und bei dem Empfänger in steuerbare Einkünfte umqualifiziert. Der Geber ist grundsätzlich zivilrechtlich verpflichtet, dem Empfänger die aus der Versteuerung der Unterhaltsleistungen entstehenden steuerlichen Belastungen zu ersetzen, um so den Nettounterhalt zu gewährleisten. Da der Geber meist über höhere (steuerpflichtige) Einkünfte verfügt, ist der Betrag, um den der Sonderausgabenabzug seine Einkommensteuer mindert, regelmäßig höher als die Steuer, die er dem Empfänger ersetzen muss. Die Verteilung der Besteuerungsgrundlage auf zwei Steuerpflichtige mildert bei einer Gesamtbetrachtung regelmäßig die Auswirkungen des steigenden Grenzsteuersatzes nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 5 EStG. Wirtschaftlich betrachtet wird das Ehegattensplitting nach § 32a Abs. 5 EStG, das die Unterhaltsbeteiligten bis zum Kalenderjahr der Trennung in Anspruch nehmen konnten, in begrenztem Umfang fortgesetzt („begrenztes Realsplitting“), da auch durch die Vorschriften des § 10 Abs. 1 Nr. 1 und § 22 Nr. 1a EStG (a.F.) ein Splittingeffekt erreicht wird. Diese Vorschriften gestatten es geschiedenen Ehegatten, bei Unterhaltsleistungen ein zwischen ihnen bestehendes Progressionsgefälle auszunutzen und damit -insgesamt gesehen- eine niedrigere Steuerbelastung zu erreichen[15].
Sollen danach mit der lediglich punktuellen steuerrechtlichen Begünstigung der Unterhaltsleistungen allein die steuerrechtlichen Vorteile der Ehe, die sich aus der Unterhaltsgemeinschaft ergeben (Ehegattensplitting), in begrenzter Höhe aufrechterhalten werden, ist festzustellen, dass Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts als mit der Auflösung der Ehe im Zusammenhang stehende Kosten von diesem Begünstigungszweck nicht erfasst sind. Deren Anerkennung als Werbungskosten hätte vielmehr eine im Gesetz nicht angelegte Besserstellung gegenüber zusammenveranlagten Eheleuten zur Folge, die die Kosten eines Rechtsstreits um die eheliche Unterhaltspflicht nicht abziehen können.
Die vom Bundesfinanzhof vorgenommene Auslegung vermeidet zudem eine weitere Komplizierung des Steuerrechts. Andernfalls würde unter Umständen eine aufwendige Aufteilung der Prozesskosten nach ihrer Abziehbarkeit erforderlich. Die Kosten des Unterhaltsrechtsstreits müssten von den übrigen (nicht abziehbaren) Scheidungskosten abgegrenzt sowie der nicht abziehbare Kostenanteil im Falle eines die Höchstbeträge nach § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 EStG übersteigenden Unterhaltsbegehrens ermittelt werden. Es kann dahinstehen, ob, wie die Ex-Ehefrau in der mündlichen Verhandlung hiergegen eingewandt hat, hinsichtlich der Anwaltskosten eine solche Aufteilung ohne größeren Aufwand erfolgen könne. Die in Rede stehenden Prozesskosten betreffen nicht nur die sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bemessenden Vergütungen für anwaltliche Tätigkeiten, sondern auch die für die Verfahren vor den Gerichten nach dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen festzusetzenden Kosten. Jedenfalls bezüglich der Gerichtskosten wäre eine deutliche Verkomplizierung zu besorgen.
Nach diesen Maßstäben hat das Finanzgericht zu Unrecht die streitbetroffenen Prozesskosten der Ex-Ehefrau zur Erhaltung und Erlangung nachehelichen Unterhalts gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG als (vorweggenommene) Werbungskosten bei ihren Unterhaltseinkünften im Sinne des § 22 Nr. 1a EStG qualifiziert. Im Zeitpunkt der Entstehung der Prozesskosten hatte die Umqualifizierung der Unterhaltsleistungen noch nicht stattgefunden. Das Finanzgericht hat nicht festgestellt, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Prozesskosten entstanden waren, der Ex-Ehemann bereits einen Antrag nach § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 EStG gestellt hätte. Im Übrigen fehlt es für die finanzgerichtliche Wertung, der Rechtsstreit habe nicht nur dazu gedient, Unterhaltsleistungen zu erhalten, sondern gerade dem Ziel gedient, zukünftig steuerbare Einkünfte in Form von Unterhaltsleistungen zu erhalten, schon an entsprechenden tatsächlichen Feststellungen. Das Finanzgericht hat in dem angegriffenen Urteil keinerlei Umstände für seine Annahme angeführt.
Die Sache ist nicht spruchreif. Das Finanzgericht hat -auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG)- offengelassen, ob die streitbetroffenen Prozesskosten der Ex-Ehefrau gegebenenfalls als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG berücksichtigt werden könnten, und dementsprechend keine ausreichenden Feststellungen insbesondere dazu getroffen, ob die Voraussetzungen der Ausnahme vom Abzugsverbot betreffend Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG vorliegen. Zur Nachholung der notwendigen Feststellungen ging die Sache daher an das Finanzgericht zurück.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. Oktober 2023 – X R 7/20
- FG Münster, Urteil vom 03.12.2019 – 1 K 494/18 E, EFG 2020, 185[↩]
- vgl. zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit: BFH, Urteil vom 06.05.2010 – VI R 25/09, BFHE 229, 297, BStBl II 2010, 851, Rz 9, m.w.N.[↩]
- vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 04.07.1990 – GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, unter C.III.2 a; BFH, Urteil vom 11.01.2005 – IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477, unter II. 1.a[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 06.05.2010 – VI R 25/09, BFHE 229, 297, BStBl II 2010, 851, Rz 10[↩]
- s. BFH, Urteile vom 01.12.1987 – IX R 134/83, BFHE 152, 237, BStBl II 1988, 431, unter 1.; vom 10.12.2019 – IX R 19/19, BFHE 267, 246, BStBl II 2020, 452, Rz 21[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 09.02.2012 – VI R 23/10, BFHE 237, 43, BStBl II 2012, 829, Rz 11[↩]
- vgl., wiederum für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, BFH, Urteil vom 14.04.2016 – VI R 61/13, BFH/NV 2016, 1268, Rz 9[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 09.12.2009 – X R 49/07, BFH/NV 2010, 1790, unter II. 1.b; und vom 28.07.2021 – X R 15/19, BFHE 274, 388, BStBl II 2023, 31, Rz 18 f., jeweils zu § 22 Nr. 1a, § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG in der bis Veranlagungszeitraum 2014 geltenden Fassung[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 28.07.2021 – X R 15/19, BFHE 274, 388, BStBl II 2023, 31, Rz 18 f., zu § 22 Nr. 1a, § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG in der bis Veranlagungszeitraum 2014 geltenden Fassung[↩]
- BFH, Urteil vom 09.12.2009 – X R 49/07, BFH/NV 2010, 1790, unter II. 2.b bb[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 31.03.2004 – X R 18/03, BFHE 206, 68, BStBl II 2004, 1047, unter II. 2.c bb; vom 18.09.2003 – X R 152/97, BFHE 203, 337, BStBl II 2007, 749, unter B.II. 2.b; vom 26.07.1995 – X R 113/93, BFHE 179, 34, BStBl II 1996, 157, unter 1.[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 31.03.2004 – X R 18/03, BFHE 206, 68, BStBl II 2004, 1047, unter II. 2.c bb; und vom 09.12.2009 – X R 49/07, BFH/NV 2010, 1790, unter II. 2.b bb[↩]
- BFH, Beschluss vom 12.05.2003 – GrS 1/00, BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, unter C.II.[↩]
- vgl. zu den Alterseinkünften BFH, Urteil vom 19.05.2021 – X R 33/19, BFHE 273, 266, Rz 64[↩]
- vgl. dazu auch BFH, Urteil vom 09.12.2009 – X R 49/07, BFH/NV 2010, 1790, unter II. 1.b aa ff.[↩]




