Unterbrechung der Zahlungsverjährung – durch eine BZSt-Online-Anfrage

Die für eine Verjährungsunterbrechung nach § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AO erforderliche Außenwirkung liegt auch dann vor, wenn die Finanzbehörde durch eine BZSt-Online-Anfrage direkt auf die IdNr.-Datenbank zugreift.

Unterbrechung der Zahlungsverjährung – durch eine BZSt-Online-Anfrage

Die fünfjährige Zahlungsverjährung (§ 228 Satz 2 AO) wird durch die in § 231 Abs. 1 Satz 1 AO abschließend aufgezählten Maßnahmen unterbrochen. Hierzu gehören u.a. Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen (§ 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AO). Liegen die Voraussetzungen einer Verjährungsunterbrechung vor, beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung geendet hat, eine neue fünfjährige Verjährungsfrist (§ 231 Abs. 3 AO).

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs setzt die Verjährungsunterbrechung eine nach außen wirkende Maßnahme gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO voraus; rein innerdienstliche Maßnahmen reichen nicht aus. Allerdings ist die verjährungsunterbrechende Wirkung einer Wohnsitzanfrage nicht davon abhängig, dass der Zahlungspflichtige von dieser Maßnahme erfährt. Maßgebend ist allein, dass das Finanzamt den Entschluss fasst, seinen Zahlungsanspruch durchzusetzen, und dies über den rein innerdienstlichen Bereich hinaus nach außen sichtbar wird[1].

Bei einer Verjährungsunterbrechung durch Ermittlungen zum Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen muss hinzukommen, dass das Finanzamt einen besonderen Anlass hatte, zur Realisierung des Zahlungsanspruchs entsprechende Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten. Ein solcher Anlass besteht nur, wenn dem Finanzamt der Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen unbekannt ist. Eine rein schematische Anfrage kann die Verjährung nicht unterbrechen[2].

Ferner muss die Maßnahme auf die Realisierung eines konkreten Anspruchs, dessen Verjährung unterbrochen werden soll, gerichtet sein[3].

Zuständigkeitsmängel hindern die Unterbrechungswirkung der Ermittlungsmaßnahmen nicht. Die Unterbrechungshandlung nach § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AO stellt einen Realakt dar[4]. Ob die Finanzbehörde, welche die Maßnahme durchgeführt hat, örtlich zuständig war, hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Maßnahme in Bezug auf die Verjährungsunterbrechung[5]. Denn es ist gerade bei unbekanntem Wohnsitz oder Aufenthalt nicht möglich, das zuständige Finanzamt vorab zu ermitteln. Dass eine Finanzbehörde hier nicht willkürlich tätig wird und nicht irgendeine beliebige Finanzbehörde die Verjährung unterbrechen kann, wird durch das weitere, o.g. Tatbestandsmerkmal erreicht, dass die Maßnahme auf die Realisierung eines konkreten Anspruchs, dessen Verjährung unterbrochen werden soll, gerichtet sein muss.

Der Bundesfinanzhof hält an dieser Rechtsprechung fest. Folglich wurde im Streitfall die Verjährung durch die BZSt-Online-Anfrage vom 01.12.2015 unterbrochen.

Die erforderliche Außenwirkung war durch die konkrete Online-Anfrage in der IdNr.-Datenbank des BZSt gegeben. Diese Datenbank wird vom BZSt geführt und grundsätzlich von den Meldebehörden gespeist (vgl. § 139b AO; vgl. auch die Hinweise für Meldebehörden zur Nutzung der Meldedaten in diversen steuerlichen Verfahren, Unterpunkt „Aufbau der Datenbank“, abzurufen unter www.bzst.de). Das Finanzamt kann darauf zwar im Wege eines automatisierten Abrufverfahrens zugreifen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Finanzamt mit der BZSt-Online-Datenanfrage eine andere Behörde kontaktiert. Bei dem zur Bundesfinanzverwaltung gehörenden BZSt (Bundesoberbehörde gemäß § 1 Nr. 2 FVG) handelt es sich um eine vom einzelnen Finanzamt (Landesfinanzbehörde gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 FVG) verschiedene Behörde, auch wenn jeweils Finanzbehörden i.S. von § 6 Abs. 2 AO vorliegen. Ein Grund, eine Online-Auskunft beim Einwohnermeldeamt, die der Bundesfinanzhof als Ermittlungshandlung mit Außenwirkung ansieht, anders zu behandeln als eine Online-Anfrage in der IdNr.-Datenbank des BZSt (§ 139b Abs. 3 AO), ist nicht ersichtlich. Denn da in der BZSt-Datenbank weitgehend nur die Meldedaten der Meldebehörden gespiegelt werden, macht es für die Unterbrechung der Zahlungsverjährung keinen Unterschied, ob die für die Vollstreckung zuständige Finanzbehörde Informationen über die Anschrift des Schuldners bei einer Meldebehörde oder dem BZSt erhebt. Beide Stellen sind aus verwaltungsorganisatorischer Sicht Dritte, womit die für die Unterbrechung der Verjährung erforderliche Außenwirkung gegeben ist[6]. Der Zweck, durch das Erfordernis der Außenwirkung Rechtssicherheit zu schaffen, rechtfertigt in solch einem Fall keine weitere Einschränkung der verjährungsunterbrechenden Maßnahmen.

Bei der BZSt-Online-Anfrage handelte es sich auch nicht um eine rein schematische Wohnsitzanfrage zur Verjährungsunterbrechung. Denn der Wohnsitz des Steuerschuldners war dem Finanzamt zum Zeitpunkt der BZSt-Online-Anfrage unbekannt.

Die Tatsache, dass andere Behörden oder auch Mitarbeiter desselben Finanzamt, aber einer anderen Abteilung, Kenntnis einer Postanschrift hatten, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn einerseits handelte es sich bei den W bekannten Anschriften nicht um die Wohnsitz- oder Aufenthaltsadresse, sondern um Büro- bzw. Kontaktanschriften, so dass auch W -anders als von § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AO verlangt- keine Kenntnis des Wohnsitzes oder Aufenthaltsorts des Steuerschuldners hatte. Andererseits ist das Wissen eines anderen Sachbearbeiters, der organisatorisch einer anderen Einheit des Finanzamtes zuzurechnen ist -entsprechend der Rechtsprechung zu § 173 AO[7]-, nicht dem konkret zuständigen Sachbearbeiter zuzurechnen.

Auch die Tatsache, dass die richtige Anschrift des Steuerschuldners in der Datenbank des BZSt gespeichert war, führt nicht zu einer Kenntnis der den Fall bearbeitenden Dienststelle. Zwar sind dieser auch sämtliche Informationen, die dem Bearbeiter von vorgesetzten Dienststellen über ein elektronisches Informationssystem zur Verfügung gestellt werden, bekannt, ohne dass es insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt[8]. Beim BZSt handelt es sich aber, wie dargelegt, nicht um eine dem Finanzamt vorgesetzte Stelle; das Finanzamt ist in die Organisationsstruktur des Landes eingegliedert, das BZSt in die des Bundes.

Somit waren dem Finanzamt im Zeitpunkt der Online-Datenanfrage beim BZSt sowohl der Wohnsitz als auch der Aufenthalt des Steuerschuldners unbekannt. Im elektronischen Informationssystem der Finanzverwaltung war zum Zeitpunkt der BZSt-Online-Anfrage die richtige Adresse des Steuerschuldners nicht vermerkt und abrufbar. Aus Sicht der Sachbearbeiterin F gab es aufgrund der zahlreichen Postretouren mit dem Vermerk „unbekannt“ hinreichenden Anlass für die Online-Datenanfrage beim BZSt. Es handelte sich mithin um die ernst gemeinte Ermittlung eines unbekannten Wohnsitzes.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21. Dezember 2021 – VII R 21/19

  1. BFH, Beschluss vom 17.09.2014 – VII R 8/13, BFH/NV 2015, 4, Rz 10, m.w.N.[]
  2. BFH, Beschluss in BFH/NV 2015, 4, Rz 10, m.w.N.[]
  3. BFH, Urteil vom 24.11.1992 – VII R 63/92, BFHE 169, 493, BStBl II 1993, 220[]
  4. vgl. zur Zahlungsaufforderung bereits BFH, Urteil vom 28.11.2006 – VII R 3/06, BFHE 216, 4, BStBl II 2009, 575; vgl. ferner Heuermann in HHSp, § 231 AO Rz 5; Loose in Tipke/Kruse, § 231 AO Rz 4[]
  5. vgl. BFH, Beschluss vom 13.08.1981 – IV R 72/77, BFHE 134, 6, BStBl II 1981, 787; anderer Auffassung Heuermann in HHSp, § 231 AO Rz 7[]
  6. vgl. Baum in eKommentar, § 231 AO Rz 28.1, Aktualisierung vom 29.12.2020[]
  7. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 26.05.2020 – IX R 30/19, BFH/NV 2020, 1233, Rz 18 f.[]
  8. BFH, Urteil vom 18.08.2015 – VII R 24/13, BFHE 250, 499, BStBl II 2016, 255, Rz 15, m.w.N., und BFH, Urteil in BFH/NV 2020, 1233, Rz 18[]