Die Einsichtnahme in Steuerakten nach Durchführung des Besteuerungsverfahrens ist ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige hiermit steuerverfahrensfremde Zwecke verfolgen will, wie zum Beispiel die Prüfung eines Schadenersatzanspruchs gegen seinen Steuerberater. Hiervon unberührt bleibt ein Auskunftsanspruch über die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Maßgabe der Datenschutz-Grundverordnung.
Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Antrag auf Einsicht in eine Steuerakte außerhalb eines finanzgerichtlichen Verfahrens besteht nicht, wenn der Steuerpflichtige für den betroffenen Besteuerungszeitraum bereits bestandskräftig veranlagt wurde und die Einsichtnahme der Verfolgung steuerverfahrensfremder Zwecke dienen soll (hier: Prüfung eines Schadenersatzanspruchs gegen den ehemaligen Steuerberater).
Der Anspruch auf Auskunftserteilung über die Verarbeitung von personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wird nicht nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO i.V.m. § 32c Abs. 1 Nr. 1, § 32b Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ausgeschlossen, wenn hierdurch auch Daten berührt werden, die dem (ehemaligen) Steuerberater der betroffenen Person zuzuordnen sind, allerdings aus einer Erklärung stammen, die der Steuerberater als deren Vertreter im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 1 AO übermittelt hat.
Gesetzliche Aufbewahrungsvorschriften für Steuerakten der Finanzverwaltung bestehen nicht, sodass ein Auskunftsrecht über darin enthaltene personenbezogene Daten nicht nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO i.V.m. § 32c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a AO ausgeschlossen ist.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatte das Finanzamt gegen die Kläger Einkommensteuer für 2015 festgesetzt. Später beantragten diese, Einsicht in ihre Einkommensteuerakte zu erhalten. Sie wollten überprüfen, ob ihr Steuerberater ordnungsgemäße Angaben zu den steuerlichen Verhältnissen gemacht hatte. Dies lehnte das Finanzamt ebenso ab, wie den späteren Antrag, Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO durch Einsichtnahme in die Steuerakte zu erteilen. Das Niedersächsische Finanzgericht trat dem entgegen und verpflichtete das Finanzamt, Akteneinsicht zu gewähren und den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch zu erfüllen[1]
Der Bundesfinanzhof hob die von der Vorinstanz ausgesprochene Verpflichtung des Finanzamtes zur Gewährung von Akteneinsicht auf und wies die Klage insoweit ab. Die Kläger hätten die Einsichtnahme erst nach Durchführung der Einkommensteuerveranlagung beantragt, sodass der einer Akteneinsicht innewohnende Anspruch auf rechtliches Gehör vor Erlass einer Verwaltungsentscheidung nicht berührt werde. Das Finanzamt sei auch nicht verpflichtet, die Kläger bei deren Prüfung, ob ein Schadenersatzanspruch gegen den Steuerberater bestehe, durch eine nachträgliche Akteneinsicht zu unterstützen. Die Kläger verfolgten insofern außerhalb des Besteuerungsverfahrens liegende Zwecke.
Das Finanzamt sei aber verpflichtet, den Klägern gemäß Art. 15 DSGVO Auskunft darüber zu erteilen, welche sie betreffenden personenbezogenen Daten verarbeitet worden seien. Gesetzliche Ausschlussgründe lägen nicht vor; insbesondere sei kein zu Gunsten des Steuerberaters eingreifendes Steuergeheimnis zu beachten. Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch sei allerdings nicht einem Akteneinsichtsrecht gleichzusetzen. Der Kopienübermittlungsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO beziehe sich grundsätzlich nur auf die personenbezogenen Daten selbst und nicht auf Dokumente. Anderes gelte ausnahmsweise dann, wenn der Steuerpflichtige darlege, dass die Übersendung von Dokumentenkopien unerlässlich sei, um wirksam datenschutzrechtliche Ansprüche zu verfolgen.
Die Abgabenordnung enthält -anders als zum Beispiel § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes- keine Regelung, nach der ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht. Ein solches Einsichtsrecht ist weder aus § 91 Abs. 1 AO noch aus § 364 AO abzuleiten. Allerdings steht dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Finanzbehörde zu, weil diese nicht gehindert ist, in Einzelfällen Akteneinsicht zu gewähren[2]. Grundlage dieses Anspruchs ist das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art.20 Abs. 3 GG i.V.m. dem Prozessgrundrecht gemäß Art.19 Abs. 4 GG[3].
Das Finanzgericht hat bereits rechtsfehlerhaft angenommen, dass den Klägern ein nach den vorgenannten Rechtsgrundsätzen abzuleitender Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zusteht. Die Kläger haben Akteneinsicht nicht während des Veranlagungsverfahrens zur Einkommensteuer des Jahres 2015, sondern erst in dessen Nachgang, das heißt, nach Eintritt der Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung beantragt. Der einer Akteneinsicht innewohnende Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs wird in diesem -nachgelagerten- Stadium grundsätzlich nicht mehr berührt[4]. Hieran ändert nichts, dass der Einkommensteuerbescheid für 2015 mit einem maschinell gesetzten Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 AO versehen war und unter den Voraussetzungen des § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO die Pflicht besteht, unrichtige oder unvollständige Steuererklärungen bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist zu berichtigen. Nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass Anlass für die beantragte Akteneinsicht ein solches Verwaltungsverfahren sein soll, haben die Kläger nicht dargelegt.
Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch ergibt sich zudem nicht aus den -auch im öffentlichen Recht anwendbaren- Grundsätzen aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). Der Bundesfinanzhof hat bereits entschieden, dass insoweit eine rechtliche Sonderverbindung zwischen der Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen bestehen muss, in deren Rahmen der Steuerpflichtige zur Wahrung seiner Rechte gegenüber der Behörde auf die Auskunft (die Akteneinsicht) angewiesen ist[5]. Hieran fehlt es im Streitfall ersichtlich. Die Kläger können vom Finanzamt keine Treuepflicht einfordern, sie bei der Verfolgung steuerverfahrensfremder Zwecke -vorliegend der Prüfung von Schadenersatzansprüchen gegen einen Steuerberater- zu unterstützen[6]. Insofern fehlt ein innerer Zusammenhang mit einem Verwaltungsverfahren.
Auf die von der Vorinstanz bejahte Frage, ob das Ermessen des Finanzamtes, Akteneinsicht zu gewähren, auf null reduziert war (hierzu BFH, Urteil vom 23.09.2009 – XI R 56/07, BFH/NV 2010, 12, unter II. 1.), kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an. Der Bundesfinanzhof weist nur vorsorglich darauf hin, dass der hierfür vom Finanzgericht maßgeblich ins Feld geführte rechtliche Aspekt nicht greift. Das Finanzgericht hat die Ansicht vertreten, dass dem Steuerpflichtigen ein „grundsätzliches Recht auf Akteneinsicht“ zusteht und dies damit begründet, dass sich ein solches neben rechtsstaatlichen und prozessgrundrechtlichen Erwägungen (Art.20 Abs. 3, Art.19 Abs. 4 GG) inzwischen ausdrücklich aus dem in Art. 41 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EUGrdRCh) verankerten Recht auf Gehör ergebe. Das Finanzgericht hat hierbei übersehen, dass Adressat jenes Grundrechts nur Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (EU) sind (Art. 41 Abs. 1 EUGrdRCh), nicht aber Behörden der Landesfinanzverwaltung in den EU-Mitgliedstaaten[7].
Die Sache ist insoweit spruchreif. Es fehlt an einer Rechtsgrundlage, die dem Kläger den geltend gemachten Anspruch vermittelt, Einsicht in die Einkommensteuerakte für den Veranlagungszeitraum 2015 zu nehmen.
Frei von Rechtsfehlern hat das Finanzgericht den Klägern dem Grunde nach ein Auskunftsrecht gemäß Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO zuerkannt. Der sachliche Anwendungsbereich dieser Norm, die nach Art. 288 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat gilt, ist eröffnet. Ausschlussgründe für einen Auskunftsanspruch liegen nicht vor. Dass der Auskunftsanspruch der Kläger durch Einsichtnahme in die Einkommensteuerakte für den Veranlagungszeitraum 2015 zu erfüllen ist, hat die Vorinstanz nicht entschieden und ist nicht Gegenstand der vorliegenden Revision.
Nach Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 1 DSGVO hat die betroffene Person (hier die Kläger) das Recht, von dem Verantwortlichen -dem Finanzamt (Art. 4 Nr. 7 DSGVO)- eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Ist dies der Fall, bestimmt Halbsatz 2 der Vorschrift, dass die Person Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf die in Buchst. a bis h genannten Informationen hat.
Dass das Finanzamt im Zuge der Einkommensteuerveranlagung für 2015 die Kläger betreffende personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DSGVO verarbeitet hat (Art. 4 Nr. 2 DSGVO), bedarf keiner weitergehenden Erörterung[8].
Der Bundesfinanzhof hat bereits entschieden, dass der Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO nicht auf den Bereich der harmonisierten Steuern beschränkt ist[9]. Der Einwand des Finanzamtes, es bestünden keine datenschutzrechtlichen Auskunftsrechte in Bezug auf eine ausschließlich die Einkommensteuer betreffende Akte, ist daher unbegründet.
Ebenso wenig steht der Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung entgegen, dass die personenbezogenen Daten der Kläger in einer Akte enthalten sind, die vom Finanzamt noch in Papierform geführt wurde oder wird. Auch insoweit nimmt der Bundesfinanzhof zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf seine hierzu ergangene jüngste Rechtsprechung[10].
Schließlich steht dem Auskunftsrecht im Sinne von Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht entgegen, dass die Kläger mit ihrem auf diese Norm gestützten Begehren ersichtlich keine datenschutzrelevanten Gründe verfolgen. Nach der Rechtsprechung des EuGH muss die betroffene Person ihren Antrag nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht begründen, was zugleich bedeutet, dass er auch nicht zurückgewiesen werden kann, wenn mit ihm ein anderer Zweck verfolgt wird als der, von der Verarbeitung Kenntnis zu nehmen und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen[11].
Das Auskunftsrecht der Kläger ist nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften ausgeschlossen. Dies ergibt sich nicht aus Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO i.V.m. § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO, § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO sowie § 32c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a DSGVO.
23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO bestimmt, dass unter anderem durch Rechtsvorschriften der EU-Mitgliedstaaten Pflichten und Rechte gemäß Art. 12 bis 22 DSGVO beschränkt werden können, sofern eine solche Beschränkung den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achtet und entweder den Schutz der betroffenen Person oder die Rechte und Freiheiten anderer Personen sicherstellt. In Ausübung dieser Beschränkungsmöglichkeit hat der nationale Gesetzgeber in § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO bereichsspezifisch für die Steuerverwaltung geregelt, dass ein Auskunftsrecht gegenüber einer Finanzbehörde gemäß Art. 15 DSGVO nicht besteht, soweit die betroffene Person -vorliegend die Kläger- nach § 32a Abs. 1 AO oder nach § 32b Abs. 1 oder Abs. 2 AO nicht zu informieren ist.
Die Voraussetzungen der insoweit einzig in Betracht zu ziehenden Einschränkung nach § 32c Abs. 1 Nr. 1, § 32b Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO liegen nicht vor. Hiernach besteht keine Informationspflicht und folglich dessen kein Auskunftsrecht, wenn unter anderem die Daten nach § 30 AO geheim gehalten werden müssen und deswegen das Interesse der betroffenen Person an der Informationserteilung (am Auskunftsrecht) zurücktreten muss.
Das Steuergeheimnis wird im Streitfall -wie vom Finanzgericht zutreffend angeführt- nicht berührt. Zu schützen sind nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO die personenbezogenen Daten „eines anderen“, das heißt fremde personenbezogene Daten[12]. Die eigenen Daten des Steuerpflichtigen sind konsequenterweise ihm gegenüber nicht durch § 30 AO geschützt. Hierüber ist ihm Auskunft zu erteilen, sofern die Daten nicht zugleich die personenbezogenen Daten eines Dritten sind. Zwar können auch die Daten eines steuerlichen Beraters dem Geheimnisschutz des § 30 AO unterliegen[13]. Dies gilt zur Überzeugung des Bundesfinanzhofs aber nicht für Daten, die ein Bevollmächtigter im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 1 AO für den Steuerpflichtigen an die Finanzbehörde übermittelt hat[14]. Es handelt sich um eigene Daten des betroffenen Steuerpflichtigen, was sich bereits daraus ergibt, dass die durch einen Bevollmächtigten vorgenommenen Verfahrenshandlungen für und gegen den Beteiligten, in dessen Namen sie vorgenommen werden, wirken[15]. Dies gilt unbeschadet dessen, ob die Bevollmächtigung noch besteht.
Aus den vorgenannten Erwägungen könnte das Finanzamt die Erfüllung des Auskunftsanspruchs auch nicht nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO mit dem Einwand verweigern, es würden die Rechte anderer Personen beeinträchtigt.
Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen des § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO vor. Die von den Klägern erwogenen zivilrechtlichen Ansprüche (Schadenersatz) richten sich nicht gegen den Rechtsträger der Finanzbehörde, sondern gegen den damaligen Steuerberater.
Schließlich wird das Auskunftsrecht der Kläger nicht nach § 32c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a AO ausgeschlossen.
Hiernach besteht kein Auskunftsrecht gemäß Art. 15 DSGVO, soweit die personenbezogenen Daten nur deshalb gespeichert sind, weil sie aufgrund gesetzlicher Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht werden dürfen und die Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde sowie eine Verarbeitung zu anderen Zwecken durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ausgeschlossen ist.
Bereits die Grundvoraussetzung dieses § 34 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesdatenschutzgesetzes nachgebildeten, hinsichtlich seines sachlichen Anwendungsbereichs in der Gesetzesbegründung aber nicht näher beleuchteten Ausschlusstatbestands[16] liegt nicht vor. Es fehlt an einer gesetzlichen Aufbewahrungspflicht für Steuerakten. Aufbewahrungspflichten sind nur zulasten des Steuerpflichtigen normiert, vornehmlich in § 147 AO. Deren Pflichten sind nicht auf die Finanzbehörde übertragbar und verpflichten diese deshalb -trotz dementsprechender praktischer Handhabung- nicht, die dazugehörigen Steuerakten bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist aufzubewahren. Untergesetzlich -auf ministerieller Ebene- geregelte Pflichten für die Finanzverwaltung zur Aufbewahrung von Steuerakten sind nach dem klaren Wortlaut der Norm nicht tatbestandlich. Aus diesem Grund besteht im steuerlichen Schrifttum zu Recht Einvernehmen, dass § 32c Abs. 1 Nr. 3 AO nach derzeitiger Rechtslage leerläuft[17].
Ob die Auskunftserteilung, wie von § 32c Abs. 1 Nr. 3 AO zusätzlich vorausgesetzt, einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, bedarf somit keiner Entscheidung.
Aus den vorgenannten Gründen hat das Finanzgericht zu Recht erkannt, dass das Finanzamt den von den Klägern geltend gemachten Anspruch auf Auskunft über die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten nach Art. 15 DSGVO „zu erfüllen“ hat.
Dass dieser Anspruch -wie die Kläger begehren- durch Einsichtnahme in die Einkommensteuerakte für den Veranlagungszeitraum 2015 zu erfüllen ist, hat das Finanzgericht ausweislich des Tenors und dessen Begründung allerdings nicht entschieden (sondern vielmehr offengelassen). Diese Frage ist auch nicht Gegenstand der vorliegenden Revision, da nur das Finanzamt die vorinstanzliche Entscheidung angefochten und hierbei das Bestehen eines Auskunftsanspruchs dem Grunde nach in Abrede gestellt hat.
Der Bundesfinanzhof weist rein vorsorglich auf Folgendes hin:
Nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO stellt der Verantwortliche der betroffenen Person eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Durch die Rechtsprechung des EuGH ist inzwischen geklärt, dass Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO dem Betroffenen kein anderes Recht als das in Abs. 1 der Vorschrift vorgesehene gewährt. Der Begriff „Kopie“ bezieht sich nicht auf ein Dokument als solches, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält und die vollständig sein müssen. Die Kopie muss daher alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind[18].
Nur wenn die Zurverfügungstellung einer Kopie unerlässlich ist, um der betroffenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte zu ermöglichen (vgl. insoweit Art. 16, 17, 18, 21, 79 ff. DSGVO), besteht nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO Anspruch darauf, eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken zu erhalten[19]. Hierfür besteht keine generelle Vermutung. Vielmehr obliegt es der betroffenen Person darzulegen, dass die Kopie der personenbezogenen Daten sowie die Mitteilung der Informationen nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO nicht für die Wahrnehmung der ihr durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte genügt. Begehrt die betroffene Person die Zurverfügungstellung von Kopien von Dokumenten mit ihren personenbezogenen Daten, ist es vielmehr an ihr, zu benennen, welche ihr durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte sie auszuüben gedenkt und ebenso darzulegen, aus welchen Gründen die Zurverfügungstellung von Kopien von Akten mit personenbezogenen Daten hierfür unerlässlich ist[20].
Die vorgenannten Rechtsgrundsätze haben die Kläger zu bedenken, wenn sie an ihrem Begehren festhalten, dass das Finanzamt ihren Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO -ausnahmsweise- in Gestalt einer Akteneinsicht beziehungsweise durch Zurverfügungstellung von Kopien aus der Einkommensteuerakte des Veranlagungszeitraums 2015 zu erfüllen habe.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 7. Mai 2024 – IX R 21/22
- Nds. FG, Urteil vom 18.03.2022 – 7 K 11127/18[↩]
- BFH, Entscheidungen vom 23.02.2010 – VII R 19/09, BFHE 228, 139, BStBl II 2010, 729, Rz 11; und vom 05.12.2016 – VI B 37/16, Rz 3[↩]
- BFH, Urteil vom 19.03.2013 – II R 17/11, BFHE 240, 497, BStBl II 2013, 639, Rz 11[↩]
- vgl. hierzu BFH, Urteil vom 23.02.2010 – VII R 19/09, BFHE 228, 139, BStBl II 2010, 729, Rz 12 sowie BeckOK AO/Kobor, 28. Ed. [15.04.2024], AO § 91 Rz 30; s.a. Hessisches FG, Urteil vom 16.03.1990 – 1 K 4538/89, Entscheidungen der Finanzgerichte 1990, 503[↩]
- BFH, Urteil vom 23.02.2010 – VII R 19/09, BFHE 228, 139, BStBl II 2010, 729, Rz 13 ff., 18[↩]
- in diesem Sinne auch Roser in Gosch, AO § 91 Rz 30; BeckOK AO/Kobor, 28. Ed. [15.04.2024], AO § 91 Rz 30[↩]
- vgl. hierzu EuGH, Urteil „HUNGEOD u.a.“ vom 26.03.2020 – C-496/18 und – C-497/18, EU:C:2020:240, Rz 63, m.w.N.[↩]
- vgl. hierzu BFH, Urteile vom 05.09.2023 – IX R 32/21, BFHE 281, 6, BStBl II 2024, 159, Rz 18 sowie vom 12.03.2024 – IX R 35/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 13[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 12.03.2024 – IX R 35/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 21[↩]
- BFH, Urteil vom 12.03.2024 – IX R 35/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 17[↩]
- EuGH, Urteil „FT (Copies du dossier médical)“ vom 26.10.2023 – C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 38, 43[↩]
- statt vieler Drüen in Tipke/Kruse, § 30 AO Rz 11[↩]
- Drüen in Tipke/Kruse, § 30 AO Rz 14[↩]
- vgl. Koenig/Pätz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 30 Rz 47 unter Hinweis auf die vorliegend angefochtene Entscheidung[↩]
- vgl. Mues in Gosch, AO § 80 Rz 26[↩]
- vgl. BT-Drs. 18/12611, S. 88[↩]
- Klein/Maetz, AO, 17. Aufl., § 32c Rz 9; Koenig/Pätz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 32c Rz 9; BeckOK AO/Rosenke, 28. Ed. [15.04.2024], AO § 32c Rz 75; Drüen in Tipke/Kruse, § 32c AO Rz 17; Schober in Gosch, AO § 32c Rz 13; vgl. auch Krumm, Der Betrieb 2017, 2182, 2195: passt „nicht so richtig in einen verwaltungsrechtlichen Kontext“[↩]
- EuGH, Urteile FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 – C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 72 und Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 – C-487/21, EU:C:2023:369, Rz 32; vgl. auch BFH, Urteil vom 12.03.2024 – IX R 35/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 27[↩]
- EuGH, Urteile FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 – C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 75 und Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 – C-487/21, EU:C:2023:369, Rz 41 und Rz 45; BFH, Urteil vom 12.03.2024 – IX R 35/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 28[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 12.03.2024 – IX R 35/21, Rz 28[↩]







