Nichtzulassungsbeschwerde – und die Rüge einer Überraschungsentscheidung

Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Finanzgericht sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten oder nicht bekannten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste.

Nichtzulassungsbeschwerde – und die Rüge einer Überraschungsentscheidung

Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn ein entscheidungserheblicher Umstand vom Finanzgericht erst mit dem Endurteil in das Verfahren eingebracht wird[1].

Ein Verstoß gegen § 119 Nr. 6 FGO liegt nur dann vor, wenn die Urteilsgründe ganz oder zum Teil fehlen oder wenn sie derart unverständlich sind, dass sie den Prozessbeteiligten keine Kenntnis darüber vermitteln auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht, d.h. wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen.

Eine bloß kurze, lückenhafte, fehlerhafte oder nicht überzeugende Begründung ist kein Mangel i.S. des § 119 Nr. 6 FGO[2].

Dass das Finanzgericht einzelne Umstände anders tatsächlich und rechtlich würdigt als der Kläger, führt nicht zu einem Verstoß gegen § 119 Nr. 6 FGO.

Soweit der Kläger mit dem Begriff des „Scheinurteils“ die Entscheidung des Finanzgericht angreift und sich auf „schwerwiegende Mängel“ und „sinnfreie Akteninhalte“ beruft, wendet er sich im Ergebnis gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung. Mit diesem Vorbringen kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 3. August 2017 – IX B 54/17

  1. z.B. BFH, Beschlüsse vom 23.02.2017 – IX B 2/17, unter II. 1.a; und vom 11.05.2017 – IX B 23/17, unter II. 1.a, jeweils m.w.N.[]
  2. vgl. Gräber/Ratschow, a.a.O., § 119 Rz 35 f., m.w.N.[]