Das im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung an den Arbeitgeber abgetretene und an diesen gezahlte Kindergeld mindert im Jahr der Zahlung den Bruttoarbeitslohn des Arbeitnehmers.
Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sämtliche Bezüge und Vorteile, die dem Arbeitnehmer für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Für die Qualifizierung eines Vorteils als Arbeitslohn ist nach ständiger Rechtsprechung maßgebend, ob der Vorteil durch das individuelle Arbeitsverhältnis veranlasst ist, insbesondere ob ihm Entlohnungscharakter zukommt[1]. Dieser Arbeitslohnbegriff ist auch im Fall einer Nettolohnvereinbarung zugrunde zu legen[2].
Unter einer Nettolohnvereinbarung ist eine Abrede zwischen den Parteien eines Arbeitsverhältnisses des Inhalts zu verstehen, dass der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt als Nettolohn zahlt, der Arbeitnehmer also den als Nettolohn vereinbarten Betrag ungekürzt durch sämtliche oder bestimmte gesetzliche Abgaben erhält, während sich der Arbeitgeber verpflichtet, die Beträge für den Arbeitnehmer zu tragen[3]. Dabei ist der Arbeitgeber aufgrund der Nettolohnvereinbarung gegenüber dem Arbeitnehmer zu einer ungekürzten Auszahlung eines gleichbleibenden Monatsnettolohns verpflichtet[4].
Bei der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers führt die Nettolohnvereinbarung insbesondere dazu, dass bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben dem Nettolohn diejenigen Vorteile zu erfassen sind, die in der Übernahme von Lohnsteuer und Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung durch den Arbeitgeber liegen[5]. Deshalb hat der Arbeitnehmer in seiner Steuererklärung nicht lediglich den Nettolohn, sondern den durch Hochrechnung ermittelten Bruttolohn zu deklarieren. Denn der Arbeitnehmer bleibt auch bei Abschluss einer Nettolohnvereinbarung Schuldner der Lohnsteuer (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG) und seiner persönlichen Einkommensteuer[6].
Werden Erstattungsansprüche wegen zu viel gezahlter Lohnsteuer an den Arbeitgeber abgetreten, sind diese in dem Lohnzahlungszeitraum einkünftemindernd zu berücksichtigen, in dem das Finanzamt den Erstattungsbetrag an den Arbeitgeber geleistet hat, da zu diesem Zeitpunkt tatsächlich Einnahmen des Arbeitnehmers nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG an den Arbeitgeber zurückgeflossen sind[7]. Durch die Steuererstattung wird die in einer Nettolohnabrede strukturell angelegte und deshalb arbeitsvertraglich zunächst geschuldete Gehalts- beziehungsweise Steuerüberzahlung in einem späteren Veranlagungszeitraum ausgeglichen. Insoweit fließt dem Steuerpflichtigen jedes Jahr ein Mehr an Einnahmen zu, als arbeitsvertraglich als Jahreslohn geschuldet[8].
Nach diesen Maßstäben ist der Bruttoarbeitslohn des Arbeitnehmers um das im betreffenden Jahr an die Arbeitgeberin geflossene Kindergeld zu mindern[9].
Das Kindergeld dient primär dazu, im laufenden Kalenderjahr einen Einkommensbetrag in Höhe des sächlichen Existenzminimums einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung von der Einkommensbesteuerung freizustellen[10]. Es wird als Steuervergütung im laufenden Kalenderjahr gezahlt[11] und ist als solche Vorauszahlung auf eine mögliche einkommensteuerrechtliche Kinderentlastung[12]. Entsprechend entfällt die Berücksichtigung der Kinderfreibeträge bei der Erhebung der Lohnsteuer[13]. Bei der Einkommensteuerveranlagung ist der Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG vom Einkommen abzuziehen, wenn die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums und der weiteren Bedarfsbeträge durch das Kindergeld nach §§ 62 ff. EStG nicht vollständig bewirkt wird. In diesem Fall ist der Anspruch auf Kindergeld der festzusetzenden Einkommensteuer wieder hinzuzurechnen (§ 2 Abs. 6 Satz 3 EStG und § 31 Satz 4 Halbsatz 1 EStG), weil es sonst zu einer Doppelberücksichtigung des Existenzminimums durch Steuerfreibeträge und Steuervergütung käme. Die Hinzurechnung erfolgt auch dann, wenn das Kindergeld an das Kind selbst oder einen Dritten ausgezahlt wurde[14].
Lässt sich der Arbeitgeber nicht nur die spätere Einkommensteuererstattung abtreten, sondern auch das Kindergeld als Vorauszahlung hierauf, ist nicht nur der an diese abgetretene Einkommensteuererstattungsanspruch im Erstattungsjahr durch Abzug vom laufenden (Brutto-)Arbeitslohn zu berücksichtigen (hierzu BFH, Urteil vom 30.07.2009 – VI R 29/06, BFHE 226, 219, BStBl II 2010, 148), sondern auch das an den Arbeitgeber abgetretene und gezahlte Kindergeld.
Denn insoweit wird ebenfalls eine in der Nettolohnabrede strukturell angelegte und deshalb arbeitsvertraglich zunächst geschuldete Gehalts- beziehungsweise Steuerüberzahlung ausgeglichen. So wurden die Kinder der Arbeitnehmer im Lohnsteuerabzugsfahren des Streitjahres nicht berücksichtigt. Dies erfolgte vielmehr zunächst durch die Auszahlung des Kindergelds an die GmbH. Die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums und der weiteren Bedarfsbeträge wurde im Streitfall durch das Kindergeld allerdings nicht vollständig bewirkt, sodass bei der Einkommensteuerveranlagung die Kinderfreibeträge abzuziehen waren. Über den Familienleistungsausgleich nach § 31 Satz 4 EStG hat sich das an die GmbH vorab ausgezahlte Kindergeld im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der Arbeitnehmer wiederum unmittelbar mindernd auf die Höhe des Steuererstattungsanspruchs ausgewirkt. Die in Gestalt des monatlich ausgezahlten Kindergelds gewährte Steuervergütung verminderte folglich aufgrund der Hinzurechnung zur tariflichen Einkommensteuer den unter anderem durch die Kinderfreibeträge ausgelösten Erstattungsanspruch. Die durch die Hochrechnung des vereinbarten Nettogehalts strukturell erfolgte Gehalts- beziehungsweise Steuerüberzahlung wurde folglich nicht allein durch die Abtretung des (späteren) Einkommensteuererstattungsanspruchs ausgeglichen, sondern auch durch die Auszahlung des Kindergelds an die GmbH.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 8. Februar 2024 – VI R 26/21
- z.B. BFH, Urteile vom 20.05.2010 – VI R 12/08, BFHE 230, 136, BStBl II 2010, 1069; und vom 30.06.2011 – VI R 80/10, BFHE 234, 195, BStBl II 2011, 948[↩]
- BFH, Urteil vom 03.09.2015 – VI R 1/14, BFHE 251, 1, BStBl II 2016, 31, Rz 10, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 03.09.2015 – VI R 1/14, BFHE 251, 1, BStBl II 2016, 31, Rz 11, m.w.N.[↩]
- s. BFH, Urteile vom 30.07.2009 – VI R 29/06, BFHE 226, 219, BStBl II 2010, 148; und vom 03.09.2015 – VI R 1/14, BFHE 251, 1, BStBl II 2016, 31, Rz 19[↩]
- BFH, Urteile vom 16.08.1979 – VI R 13/77, BFHE 128, 467, BStBl II 1979, 771; vom 26.02.1982 – VI R 123/78, BFHE 135, 211, BStBl II 1982, 403; vom 22.06.1990 – VI R 162/86, BFH/NV 1991, 156; und vom 28.02.1992 – VI R 146/87, BFHE 167, 507, BStBl II 1992, 733[↩]
- BFH, Urteil vom 03.09.2015 – VI R 1/14, BFHE 251, 1, BStBl II 2016, 31, Rz 12[↩]
- BFH, Urteil vom 30.07.2009 – VI R 29/06, BFHE 226, 219, BStBl II 2010, 148, unter II. 1.c bb[↩]
- BFH, Urteil vom 30.07.2009 – VI R 29/06, BFHE 226, 219, BStBl II 2010, 148, unter II. 1.c dd[↩]
- FG Düsseldorf, Urteil vom 11.11.2021 – 14 K 2577/20 E; ebenso Schmidt/Krüger, EStG, 42. Aufl., § 39b Rz 14 und Büchter-Hole, EFG 2022, 761; a.A. Eisgruber in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 19 Rz 78 „Nettolohnvereinbarung“[↩]
- Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 31 EStG Rz 10 und 30[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 31.08.2021 – III R 10/20, BFHE 273, 536, BStBl II 2022, 186, Rz 21[↩]
- Schmidt/Loschelder, EStG, 42. Aufl., § 31 Rz 9[↩]
- HHR/Wendl, § 31 EStG Rz 31[↩]
- ebenso R 31 Abs. 3 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien 2023[↩]

