Müllabfuhr als haushaltsnahe Dienstleistung?

Nach § 35a Abs. 2 EStG vermindert sich für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen die tarifliche Einkommensteuer auf Antrag um 20 %, derzeit höchstens 4.000 €, der Aufwendungen, soweit diese nicht anderweitig abziehbar sind. Die Müllabfuhr erbringt nach einem Urteil des Finanzgerichts Köln jedoch keine solche haushaltsnahe Dienstleistung.

Müllabfuhr als haushaltsnahe Dienstleistung?

Vor dem Finanzgericht Köln hatte ein Ehepaar für die im Jahr 2008 gezahlten städtischen Müllgebühren eine Steuerermäßigung von 20% geltend gemacht. Es war der Ansicht, die Müllentsorgung sei mit der Wohnungsreinigung durch einen Dienstleister vergleichbar, für deren Kosten nach § 35a Abs. 2 EStG eine entsprechende Steuerermäßigung gewährt werde.

Das Finanzgericht Köln folgte dieser Argumentation jedoch nicht: Die eigentliche Leistung der Müllabfuhr liege in der Verarbeitung und Lagerung des Mülls und diese Entsorgungsleistung werde nicht im Haushalt erbracht. Eine teilweise Begünstigung der Müllgebühren, soweit sie auf das räumlich dem Haushalt zuzurechnende Abholen des Mülls entfallen, lehnt das Finanzgericht Köln ebenfalls ab.

Die Frage, ob Müllgebühren eines öffentlichen Versorgungsträgers als haushaltsnahe Dienstleistungen im Rahmen des § 35a EStG zu berücksichtigen sind, ist bislang – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung noch nicht entschieden. In der Literatur wurde früher einmal die Meinung vertreten, dass Müllgebühren, soweit diese auf die Entleerung der Mülltonnen entfalle, begünstigt sein könnten[1].

Das Finanzgericht Köln Senat ist allerdings der Auffassung, dass Müllgebühren bereits nach dem Wortlaut nicht unter das Tatbestandsmerkmal der „haushaltsnahen Dienstleistung“, fallen. Der Begriff der haushaltsnahen Dienstleistungen wird weder in § 35a EStG noch einer anderen Vorschrift näher definiert und ist deshalb durch Auslegung zu ermitteln. Unter haushaltsnahen Dienstleistungen werden in der Rechtsprechung solche Leistungen verstanden, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG, also eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung aufweisen[2]. Eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung besteht in räumlicher Hinsicht nur dann, wenn die Dienstleistung innerhalb der Grenzen des Grundstücks, in dem sich der Haushalt befindet, ausgeübt wird[3]. Nicht erfasst sind nach der Rechtsprechung die außerhalb dieses Bereichs erbrachten Leistungen[4]. Liegen gemischte Leistungen – wie hier das Abholen und die Verwertung des Mülls – vor, richtet sich die Einstufung, ob eine Leistung im Sinne des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG vorliegt, nach zutreffender Rechtsprechung des Thüringer Finanzgerichts[5] nach der zugrundeliegenden Hauptleistung. Eine Aufspaltung in berücksichtigungsfähige und nicht berücksichtigungsfähige Aufwendungen, scheidet demnach aus, wenn die Hauptleistung nicht abzugsfähig ist[6].

Den Klägern ist zwar zuzugeben, dass der Hausmüll im Haushalt anfällt und auch in unmittelbarer räumlicher Nähe hierzu abgeholt wird. Die Hauptleistung bzw. der Schwerpunkt der Leistung der Müllabfuhr ist aber nach Auffassung des Senats die Verarbeitung bzw. die Lagerung des Mülls. Diese Hauptleistung wird nicht innerhalb der Grundstücksgrenzen der Kläger ausgeübt. Sie findet vielmehr an den Entsorgungs- bzw. Verwertungsstellen des Entsorgungsunternehmens statt. Die Ausleerung sowie der Transport des Mülls stellen hingegen unselbständige Hilfsleistungen im Hinblick auf die durchgeführte Hauptleistung dar, die von der Hauptleistung grundsätzlich nicht getrennt werden können. Stellt man auf den Schwerpunkt bzw. die Hauptleistung ab, steht hiermit auch im Einklang, dass nach dem BMF-Schreiben vom 15. Februar 2010[7] eine Entsorgungsleistung unter § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG fallen kann, wenn es sich dabei lediglich um eine Nebenleistung zu einer nach dieser Vorschrift abzugsfähigen Hauptleistung, wie es z.B. beim Entsorgen von Gartenabfällen durch einen Gärtner der Fall wäre, handelt.

Bestätigt sieht sich das Finanzgericht Köln in seiner Ansicht auch im Hinblick auf eine grammatikalische Auslegung der Vorschrift. Der Begriff der Haushaltsführung ist neben dem Abstellen auf den rein räumlichen Aspekt auch im Hinblick auf die Haushaltsführung als solche auszulegen. Anhaltspunkte, was unter Haushaltsführung zu verstehen ist, gibt § 1356 Abs. 1 BGB[8]. Demnach ist entscheidend, dass der Haushalt in eigener Verantwortung geführt wird[9]. Die Entsorgung und Verwertung von Müll obliegt aber nicht dem freien und somit disponiblen Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen, sei er auch in dessen Haushalt angefallen und deshalb durch diesen veranlasst. Denn die Müllentsorgung ist nach § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG, § 9 Abs. 1 und Abs. 1a LAbfG in Verbindung mit der regionalen Abfallsatzung seinem Verantwortungsbereich entzogen. Für die Stadt A wird ein solcher Anschluss- und Benutzungszwang in § 6 Abs. 1 und 2 der Abfallsatzung der Stadt A geregelt. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anschluss- und Benutzungszwang, wonach jeder Eigentümer eines im Gebiet der Stadt A liegenden Grundstücks, auf dem Abfall zur Verwertung oder zur Beseitigung aus privaten Haushaltungen oder Abfall zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen anfallen kann, verpflichtet ist, sein Grundstück im Rahmen der Abfallsatzung an die Abfallentsorgung durch die Stadt A anzuschließen (Anschlusszwang) und die auf dem Grundstück oder sonst bei ihm angefallenen Abfälle der öffentlichen Abfallentsorgung zu überlassen (Benutzungszwang). Neben der Entsorgung der Abfälle beinhaltet der Benutzungszwang auch das Einsammeln und Befördern des Abfalls, § 6 Abs. 5 Abfallsatzung. Eine eigenverantwortliche Beförderung oder Entsorgung von Abfällen findet dagegen nur dann statt, wenn eine Ausnahme nach § 6 Abs. 5 oder 6 der Abfallsatzung vorliegt oder auf einen gestellten Antrag eine entsprechende Befreiung nach § 7 Abs. 1 der Abfallsatzung erteilt worden ist.

Es ist weder ersichtlich, dass die Kläger Aufwendungen für die Entsorgung von Abfall geltend machen, der unter eine Ausnahme nach § 6 Abs. 5 oder 6 Abfallsatzung fällt, noch dass sie aufgrund eines von ihnen gestellten Antrags nach § 7 Abs. 1 der Abfallsatzung von dem Benutzungszwang befreit sind. Aus demselben Grund sind wiederum auch die Nebenleistungen des Ausleerens der Müllbehälter sowie des Transports des Mülls nicht berücksichtigungsfähig. Denn diese Vorgänge sind in dem Anschluss- und Benutzungszwang enthalten.

Einer Berücksichtigung von Müllgebühren im Rahmen des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG steht darüber hinaus nach Auffassung des Finanzgerichts Köln der Sinn und Zweck dieser Norm nach dem Willen des Gesetzgebers entgegen. Diese bestehen darin, einen Anreiz für Beschäftigungsverhältnisse im Privathaushalt zu schaffen und die Schwarzarbeit in diesem Bereich zu bekämpfen. Demnach fallen unter den Begriff der haushaltsnahen Tätigkeit unter anderem die Zubereitung von Mahlzeiten im Haushalt, die Reinigung der Wohnung des Steuerpflichtigen, die Gartenpflege und die Pflege, Versorgung und Betreuung von Kindern, Kranken, alten Menschen und pflegebedürftigen Personen[10]. Es stehen solche Leistungen im Vordergrund, welche die Mitglieder des Privathaushalts gewöhnlich selbst erledigen und für die ein selbständiger Dienstleister oder eine Dienstleistungsagentur in Anspruch genommen wird[11]. Kann die Leistung dagegen aufgrund eines gesetzlichen Anschluss- und Benutzungszwangs nicht selbst durchgeführt und aus diesem Grund auch nicht auf einen Dritten übertragen werden, so kann weder der Zweck der Bekämpfung der Schwarzarbeit noch die Schaffung eines Anreizes für ein Beschäftigungsverhältnis erfüllt werden. Würden auch solche Aufwendungen im Rahmen des § 35a EStG erfasst werden, bliebe unbeachtet, dass der Gesetzgeber mit dem Tatbestandsmerkmal „haushaltsnahe“ Dienstleistungen eine Grenze für die Auslegung gezogen hat, um nicht jede Dienstleistung, soweit sie nur mit dem Haushalt oder der Führung eines Haushalts zusammenhängt, zu erfassen[12]. Da § 35a EStG als Lenkungsnorm ausgestaltet ist, ist das Tatbestandsmerkmal „haushaltsnah“ vielmehr grundsätzlich anhand der vorgenannten Kriterien eng auszulegen und hat sich an dem in der Gesetzesbegründung umschriebenen Förderzweck zu orientieren[13].

Finanzgericht Köln, Urteil vom 26. Januar 2011 – 4 K 1483/10

  1. vgl. Schmidt/Drenseck EStG-Kommentar 28. Auflage 2009, § 35a Rz. 8[]
  2. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 29.01.2009 – VI R 28/08, BFH/NV 2009, 823[]
  3. vgl. BT-Drs. 15/91, 19; 16/643, 10; FG Münster, Urteil vom 21.05.2010 – 14 K 1141/08 E, EFG 2010, 1385[]
  4. Nds. FG, Urteil vom 25.02.2009 – 4 K 12315/06, EFG 2009, 761; FG Hamburg, Urteil vom 20.01.2009 – 3 K 245/08, DStRE 2009, 1177[]
  5. Thür.FG, Urteil vom 13.10.2005 – II 165/05, EFG 2006, 121[]
  6. Thür.FG, Urteil vom 13.10.2005 II 165/05, a.a.O.[]
  7. BFM, Schreiben vom 15.02.2010 – IV C 4-S 2296-b/07/0003,2010/0014334 BStBl. I 2010, 140 Rz. 12[]
  8. Fischer in Kirchhoff, EStG, 8. Auflage, § 35a Rdnr. 6[]
  9. Palandt/Brudermüller, BGB, § 1356 Rdnr. 3[]
  10. BT-Drs. 15/91, 19[]
  11. BFH, Urteil vom 29.01.2009, a.a.O.[]
  12. vgl. Thür.FG, Urteil vom 13.10.2005, a.a.O.[]
  13. Thür.FG, Urteil vom 13.10.2005, a.a.O.; FG München, Urteil vom 30.06.2005 – 5 K 2262/04, EFG 2005, 1612; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.09.2004 – 4 K 2030/04, EFG 2004, 1769[]