Kommunale Wettbürosteuer unzulässig

Die Erhebung einer kommunalen Wettbürosteuer ist unzulässig, weil sie gegen das Gleichartigkeitsverbot nach Art. 105 Abs. 2a GG verstößt[1].

Die Erhebung einer kommunalen Wettbürosteuer ist nicht von der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG gedeckt, weil eine solche Steuer den bundesrechtlich speziell im Rennwett- und Lotteriegesetz geregelten Steuern (Rennwett- und Sportwettensteuern) gleichartig ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2022 in Bezug auf die Wettbürosteuersatzung einer nordrhein-westfälischen Stadt in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung[2] entschieden[3]. Daran hält das Bundesverwaltungsgericht weiterhin fest.

Nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG darf eine örtliche Aufwandsteuer nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sein. Dieses mit Inkrafttreten des Finanzreformgesetzes am 1.01.1970 in das Grundgesetz aufgenommene Gleichartigkeitsverbot hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zur kommunalen Übernachtungssteuer[4] nach Umfang und Voraussetzungen näher konkretisiert. Für die nicht herkömmlichen örtlichen Steuern verlangt Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG zunächst im Einklang mit der überkommenen Begrifflichkeit, dass der steuerbegründende Tatbestand nicht denselben Belastungsgrund erfasst wie eine Bundessteuer, sich also in Gegenstand, Bemessungsgrundlage, Erhebungstechnik und wirtschaftlicher Auswirkung von der Bundessteuer unterscheidet. Im Kontext der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG kommt dem Begriff der Gleichartigkeit aber eine eigenständige Bedeutung zu. Hier ist die Gleichartigkeitsschranke signifikant enger zu verstehen als das ungeschriebene Gleichartigkeitskriterium bei der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 i. V. m. Art. 72 Abs. 1 GG. Dafür sprechen neben der historischen Entwicklung sowohl die Bedeutung der kommunalen Finanzautonomie (Art. 28 Abs. 2 GG) als auch die Ausgestaltung der Finanzverfassung des Grundgesetzes in Art. 104a ff. GG. Das Aufkommen aus den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern stellt gemäß Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG den einzigen steuerlichen Bereich dar, in dem sich die Gemeinden nach Maßgabe des Landesrechts eigenständig Einnahmen verschaffen können[5].

Daraus folgt, dass den Ländern und Kommunen neben der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Finanzreformgesetzes existierenden Umsatzsteuer ein eigenständiges Besteuerungsrecht mit einem sinnvollen Anwendungsbereich zu belassen ist. Deswegen sind an die Gleichartigkeit im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG keine überspannten Anforderungen zu stellen, wenn es nicht um die Einführung einer allgemeinen Gemeindeumsatzsteuer geht, sondern um die Anknüpfung an den spezifisch lokalen Konsum einzelner Güter und Dienstleistungen. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Aufwand bereits durch eine spezielle Steuer des Bundes belegt ist. Diese Gegenausnahme für gleichartige Bundessteuern dient dem Schutz der vom Bundesgesetzgeber bereits eingeführten Steuern für bestimmte Gegenstände[6]. Denn die Gleichartigkeit setzt auch am Besteuerungsgegenstand an und schließt aus, dass derselbe Gegenstand sowohl mit einer Bundes- als auch mit einer Landes- oder Kommunalaufwandsteuer belegt werden kann. Länder und Gemeinden dürfen daher nicht aus einer speziellen Steuerquelle schöpfen, die der Bund bereits einer besonderen Besteuerung unterzogen hat, wie dies beispielsweise bei der Kraftfahrzeugsteuer und der Sektsteuer der Fall ist[7].

Hieran gemessen verstößt auch die hier streitgegenständliche Wettbürosteuer einer baden-württembergischen Stadt gegen das Gleichartigkeitsverbot aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Die Erhebung einer kommunalen Wettbürosteuer ist generell ausgeschlossen, weil der Bundesgesetzgeber den Gegenstand der Renn- und Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz in der Fassung des Gesetzes zur Besteuerung von Sportwetten vom 29.06.2012[8] sowie in der Fassung des Gesetzes vom 23.05.2022[9] bereits einer speziellen und abschließenden Besteuerung unterzogen hat. Dies gilt für die alte und die neue Fassung des Gesetzes gleichermaßen[10].

Bei der Rennwett- und Sportwettensteuer handelt es sich um eine spezielle Bundessteuer, die im Rahmen ihres Steuergegenstands Sperrwirkung für die Gesetzgebungsbefugnis von Ländern und Gemeinden entfaltet. Mit dem Gesetz zur Besteuerung von Sportwetten vom 29.06.2012 hat der Bundesgesetzgeber erstmals neben den traditionellen Rennwetten auch die sonstigen Sportwetten einer Besteuerung unterzogen; dabei hat er mit einer Steuerhöhe von 5 % des Wetteinsatzes einen einheitlichen, bewusst niedrigen Steuersatz festgelegt[11].

Umsätze, die nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz besteuert werden, sind nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG von der Umsatzsteuer ausgenommen. Die spezialgesetzlich geregelte Rennwett- und Sportwettensteuer weist einen anderen Charakter als die Umsatzsteuer und eine von ihr abweichende gesetzliche Konstruktion auf, was sich beispielsweise am nicht vorhandenen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG zeigt[12]. Die Rennwett- und Sportwettensteuer stellt damit keine Ausprägung der allgemeinen Umsatzsteuer dar[13], sondern eine spezielle Bundessteuer im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Auf die genaue steuersystematische Einordnung[14] kommt es dabei nicht entscheidungserheblich an.

Neben der bundesrechtlichen Sportwettenbesteuerung ist die Erhebung einer Wettbürosteuer ausgeschlossen, weil sie auf denselben Besteuerungsgegenstand zugreift. Gegenstand der Bundessteuer sind die aus Anlass von öffentlichen Pferderennen (vgl. §§ 10, 11 RennwLottG a. F. bzw. §§ 8, 11 Abs. 2 RennwLottG n. F.) und sonstigen Sportereignissen (vgl. § 17 Abs. 2 RennwLottG a. F. bzw. § 16 RennwLottG n. F.) abgeschlossenen Wetten; eine Unterscheidung nach Wettbüros und anderen Vertriebsformen wie etwa Wettannahmestellen erfolgt dabei nicht. An eben diesen Steuergegenstand, das Wetten aus Anlass sportlicher Ereignisse, knüpft auch die kommunale Wettbürosteuer an, die nach § 1 WBS auf das Vermitteln und/oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten – nicht aber von anderen theoretisch denkbaren Wetten jenseits des Sportwettenmarkts – in bestimmten Einrichtungen (Wettbüros) erhoben wird. Alle in einem Wettbüro abgegebenen Pferde- und Sportwetten unterliegen danach einer doppelten steuerlichen Belastung, die durch das Gleichartigkeitsverbot gerade vermieden werden soll.

Dies gilt ungeachtet der satzungsmäßigen Voraussetzung (vgl. § 1 WBS), dass die genannten Einrichtungen neben der Annahme von Wettscheinen auch das Mitverfolgen der Wettereignisse auf Monitoren ermöglichen müssen. Ein zusätzlicher Aufwand, der im Wege einer kommunalen Besteuerung gesondert abgeschöpft werden könnte, liegt darin nicht. Bemessungsgrundlage der Bundessteuer ist der geleistete Spiel- bzw. Wetteinsatz (vgl. §§ 11 Abs. 1 und 17 Abs. 2 Satz 2 RennwLottG a. F., §§ 9 und 10, §§ 17 und 18 RennwLottG n. F.); dies umfasst alle Zahlungen, die der Wettteilnehmer als Entgelt für die Einräumung der Gewinnchance erbringt[15]. Auch die kommunale Steuer bemisst sich nach dem erzielten Wetteinsatz (vgl. § 3 WBS). Der von der Stadt geltend gemachte Mehrwert des Wettens in der attraktiven Atmosphäre bzw. mit der besonderen Ausstattung eines Wettbüros im Vergleich zu anderen Vertriebsformen wird darin nicht abgebildet. Das Wetten in Wettbüros unterliegt auch keinen sonstigen Kosten etwa in Gestalt von Eintrittsgeldern, die als spezifische Aufwendungen bei der kommunalen Steuer erfasst werden könnten. Der Aufwand für Sportwetten in Wettbüros wird somit bereits vollständig durch die spezielle Sportwettenbesteuerung des Bundes erfasst. Beide Steuern schöpfen aus derselben Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und sind daher gleichartig[16].

Vor diesem Hintergrund kann die von der Stadt angemahnte Gesamtbetrachtung[17] der beiden indirekten, auf Abwälzung auf den Wettkunden angelegten Steuern[18] zu keinem anderen Ergebnis führen. Insbesondere kommt es weder auf die Lenkungsziele der Kommune zur „Feinsteuerung“ des örtlichen Sportwettenangebots noch auf den Umstand an, dass mit einer kommunalen Wettbürosteuer nur ein spezifischer Ausschnitt aus dem gesamten von der Sportwettenbesteuerung erfassten Markt zusätzlich belastet wird[19].

Da im hier entschiedenen Fall die Revision des Wettbürobetreibers umfassend Erfolg hat, waren die angegriffenen Vorschriften der städtischen Wettbürosteuersatzung vollumfänglich aufzuheben. Der vom Antrag ausgenommene Ordnungswidrigkeitentatbestand der Wettbürosteuersatzung, der nach § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht der Prüfung durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegt[20], ist mangels eines verbleibenden Anwendungsbereichs funktionslos.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. Februar 2024 – 9 CN 1.23

  1. Bestätigung von BVerwG – 9 C 2.22, BVerwGE 176, 272[]
  2. BVerwG, Urteil vom 29.06.2017 ‌- 9 C 7.16, BVerwGE 159, 216[]
  3. BVerwG, Urteil vom 20.09.2022 – 9 C 2.22, BVerwGE 176, 272 sowie Parallelurteile vom selben Tag[]
  4. BVerfG, Beschluss vom 22.03.2022 ‌- 1 BvR 2868/15 u. a., BVerfGE 161, 1 Rn. 93 ff.[]
  5. BVerfG, Beschluss vom 22.03.2022 – 1 BvR 2868/15 u. a., BVerfGE 161, 1 Rn. 103 ff.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 24.05.2023 – 9 CN 1.22, NVwZ 2023, 1406 Rn. 34[]
  6. BVerfG, Beschluss vom 22.03.2022 ‌- 1 BvR 2868/15 u. a., BVerfGE 161, 1 Rn. 105[]
  7. BVerfG, Beschluss vom 22.03.2022 ‌- 1 BvR 2868/15 u. a., BVerfGE 161, 1 Rn. 113[]
  8. BGBl. I S. 1424 – RennwLottG a. F.[]
  9. BGBl. I S. 752 – RennwLottG n. F.[]
  10. vgl. BVerwG, Urteil vom 20.09.2022 – 9 C 2.22, BVerwGE 176, 272 Rn.20 ff.[]
  11. vgl. BVerwG, Urteil vom 20.09.2022 ‌- 9 C 2.22, BVerwGE 176, 272 Rn. 26 ff. mit Nachweisen aus der Gesetzeshistorie[]
  12. vgl. Spilker, in BeckOK, UStG, Stand 1.01.2024, § 4 Nr. 9 Rn. 9, 18, 64.1; Leipold, in Sölch/Ringleb, UStG, Stand Oktober 2023, § 4 Nr. 9 Rn. 57[]
  13. so noch BVerwG, Urteil vom 29.06.2017 – 9 C 7.16, BVerwGE 159, 216 Rn. 28[]
  14. vgl. dazu einerseits BFH, Urteil vom 07.09.2021 – IX R 30/18 – BFHE 274, 275 Rn. 35 f.; andererseits Englisch, in: Streinz/Liesching/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, 2014, Syst. Darst. Rn. 11, 86; jeweils m. w. N.[]
  15. vgl. BFH, Urteil vom 07.09.2021 – IX R 30/18 – BFHE 274, 275 Rn. 17 m. w. N.; Herzig/Stock, ZfWG 2012, 12 <13>[]
  16. so im Ergebnis auch Birk, ZfWG 2015, 2 <5> Christ, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2. Aufl.2022, C Rn. 388; Brüggemann, ZfWG 2019, 449 <451 ff.>[]
  17. vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.03.2022 – 1 BvR 2868/15 u. a., BVerfGE 161, 1 Rn. 94, 106 ff.[]
  18. vgl. BVerwG, Urteil vom 20.09.2022 – 9 C 2.22, BVerwGE 176, 272 Rn. 23; BFH, Urteil vom 07.09.2021 – IX R 30/18 – BFHE 274, 275 Rn. 36[]
  19. vgl. BVerwG, Urteil vom 20.09.2022 – 9 C 2.22, BVerwGE 176, 272 Rn. 30 in Abgrenzung zu BVerwG, Urteil vom 29.06.2017 – 9 C 7.16 – ‌BVerwGE 159, 216 Rn. 28[]
  20. vgl. BVerwG, Urteil vom 17.02.2005 – 7 CN 6.04, NVwZ 2005, 695 <696> BVerfG, Kammerschluss vom 19.06.2007 – 1 BvR 1290/05, NVwZ 2007, 1172 <1173>[]