Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf außergerichtliche Gewährung von Akteneinsicht oder für ein hierauf bezogenes Rechtsmittel entfällt, wenn der Steuerpflichtige ein finanzgerichtliches Verfahren in Gang gesetzt hat, in dem die streitgegenständlichen Akten dem Gericht vorgelegt wurden und aus diesem Grund ein umfassendes und nicht beschränkbares Recht auf Akteneinsicht gemäß § 78 FGO besteht.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall begehrt der Kläger, ein Gewerbetreibender, Einsichtnahme in die Handakte einer bei ihm durchgeführten Außenprüfung. Das Finanzamt führte bei ihm eine Außenprüfung durch. Die Prüferin stellte Buchführungsmängel fest und nahm aus diesem Grund Hinzuschätzungen zu den erklärten Erlösen und Umsätzen vor. Noch während der Prüfung beantragte der Kläger, ihm Einsicht in die Handakte („Fallheft“) der Prüferin zu gewähren. Dies lehnte das Finanzamt ab.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht Baden-Württemberg ab[1]. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers verwarf der Bundesfinanzhof als unzulässig:
Die Revision ist unzulässig, da es dem Kläger an dem hierfür erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Zu den ungeschriebenen Sachentscheidungsvoraussetzungen einer jeden Anrufung eines Gerichts gehört das Vorhandensein eines Rechtsschutzbedürfnisses[2]. Dessen anfängliches Fehlen oder späterer Wegfall bewirken die Unzulässigkeit des gerichtlichen Rechtsbehelfs[3].
Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt unter anderem dann, wenn es für den Rechtsbehelfsführer einen verfahrensmäßig einfacheren und/oder schnelleren Weg gibt, das angestrebte Rechtsschutzziel zu erreichen[4]. Ein Bedürfnis, abstrakte Rechtsfragen zu klären, genügt insoweit nicht[5].
Im Streitfall ist das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für die vorliegende Revision entfallen.
Prozessuales Ziel der Revision war es, das Finanzamt zu verpflichten, dem Kläger Einsicht in die anlässlich der bei ihm durchgeführten Außenprüfung angelegte Handakte zu gewähren. Die Akteneinsicht sollte den Kläger -wie in der Revisionsbegründung vom 31.07.2023 verdeutlicht- in den Stand versetzen, zu erwägen und zu analysieren, ob und wie er sich gegen die im Nachgang zur Außenprüfung vorgenommenen Hinzuschätzungen zu Umsatz und Gewinn weiter zur Wehr setzen könne.
Zur Erreichung dieses Ziels bedarf es keiner Entscheidung des Bundesfinanzhofs, ob und nach Maßgabe welcher Rechtsgrundlage dem Kläger ein Akteneinsichtsrecht zustehen könnte. Der Kläger hat gegen die Auswertungsbescheide nach der Außenprüfung mittlerweile Klage zum Finanzgericht erhoben, über die noch nicht entschieden wurde. Nach den Erkundigungen des Vorsitzenden des Bundesfinanzhofs wurde dem Finanzgericht die streitgegenständliche Handakte inzwischen übermittelt, sodass dem Kläger auch insoweit ein Akteneinsichtsrecht gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO zusteht. Unerheblich ist, dass der Kläger bislang von diesem -durch das Finanzgericht nicht beschränkbarem- Recht keinen Gebrauch gemacht hat.
Auf die Frage des Vorsitzenden des Bundesfinanzhofs, ob das vorliegende Revisionsverfahren im Hinblick auf das umfassende Akteneinsichtsrecht gemäß § 78 FGO fortgeführt werden soll, hat der Kläger trotz Erinnerung nicht reagiert.
Dass der Kläger neben seinem Akteneinsichtsrecht weiterhin einen Anspruch auf Auskunft über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung verfolgt, kann seiner letzten Revisionsbegründung nicht mehr entnommen werden.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21. Mai 2024 – IX R 28/22
- FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.07.2021 – 10 K 3159/20, EFG 2021, 1777[↩]
- BFH, Beschluss vom 30.08.2023 – X B 58/23, Rz 16, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 07.06.1994 – IX R 141/89, BFHE 174, 446, BStBl II 1994, 756, unter I. 1.[↩]
- vgl. BFH, Entscheidungen vom 21.08.2018 – X S 23/18, Rz 13 sowie vom 03.07.2014 – III R 53/13, BFHE 246, 437, BStBl II 2015, 282, Rz 10; Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 FGO Rz 165; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., vor § 33 Rz 19[↩]
- BFH, Beschluss vom 07.01.2002 – III B 34/01, BFH/NV 2002, 665[↩]
Bildnachweis:
- Finanzamt: planet fox