Kindergeldzahlung an einen freizügigkeitsberechtigten Ausländer im Probearbeitsverhältnis

Für die Frage der Kindergeldberechtigung eines freizügigkeitsberechtigten Ausländers stellt auch ein Probearbeitsverhältnis eine Erwerbstätigkeit im Sinne von § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG dar.

Kindergeldzahlung an einen freizügigkeitsberechtigten Ausländer im Probearbeitsverhältnis

Nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c Nr. 3 EStG erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer Kindergeld nur, wenn er bspw. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG besitzt, sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem SGB III bezieht oder Elterngeld in Anspruch nimmt.

Berechtigt erwerbstätig im Sinne von § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG ist, wer eine selbständige Tätigkeit oder nichtselbständige Beschäftigung im Sinne von § 2 Abs. 2 AufenthG in Verbindung mit § 7 SGB IV ausübt, die durch Rechtsvorschrift allgemein zugelassen ist oder ihm im Einzelfall erlaubt wurde. Eine Mindestdauer und einen Mindestumfang der Erwerbstätigkeit sieht das Gesetz ebenso wenig vor, wie ein Mindesteinkommen[1]. Nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Nach § 7 Abs. 2 SGB IV gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung als Beschäftigung.

Demzufolge ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV Arbeitnehmer, wer von einem Arbeitgeber persönlich – nicht notwendig wirtschaftlich – abhängig ist. Die persönliche Abhängigkeit stellt das wesentliche, das charakteristische Merkmal des Arbeitsverhältnisses dar. Sie bedeutet Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Unter einem Arbeitsverhältnis wird daher vor allem der wirksame Arbeitsvertrag verstanden. Wie schon der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV zeigt, ist der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses aber weiter als derjenige des arbeitsrechtlichen Arbeitsvertrags, wenn auch eine Beschäftigung stets anzunehmen ist, wenn nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen ein Arbeitsverhältnis besteht. Es kommt deshalb für das Vorliegen einer Beschäftigung nicht auf den Abschluss eines wirksamen Arbeitsvertrags, sondern ausschließlich darauf an, ob eine Tätigkeit für einen Dritten aufgenommen und die Verfügungsgewalt des Unternehmers über die Arbeitskraft des Beschäftigten hergestellt wurde[2]. Dies wird (auch mit Blick auf den Wortsinn) regelmäßig schon bei einem Probearbeitsverhältnis der Fall sein. Denn auch insoweit verfügt der Arbeitgeber – allerdings meist unentgeltlich – mit Einwilligung des zur Probe Arbeitenden über dessen Arbeitskraft[3].

Das Ergebnis, auch bei einem Probearbeitsverhältnis von einer Erwerbstätigkeit auszugehen, entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers sowie dem Sinn und Zweck des § 62 Abs. 2 EStG. Schließlich hat diese Norm zum Ziel, Kindergeld nur solchen ausländischen Staatsangehörigen zukommen zu lassen, die sich rechtmäßig und voraussichtlich dauerhaft in der Bundesrepublik aufhalten. In der Gesetzesbegründung ist hierzu ausgeführt, dass Indikator für einen solchen dauerhaften Verbleib vor allem die Ausübung einer Beschäftigung bzw. die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt ist[4]. Die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt ist auch während einer einwöchigen Probearbeit beim zukünftigen Arbeitgeber gegeben.

Aus diesen Gründen kann es dahingestellt bleiben, dass das [5] entschieden hat, dass der Ausschluss ausländischer Staatsangehöriger, denen der Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erlaubt ist und die keines der in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchst. b BErzGG 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 BEEG genannten Merkmale der Arbeitsmarktintegration erfüllen, vom Bundeserziehungsgeld und vom Bundeselterngeld gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verstößt.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 14 K 4711/10

  1. Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Lieferung 07/2012, § 62 Rn.20[]
  2. Hess. LSG, Urteil vom 30.09.2011 – L 9 U 46/10 – zur Schwarzarbeit[]
  3. LSG Hamburg, Urteil vom 31.01.2012 – L 3 U 21/11[]
  4. BT-Drucks. 16/1368, S. 8[]
  5. BVerfG, Beschluss vom 10.07.2012 – 1 BvL 2/10 – 1 BvL 4/10 und 1 BvL 3/11, BGBl I 2012, 1898[]