Ein Kind, das einen zweijährigen Freiwilligendienst aller Generationen (Missionarsdienst) in den USA leistet, ist jedenfalls nur unter den Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 3 (nunmehr Satz 6) EStG a.F. zu berücksichtigen.

Für ein über 18 Jahre altes Kind, das -wie S in der Zeit von Oktober 2013 bis Februar 2014- das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG Anspruch auf Kindergeld u.a. dann, wenn das Kind einen Freiwilligendienst aller Generationen i.S. von § 2 Abs. 1a SGB VII leistet. Für Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat haben, auf den das Abkommen über den EWR Anwendung findet, und die auch nicht im Haushalt eines Berechtigten i.S. des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG a.F. leben, wird nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. kein Kindergeld gewährt.
Eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG kann im Hinblick auf die Teilnahme an einem Freiwilligendienst aller Generationen nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen der in Bezug genommenen Norm des § 2 Abs. 1a SGB VII erfüllt sind[1]. Davon ist das Finanzgericht ausgegangen.
Im vorliegenden Fall hatte der volljährige Sohn S jedoch -was seiner Berücksichtigung als Kind nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. entgegensteht- im streitigen Zeitraum Oktober 2013 bis Februar 2014 weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den EWR Anwendung findet, und war ebenso wenig in den Haushalt eines Berechtigten i.S. des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG a.F. aufgenommen.
Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzten wird (§ 8 AO). Die Grundsätze, nach denen sich bestimmt, ob jemand einen Wohnsitz in diesem Sinne im Inland hat, sind durch die Rechtsprechung im Wesentlichen geklärt[2].
Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 9 Satz 1 AO). Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich der AO ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen (§ 9 Satz 2 AO).
Die Aufnahme in den Haushalt eines Berechtigten i.S. des § 63 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG a.F. setzt eine kindergeldberechtigte Person, die nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist, voraus. Dies ist eine Person mit deutscher Staatsangehörigkeit, die im Inland weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt hat und zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis steht und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse bezieht.
Im vorliegenden Fall ist festgestellt, dass der Sohn S in der Zeit von Oktober 2013 bis Februar 2014 weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den EWR Anwendung findet, hatte. Außerdem hat es für den Bundesfinanzhof gleichfalls bindend i.S. von § 118 Abs. 2 FGO weiter festgestellt, dass S unstreitig keine Aufnahme in den Haushalt einer nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Person fand. Die Feststellungen des Finanzgericht werden im Übrigen mit der Revision auch nicht angegriffen.
Danach ist ein Anspruch der Mutter auf Kindergeld für den Sohn S für die Monate von Oktober 2013 bis Februar 2014 nicht gegeben.
Die hiergegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch:
Es trifft nicht zu, dass die bei einem Freiwilligendienst i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG von gewisser Dauer (über ein Jahr hinaus) durch § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. ausgelöste faktische Reduzierung auf einen EU- bzw. EWR-Staat der erkennbaren Intention des Gesetzgebers, Freiwilligendienste auch im außereuropäischen Ausland zu fördern, widerspricht[3].
Ein (eindeutiger) gesetzgeberischer Wille, Kinder, die einen mehrjährigen Freiwilligendienst i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG im außereuropäischen Ausland leisten; vom Anwendungsbereich des § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. auszunehmen, ist -worauf die Familienkasse mit Bezug auf die Gesetzesmaterialien zum JFDG[4] exemplarisch hinweist- nicht erkennbar.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch die Kinder, die einen internationalen Freiwilligendienst i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG leisten, nur „bei Vorliegen der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des Familienleistungsausgleichs“ -mithin unter den Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG a.F.- als Kinder berücksichtigen wollte[5]. Auch soweit nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG ein anderer Dienst im Ausland i.S. von § 14b des Zivildienstgesetzes, nunmehr i.S. von § 5 BFDG, begünstigt ist, sollte die Berücksichtigung der Kinder, die einen solchen Dienst im Ausland leisten, gleichfalls nur „im Rahmen des Familienleistungsausgleichs“ erfolgen[6].
Eine dahingehende Auslegung des § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG a.F., dass Kinder, die einen begünstigten Freiwilligendienst im außereuropäischen Ausland leisten, selbst dann zu berücksichtigen seien, wenn sie die auf Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Haushaltsaufnahme bezogenen Voraussetzungen nicht erfüllen, ist nicht geboten.
Der BFH hat bereits mehrfach entschieden, dass die Anknüpfung der Kindergeldberechtigung an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. als weitere Ausprägung des Territorialitätsprinzips nicht sachwidrig ist[7], und bis in die jüngste Vergangenheit daran festgehalten, dass die in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. enthaltene Differenzierung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt[8]. Danach steht dem Gesetzgeber -wie die Familienkasse zutreffend vorbringt- bei der Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang er Kindergeld für im Ausland lebende Kinder gewährt, grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Er ist -vorbehaltlich unionsrechtlicher und anderer völkerrechtlicher Regelungen- nicht gehalten, im Ausland lebende Kinder generell bei der Gewährung von Kindergeld zu berücksichtigen. Das Existenzminimum dieser Kinder wird ggf. durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG von der Besteuerung freigestellt, die keine unbeschränkte Steuerpflicht des Kindes voraussetzen[9]. Die Ausweitung der Begünstigungstatbestände bleibt insoweit von Bedeutung.
Auch Kinder i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, die sich zum Zwecke einer mehrjährigen Schul, Hochschul- oder Berufsausbildung im außereuropäischen Ausland aufhalten, finden gleichfalls nur unter den Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. Berücksichtigung. Kindergeld ist für diese Kinder, deren vorübergehender Aufenthalt außerhalb Deutschlands, eines EU- oder EWR-Staats mit dem der nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG zu berücksichtigenden Kinder vergleichbar ist, nur zu gewähren, wenn das betreffende Kind seinen Inlandswohnsitz i.S. von § 8 AO beibehält[10]. Für Kinder, die einen Freiwilligendienst i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG im außereuropäischen Ausland leisten, gilt nichts anderes.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 13. Juli 2016 – XI R 8/15
- vgl. BFH, Urteil vom 24.05.2012 – III R 68/11, BFHE 238, 394, BStBl II 2013, 864, Rz 10[↩]
- zu den Grundsätzen, vgl. z.B. BFH, Urteile vom 20.11.2008 – III R 53/05, BFH/NV 2009, 564, unter II. 1.b, Rz 14 ff.; vom 25.09.2014 – III R 10/14, BFHE 247, 239, BStBl II 2015, 655, Rz 13 ff.; jeweils m.w.N.[↩]
- a.A. Anmerkung Bauhaus, EFG 2015, 993[↩]
- BT-Drs. 16/6519[↩]
- zur Einführung des Begünstigungstatbestands „Internationaler Jugendfreiwilligendienst“ durch Art. 2 Nr. 10 des Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 07.12 2011, BGBl I 2011, 2592, vgl. Bericht des Finanzausschusses vom 26.10.2011, BT-Drs. 17/7524, S. 11[↩]
- zur Einführung des Begünstigungstatbestands „anderer Dienst im Ausland“ durch Art. 1 Nr. 7 Buchst. a des Zweiten Gesetzes zur Familienförderung vom 16.08.2001, BGBl I 2001, 2074, vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses vom 04.07.2001, BT-Drs. 14/6582, S. 7[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 23.11.2000 – VI R 165/99, BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279, unter II. 2., Rz 12 ff.; vom 26.02.2002 – VIII R 85/98, BFH/NV 2002, 912, unter 2., Rz 11 ff.; jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 07.04.2011 – III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351, Rz 18; BFH, Beschlüsse vom 12.07.2011 – III B 111/10, BFH/NV 2011, 1897, Rz 14; vom 14.08.2012 – III B 58/12, BFH/NV 2012, 1977, Rz 14; vom 04.07.2013 – III B 24/13, BFH/NV 2013, 1568, Rz 6; jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. dazu BFH, Urteil in BFH/NV 2011, 1351[↩]
- zum mehrjährigen Bachelorstudium in China, vgl. BFH, Urteil vom 23.06.2015 – III R 38/14, BFHE 250, 381, BStBl II 2016, 102[↩]




