Insolvenz nach der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht

Die Verkündung der aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu erlassenden Entscheidung wird nicht durch die nach dem Schluss dieser Verhandlung eintretende Unterbrechung (hier: aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers) gehindert.

Insolvenz nach der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall war nach der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht und vor Zustellung des Urteils gemäß § 104 Abs. 2 FGO das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter nahm auf Anfrage des Finanzgerichts den Rechtsstreit zwecks Bekanntgabe des Urteils auf. Daraufhin wurde ihm das Urteil zugestellt. Das Finanzamt rügt mit seiner vom Finanzgericht zugelassenen Revision, die Vorentscheidung sei unter Verstoß gegen § 155 FGO i.V.m. § 240 ZPO nicht wirksam zugestellt worden, weil die vom Insolvenzverwalter gegenüber dem Finanzgericht erklärte Aufnahme des Verfahrens erst nach -seinerzeit noch ausstehender- Anmeldung der streitigen Forderung zur Insolvenztabelle hätte erfolgen dürfen[1].

Der Bundesfinanzhof beurteilte die Revision des Finanzamtes als zulässig, aber unbegründet:

Die Revision ist zulässig. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers am 1.09.2010 wurde zwar das zu diesem Zeitpunkt mangels Zustellung des Urteils (§ 104 Abs. 2 FGO) noch nicht abgeschlossene Klageverfahren nach § 155 FGO i.V.m. § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen. Gleichwohl war die Einlegung der Revision durch das Finanzamt wirksam[2].

Die Revision ist jedoch unbegründet; entgegen der Auffassung des Finanzamtes wurde das Urteil des Finanzgericht wirksam erlassen und bekanntgemacht.

Denn nach § 249 Abs. 3 ZPO wird die Verkündung der aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht durch die nach dem Schluss dieser Verhandlung eintretende Unterbrechung gehindert. Diese Vorschrift ist entsprechend anwendbar, wenn das Gericht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet und die Entscheidung zuzustellen ist[3]. Dasselbe gilt, wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung des Verfahrens -wie hier am 1.09.2010- keine Fristen mehr liefen und keine Prozesshandlungen zur wirksamen Wahrnehmung der Interessen des Beteiligten mehr erforderlich waren[4].

Insofern unterscheidet sich der Streitfall von dem Sachverhalt, der dem Beschluss des Bundesfinanzhofs in BFH/NV 2005, 365 zugrunde lag. Dort war die Unterbrechung des Verfahrens vor der mündlichen Verhandlung eingetreten.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 4. Mai 2011 – XI R 35/10

  1. Hinweis auf BFH, Beschluss vom 30.09.2004 – IV B 42/03, BFH/NV 2005, 365[]
  2. vgl. BFH, Beschluss vom 29.03.1990 – III ZB 39/89, BGHZ 111, 104[]
  3. vgl. BFH, Beschluss vom 28.02.1991 – V R 117/85, BFHE 163, 410, BStBl II 1991, 466[]
  4. vgl. BFH, Beschluss vom 21.11.2002 – VII B 58/02, BFH/NV 2003, 485[]