Geldeinwurfautomaten – und ihre Kassensturzfähigkeit

Geldspeicher von Geldeinwurfautomaten sind Kassen. Daher ist bei ihrer Leerung der Bestand zu zählen und das Ergebnis aufzuzeichnen, um die Kassensturzfähigkeit zu gewährleisten.

Geldeinwurfautomaten – und ihre Kassensturzfähigkeit

Gemäß § 146 Abs. 1 Satz 2 AO „sollen“ Kasseneinnahmen und Kassenausgaben täglich festgehalten werden. Hierdurch wird versucht, im sensiblen Bereich der Abwicklung von Vorgängen, die Bewegungen von Bargeld einschließen, ein dichtes Kontrollgefüge einzurichten[1]. Die Anforderungen an ein solches Kontrollgefüge sind dabei an die Art und Weise der Kassenführung anzupassen.

Einnahmen wie Ausgaben können zu Kontrollzwecken nicht nur durch schriftliche Aufzeichnungen, sondern auch durch jede andere Maßnahme festgehalten werden, die es ermöglicht, die Daten abrufbereit zu konservieren[2]. Es besteht keine gesetzliche Vorgabe, wie (Kassen-)Aufzeichnungen zu führen sind. So können diese grundsätzlich auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden. Der Steuerpflichtige ist in der Wahl des Aufzeichnungsmittels frei und kann entscheiden, ob er seine Warenverkäufe manuell oder unter Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel -wie einer elektronischen Registrier- oder PC-Kasse- erfasst[3].

Dabei bestimmt die Kasseneigenschaft und im Fall von Geldautomaten die Entleerungsfrequenz die Art der Aufzeichnung.

Werden die Bareinnahmen einer offenen Ladenkasse erfasst, so erfordert dies einen täglichen Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens der Bareinnahmen erstellt worden ist. Dies ist die Folge der jederzeitigen Möglichkeit, die Kasse bzw. die Kasseneinnahmen und -ausgaben manipulieren zu können. Dabei ist kein „Zählprotokoll“ erforderlich. Erforderlich, aber auch ausreichend ist ein Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens erstellt worden ist[4].

Dieser Kassenbericht muss im Fall einer offenen Ladenkasse so beschaffen sein, dass es einem Buchsachverständigen zumindest am Beginn und am Ende jedes Geschäftstages -bei Einzelaufzeichnung der Bareinnahmen auch jederzeit im Laufe des Geschäftstages- möglich ist, den durch Kassensturz festgestellten Ist-Bestand anhand der Kassenaufzeichnungen zu überprüfen[5]. Ermöglichen die Kassenaufzeichnungen einen solchen Vergleich des Soll-Bestands laut Aufzeichnungen mit dem Ist-Bestand der Kasse nicht, fehlt es jedenfalls insoweit an der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Dies gilt trotz der Ausgestaltung des § 146 Abs. 1 Satz 2 AO als Soll-Vorschrift. Denn auch wenn hierdurch zum Ausdruck kommt, dass eine tägliche Aufzeichnung nicht in jedem Falle zwingend erforderlich ist[6], muss die Entwicklung des Kassenbestandes zweifelsfrei rekonstruierbar sein[7].

Im Fall der Aufbewahrung der Kasseneinnahmen in einem verschlossenen Behälter wird eine tägliche Auszählung dagegen jedenfalls im Geltungsbereich der für das Streitjahr anwendbaren Fassung der AO nicht notwendig sein. Erst im Augenblick der Entleerung sind die Kasseneinnahmen zu zählen und aufzuzeichnen, um so die Kassensturzfähigkeit sicherzustellen. Dabei wird es für die Erfüllung dieser Kassensturzfähigkeit in der Regel ausreichen, wenn die Aufzeichnungen im Kassenbericht die Zählung bei Entleerung und ihr Ergebnis dokumentieren.

Diese Grundsätze führen im vorliegenden Fall dazu, dass schon mangels Kassenberichts die Kassensturzfähigkeit fehlt und damit keine ordnungsgemäßen Kassenaufzeichnungen i.S. des § 146 Abs. 1 Satz 2 AO im Bereich Video/Kino vorliegen.

Auch die Geldspeicher der dort verwendeten Geldeinwurfautomaten sind Kassen, deren Geldbestände jedenfalls im Zeitpunkt der (erstmaligen) Entleerung zu zählen und festzuhalten sind. Schließlich versteht man unter einer Kasse schon von der Wortbedeutung her einen Behälter bzw. eine Kassette, in dem Geld aufbewahrt wird[8]. Gerade Geldspeicher von Geldeinwurfautomaten sind solche Geldbehälter. Bei diesen Automaten gelangt das Geld mit dem Einwurf in den Verfügungsbereich des Klägers. Folglich ist der Geldspeicher eine Kasse, wobei jeder Geldspeicher eine separate Kasse ist.

Deshalb hatte der Kläger nach den zu § 146 Abs. 1 Satz 2 AO entwickelten Grundsätzen insoweit eine Kassensturzfähigkeit zu gewährleisten und damit zumindest eine Kontrolle, ob eine tatsächliche Auszählung stattgefunden hat, anhand der getätigten Aufzeichnungen möglich zu machen. Diese Anforderungen erfüllte der Kläger nicht, da, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, der Inhalt der Geldspeicher im Zeitpunkt der (erstmaligen) Entleerung nicht aufgezeichnet wurde. Vielmehr ist der Bestand dieser Kassen lediglich durch Rückrechnung, nämlich durch Addition der Bankgutschriften und verausgabten Beträge, ermittelt worden. Kein Ersatz ist die zeitlich spätere Zählung der Geldbeträge durch die Bank bei Einzahlung auf dem Bankkonto. Denn wie in den Fällen einer verzögerten Verbuchung stellt diese nachträgliche Zählung und Aufzeichnung keinen wirksamen Schutz gegen die bei solchen, den offenen Ladenkassen ähnelnden Geldbehältern bestehende Manipulationsanfälligkeit dar. Die nur durch Rückrechnung ermittelten Kassenbestände beinhalten keinerlei Vermutung der Richtigkeit. Etwas Anderes könnte im Fall einer Verplombung bis zur Einzahlung bei der Bank gelten, was im Streitfall jedoch nicht gegeben war.

Folglich konnten in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall die Buchführungsergebnisse, soweit sie die Erlöse aus dem Bereich Video/Kino betreffen, nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Das Finanzamt und in der Vorinstanz das Thüringer Finanzgericht[9] waren, soweit die Erlöse aus dem Bereich Video/Kino betroffen waren, zur Schätzung verpflichtet. § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 AO eröffnet dabei dem Finanzgericht eine eigene Schätzungsbefugnis.

Formelle Buchführungsmängel -hier die fehlende Kassensturzfähigkeit mangels Aufzeichnung der gezählten Bareinnahmen aus den Geldspeichern- berechtigen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zwar nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln[10]. Soweit vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung aber der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen[11].

Die hier vorliegenden formellen Buchführungsmängel führen deshalb jedenfalls für den hier betroffenen Bereich zu einer solchen Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 2 Satz 1 AO (i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO).

Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. März 2017 – X R 11/16

  1. vgl. nur Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 27, m.w.N.[]
  2. so wohl auch Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 146 AO Rz 27, m.w.N.[]
  3. vgl. im Hinblick auf Warenverkäufe eines Kaufmanns auch BFH, Urteil vom 16.12 2014 – X R 47/13, BFH/NV 2015, 793, Rz 23[]
  4. so schon BFH, Beschluss vom 16.12 2016 – X B 41/16, BFH/NV 2017, 310, Rz 25 f., m.w.N.[]
  5. BFH, Urteil vom 31.07.1974 – I R 216/72, BFHE 113, 400, BStBl II 1975, 96, unter 1.[]
  6. BT-Drs. 7/4292, 30[]
  7. so auch Görke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 146 AO Rz 29[]
  8. vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch, Mannheim/Wien/Zürich 1985, 370[]
  9. Thür. FG, Urteil vom 20.05.2015 – 3 K 553/14[]
  10. BFH, Entscheidungen vom 17.11.1981 – VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 1.; vom 25.01.1990 – IV B 140/88, BFH/NV 1990, 484; und vom 14.12 2011 – XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921, Rz 22, mit zahlreichen weiteren Nachweisen[]
  11. BFH, Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 34[]