Eine nach § 52d Satz 2 FGO (noch) nicht nutzungspflichtige Prozessbevollmächtigte in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH wird nicht dadurch (im Sinne des § 52d Satz 1 FGO) nutzungspflichtig, dass ein nach § 52d Satz 1 FGO nutzungspflichtiger gesetzlicher Vertreter (§ 35 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, § 55d Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes) gegenüber dem Gericht auftritt; der Umstand, dass der handelnde Rechtsanwalt außerhalb seiner Tätigkeit als Organ der Steuerberatungsgesellschaft mbH über eine Zulassung zur Anwaltschaft verfügt, führt zu keinem anderen Ergebnis[1]..

Das Niedersächsische Finanzgericht hatte eine solche, nicht über das beA des Geschäftsführers der Steuerberatungsgesellschaft erhobene Klage als unzulässig abgewiesen[2]. Es entschied, die Klage sei entgegen §§ 52a, 52d FGO nicht innerhalb der Klagefrist als elektronisches Dokument übermittelt worden. Im Zeitpunkt der Klageerhebung habe eine Pflicht zur Nutzung des beA für alle natürlichen Personen, die als Rechtsanwälte zugelassen waren, bestanden. Der für die Prozessbevollmächtigte tätige Rechtsanwalt X, der die Klageschrift unterzeichnet hatte, sei verpflichtet gewesen, das beA zur Erhebung der Klage zu nutzen. Die Berufsausübungspflichten des Rechtsanwalts seien nicht teilbar; er unterliege als Gesellschafter-Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft mbH ebenso der Nutzungspflicht wie als Rechtsanwalt in einer Einzelpraxis. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist gemäß § 56 Abs. 1 FGO seien nicht gegeben.
Hiergegen richtet sich die vom Finanzgericht zugelassene Revision der Klägerin. Sie macht geltend, die Klage habe durch ihre Prozessbevollmächtigte im Jahr 2022 noch wirksam per Telefax eingereicht werden können, da eine Steuerberatungsgesellschaft mbH zum damaligen Zeitpunkt nach § 52d Satz 2 FGO noch nicht nutzungspflichtig gewesen sei, auch wenn deren angestellter Geschäftsführer als Rechtsanwalt zugelassen war. Zur weiteren Begründung bezieht sich die Klägerin auf das Zwischenurteil des Bundesfinanzhofs vom 25.10.2022[3]. Hilfsweise könne sie Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist beanspruchen, da das Finanzgericht seine Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 FGO verletzt habe.
Das Bundesfinanzhof sah die Revision als begründet an, hob die Vorentscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts auf und verwies die Sache zurück an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO):
Das Niedersächsische Finanzgericht hat die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. In einem solchen Fall ist die Sache regelmäßig zurückzuverweisen, da sich das Finanzgericht mit dem inhaltlichen Vorbringen der Beteiligten nicht befasst hat und im Übrigen der Bundesfinanzhof mangels hinreichender Feststellungen nicht abschließend in der Sache entscheiden kann[4].
Die Klägerin hat am 12.07.2022 in zulässiger Weise per Telefax Klage erhoben.
Nach § 52d Satz 1 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die zum 01.01.2022 in Kraft getretene und in allen durch die Finanzgerichtsordnung eröffneten Verfahren geltende Vorschrift verpflichtet unter anderem Rechtsanwälte, welche nach § 31a der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) i.d.F. des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015[5] ein beA unterhalten müssen, (vorbereitende und) bestimmende Schriftsätze unter Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs als elektronisches Dokument zu übermitteln[6].
Gleiches gilt zwar nach § 52d Satz 2 FGO für die nach § 62 Abs. 2 FGO vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht[7]. Für Berufsausübungsgesellschaften in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH ist allerdings erst seit dem 01.01.2023 von der Bundessteuerberaterkammer ein sicherer Übermittlungsweg in Gestalt des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs, kurz beSt, eingerichtet (§ 86e StBerG). Zwar sind Steuerberater bereits seit dem 01.01.2018 verpflichtet, einen sicheren Übertragungsweg nach § 130a Abs. 4 ZPO für Zustellungen seitens des Gerichts einzurichten (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 174 Abs. 3 Satz 4 ZPO i.d.F. des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013, BGBl I 2013, 3786); eine Verpflichtung für Steuerberater, mit dem Gericht vollumfänglich elektronisch zu kommunizieren, war damit indes noch nicht verbunden[8].
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist daher als Steuerberatungsgesellschaft mbH nach § 52d Satz 2 FGO grundsätzlich erst seit dem 01.01.2023 zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs und zur Übermittlung (vorbereitender und) bestimmender Schriftsätze sowie schriftlich einzureichender Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument verpflichtet. Im Zeitpunkt der Klageerhebung konnten Schriftsätze von ihr auch noch „schriftlich“ -das heißt in Schriftform (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO), oder, wie im Streitfall, per Telefax- übermittelt werden[9].
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Streitfall durch einen gesetzlichen Vertreter (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 55d Abs. 2 StBerG) gehandelt hat, der neben seiner (nichtselbständigen) Tätigkeit als Geschäftsführer der Prozessbevollmächtigten eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (Verpflichtung nach § 52d Satz 1 FGO seit dem 01.01.2022) besitzt und in dieser Form („X, Rechtsanwalt & Fachanwalt für Steuerrecht“) die Klageschrift unterzeichnet hat.
Zwar sind Rechtsanwälte, die -als natürliche Person (Einzelanwalt)- im Verzeichnis (§ 31 BRAO) der für sie zuständigen Rechtsanwaltskammer eingetragen sind und für die von der Bundesrechtsanwaltskammer ein beA (§ 31a Abs. 1 BRAO) eingerichtet worden ist, nach § 52d Satz 1 FGO seit dem 01.01.2022 nutzungspflichtig[10]. Vor diesem Hintergrund sind auch Steuerberater, die zugleich eine Zulassung als Rechtsanwalt besitzen (und damit ein beA unterhalten), jedenfalls dann ebenfalls nach § 52d Satz 1 FGO ab dem 01.01.2022 nutzungspflichtig, wenn sie als Prozessbevollmächtigte auftreten und ein bei Gericht eingereichtes Dokument in entsprechender Weise unterzeichnen[11].
Auch „gemischte“ Berufsausübungsgesellschaften, bei denen neben Steuerberatern auch andere Berufsträger (Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Notare) tätig sind und die neben steuerlichen Beratungsleistungen auch Dienstleistungen anbieten, die über die Befugnisse des § 3 StBerG hinausgehen, können nach § 52d Satz 1 FGO seit dem 01.01.2022 nutzungspflichtig sein, wenn ein verantwortlicher, im Briefkopf der Berufsausübungsgesellschaft namentlich aufgeführter Berufsträger mit Mehrfachzulassung („Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater“) einen (vorbereitenden oder) bestimmenden Schriftsatz an das Gericht übermittelt; ein solches Dokument darf nach dem 31.12.2021 nicht mehr schrift(sätz)lich oder per Telefax, sondern nur noch elektronisch bei Gericht eingereicht werden[12].
Etwas anderes gilt jedoch für einen Fall wie den vorliegenden, wenn eine Steuerberatungsgesellschaft mbH, die keine Dienstleistungen anbietet, die über die Befugnisse des § 3 StBerG hinausgehen, durch ihren gesetzlichen Vertreter (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 55d Abs. 2 StBerG) handelt. Eine nach § 52d Satz 2 FGO (noch) nicht nutzungspflichtige Prozessbevollmächtigte in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH wird nicht dadurch (im Sinne des § 52d Satz 1 FGO) nutzungspflichtig, dass für sie ein gesetzlicher Vertreter handelt, der in seiner beruflichen Funktion als Rechtsanwalt nach § 52d Satz 1 FGO nutzungspflichtig wäre, wenn er als solcher selbst dem Gericht gegenüber auftreten würde[13]. Der Umstand, dass der handelnde Gesellschafter-Geschäftsführer außerhalb seiner Tätigkeit für die Steuerberatungsgesellschaft mbH über eine Zulassung zur Anwaltschaft nach den Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsordnung verfügt, führt zu keinem anderen Ergebnis[14].
Nach diesen Grundsätzen konnte die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte als nach § 52d Satz 2 FGO bis einschließlich 31.12.2022 noch nicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs verpflichtete Person die Klageschrift in zulässiger Weise -wie im Streitfall- per Telefax übermitteln. Die berufliche Qualifikation des Rechtsanwalts X, der im Streitfall nicht als solcher selbst dem Finanzgericht gegenüber aufgetreten ist, sondern als angestellter Geschäftsführer und Organ der prozessbevollmächtigten Steuerberatungsgesellschaft mbH für diese gehandelt hat, tritt hinter § 52d Satz 2 FGO zurück. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass der Geschäftsführer der Prozessbevollmächtigten den Klageschriftsatz mit „Rechtsanwalt & Fachanwalt für Steuerrecht“ gezeichnet hat.
Der Bundesfinanzhof weicht damit nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts ab.
Soweit der Bundesgerichtshof[15] die Nutzungspflicht des jeweils betreffenden Rechtsanwalts bejaht hat, ist dies mit einem Rechtsanwalt und Steuerberater, der (auch) als Rechtsanwalt zeichnet, vergleichbar, nicht jedoch mit einem Rechtsanwalt, der -wie vorliegend- als gesetzlicher Vertreter einer prozessbevollmächtigten Steuerberatungsgesellschaft mbH handelt.
Soweit das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 23.05.2023[16] die Nutzungspflicht eines Syndikusanwalts, der für einen Verband erlaubte Rechtsdienstleistungen gegenüber den Verbandsmitgliedern erbringt, bejaht hat, hat es sich -mangels vergleichbarer Ausgangslage- von dem Zwischenurteil des Bundesfinanzhofs vom 25.10.2022[17] -zu einer Steuerberatungsgesellschaft mbH, die, wie vorliegend, durch ihren als Rechtsanwalt zugelassenen gesetzlichen Vertreter handelte- ausdrücklich abgegrenzt und insoweit eine Abweichung selbst ausgeschlossen[18].
Soweit das BAG mit Beschluss vom 21.09.2023[19] die Nutzungspflicht eines Verbandsvertreters, der nicht als Syndikusanwalt zugelassen ist, selbst für den Fall verneint hat, dass dieser außerhalb des Arbeitsverhältnisses zum Verband über eine Zulassung als Rechtsanwalt verfügt, stimmt dies mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs überein.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. Oktober 2023 – XI R 39/22
- Anschluss an BFH, Zwischenurteil vom 25.10.2022 – IX R 3/22, BFHE 278, 21, BStBl II 2023, 267; und BAG, Beschluss vom 21.09.2023 – 10 AZR 512/20[↩]
- Nds. FG, Gerichtsbescheid vom 18.11.2022 – 3 K 175/22[↩]
- BFH, Zwischenurteil vom 25.10.2022 – IX R 3/22, BFHE 278, 21, BStBl II 2023, 267[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 04.07.2007 – VIII R 77/05, BFH/NV 2008, 53, unter II. 3.b; vom 22.06.2016 – V R 49/15, BFH/NV 2016, 1754, Rz 23[↩]
- BGBl I 2015, 2517[↩]
- Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 52d FGO Rz 10, 26[↩]
- Schallmoser in HHSp, § 52d FGO Rz 14[↩]
- vgl. BFH, Zwischenurteil vom 25.10.2022 – IX R 3/22, BFHE 278, 21, BStBl II 2023, 267, Rz 15[↩]
- vgl. BFH, Zwischenurteil vom 25.10.2022 – IX R 3/22, BFHE 278, 21, BStBl II 2023, 267, Rz 16; Schallmoser in HHSp, § 52d FGO Rz 15, dritter Spiegelstrich[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 23.08.2022 – VIII S 3/22, BFHE 276, 566, BStBl II 2023, 83; FG Münster, Beschluss vom 22.02.2022 – 8 – V 2/22, EFG 2022, 592, rechtskräftig; Schallmoser in HHSp, § 52d FGO Rz 13[↩]
- vgl. BFH, Zwischenurteil vom 25.10.2022 – IX R 3/22, BFHE 278, 21, BStBl II 2023, 267, Rz 18, m.w.N.; BFH, Beschluss vom 23.08.2022 – VIII S 3/22, BFHE 276, 566, BStBl II 2023, 83, Rz 3; Schallmoser in HHSp, § 52d FGO Rz 15, vierter Spiegelstrich[↩]
- vgl. FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12.07.2022 – 4 – V 1340/22, EFG 2022, 1547; vgl. Schallmoser in HHSp, § 52d FGO Rz 15, fünfter Spiegelstrich[↩]
- vgl. BFH, Zwischenurteil vom 25.10.2022 – IX R 3/22, BFHE 278, 21, BStBl II 2023, 267, Rz 21; zu einer Berufsausübungsgesellschaft in Gestalt einer steuerberatenden Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung vgl. Hess. FG, Urteil vom 10.05.2022 – 4 K 214/22, EFG 2022, 1772[↩]
- vgl. auch BAG, Beschluss vom 21.09.2023 – 10 AZR 512/20, BB 2023, 2419[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 24.11.2022 – IX ZB 11/22, MDR 2023, 189, zu einem anwaltlichen Insolvenzverwalter; vom 31.01.2023 – XIII ZB 90/22, FamRZ 2023, 719, zu einem anwaltlichen Verfahrenspfleger; und vom 31.05.2023 – XII ZB 428/22, MDR 2023, 1133, zu einem anwaltlichen Berufsbetreuer[↩]
- BAG, Beschluss vom 23.05.2023 – 10 AZB 18/22, BB 2023, 1395[↩]
- BFH, Beschluss vom 25.10.2022 – IX R 3/22, BFHE 278, 21, BStBl II 2023, 267[↩]
- BAG, Beschluss vom 23.05.2023 – 10 AZB 18/22, BB 2023, 1395, Rz 37[↩]
- BAG. vom 21.09.2023 – 10 AZR 512/20, BB 2023, 2419[↩]







