Erbschaftsteuer und die zwangsweise Veräußerung einer Freiberufler-Einzelpraxis

Eine Betriebsveräußerung innerhalb der in § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. bestimmten Behaltensfrist von fünf Jahren führt auch dann zum Wegfall der Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG a.F., wenn sie aufgrund gesetzlicher Anordnung erfolgt. Dies gilt nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs auch für die Veräußerung der Praxis eines Freiberuflers (im entschiedenen Fall die Praxis eines Arztes), wenn die Erben mangels persönlicher Qualifikation diesen freien Beruf nicht ausüben dürfen.

Erbschaftsteuer und die zwangsweise Veräußerung einer Freiberufler-Einzelpraxis

Der Freibetrag des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG und der verminderte Wertansatz nach dessen Abs. 2 werden unter anderem gewährt, wenn inländisches Betriebsvermögen im Sinne des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG beim Erwerb von Todes wegen auf den Erwerber übergeht. Inländisches Betriebsvermögen im Sinne des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG ist, wie sich aus dem Verweis dieser Vorschrift auf § 12 Abs. 5 ErbStG ergibt, auch das einem freien Beruf dienende Vermögen (§ 12 Abs. 5 Satz 2 ErbStG i.V.m. § 96 BewG). Das Betriebsvermögen bei freiberuflicher Tätigkeit im Sinne des § 96 BewG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG umfasst insoweit die Wirtschaftsgüter, die der Ausübung des freien Berufs dienen[1].

Das freiberuflich genutzte Betriebsvermögen des verstorbenen Arztes hat diese Eigenschaft nicht durch seinen Tod verloren. Ertragsteuerlich wird beim Tod eines Freiberuflers dessen Betrieb nicht zwangsweise aufgegeben, sondern geht trotz der höchstpersönlichen Natur der Tätigkeit als freiberuflicher Betrieb auf die Erben über[2]. Das Betriebsvermögen wird nicht zwangsläufig notwendiges Privatvermögen[3]; denn die mit dem Tod des Freiberuflers verbundene Betriebseinstellung ist noch keine Betriebsaufgabe[4]. Diese Beurteilung ist auch für die Betriebsvermögenseigenschaft im Sinne des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG maßgebend. Der Fortbestand der Qualität als Betriebsvermögen hängt bei dessen Erwerb von einem Freiberufler nicht tätigkeitsbezogen davon ab, dass der Erbe auch die freiberufliche Tätigkeit des Erblassers fortsetzt. § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG in Verbindung mit Abs. 4 Nr. 1 ErbStG stellt wegen der Anknüpfung an den Erwerb von Betriebsvermögen vielmehr allein betriebsbezogen auf die Aufrechterhaltung und Weiterführung des Betriebs des Erblassers ab[5].

Nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 ErbStG fallen der Freibetrag oder Freibetragsanteil nach Abs. 1 der Vorschrift und der verminderte Wertansatz nach deren Abs. 2 mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb u.a. einen Gewerbebetrieb oder einen Teilbetrieb oder einen Anteil an einer Gesellschaft i.S. des § 18 Abs. 4 EStG veräußert. Der Gesetzeswortlaut des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG erfasst zwar die freiberufliche Einzelpraxis nicht. Da § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG aber erkennbar an § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG anknüpft, ist dem Gesetzgeber bei der Abfassung des Abs. 5 Nr. 1 offensichtlich ein Redaktionsversehen unterlaufen[6]. Das Gesetz kann schon aus systematischen Gründen nicht in dem Sinne verstanden werden, dass die Veräußerung einer freiberuflichen Einzelpraxis vom Anwendungsbereich des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ausgeschlossen wäre. Vielmehr ergibt sich aus der in § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. § 96 BewG angeordneten Gleichbehandlung des freiberuflichen und gewerblichen Betriebsvermögens, dass auch freiberufliche Einzelpraxen von § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG erfasst werden[7].

§ 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ist, so der Bundesfinanzhof in seinen Urteilsgründen weiter, auch nicht in Fällen, in denen die Veräußerung zwangsweise oder sogar kraft gesetzlicher Anordnung erfolgt, teleologisch zu reduzieren. Eine solche Notwendigkeit ergibt sich weder aus dem Sinn und Zweck des § 13a ErbStG noch unter dem Gesichtspunkt einer verfassungskonformen Auslegung[8].

§ 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG stellt seinem Wortlaut nach alleine auf die Veräußerung des entsprechenden Betriebsvermögens ab; die Norm enthält danach keinen Anhalt, dass zwangsweise veranlasste Betriebsvermögensveräußerungen von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sein könnten.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 13a ErbStG. Der Gesetzgeber hat sich bei der Schaffung des § 13a ErbStG von den Vorgaben leiten lassen, welche das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem zur Erbschaftsteuer[9] aufgestellt hat. Danach sei –so das Bundesverfassungsgericht– der Gesetzgeber verpflichtet, bei der Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen die durch Gemeinwohlbindungen und -verpflichtungen verminderte finanzielle Leistungsfähigkeit der Betriebe zu berücksichtigen und die Belastung so zu bemessen, dass die Fortführung des Betriebs steuerlich nicht gefährdet werde. Diesen Vorgaben ist der Gesetzgeber nachgekommen, indem er sich in § 13a ErbStG grundsätzlich für die Gewährung von Steuervergünstigungen entschieden hat, wenn und soweit der Betrieb in seinem Bestand fortgeführt wird[10]. Danach ist nur solches Betriebsvermögen begünstigt, das diese Eigenschaft durchgehend sowohl beim bisherigen Rechtsträger als auch beim neuen Rechtsträger (Erwerber) aufweist[11].

Mit diesen Vorgaben wäre es unvereinbar, wenn statt auf die Fortführung des Betriebs durch den Erwerber auf die Motive bei der Veräußerung abgestellt würde. Denn durch § 13a ErbStG soll nur erreicht werden, dass eine Betriebsfortführung durch den Erwerber nicht aus Gründen der Erbschaftsteuerbelastung scheitert. Der Bundesfinanzhof hat im Übrigen bereits für den Fall der zwangsweisen Auflösung einer GmbH durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen entschieden[12], dass der Anwendungsbereich des § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 Alternative 1 ErbStG nicht durch teleologische Reduktion auf Fälle zu beschränken ist, in denen die Auflösung der Kapitalgesellschaft freiwillig erfolgt, und ferner zu § 13 Abs. 2a Satz 3 ErbStG a.F. ausgeführt[13], dass der Wegfall der Steuerbefreiung unabhängig davon eintritt, aus welchen Gründen das begünstigt erworbene Betriebsvermögen veräußert oder der Betrieb aufgegeben wurde. Dies hat der Bundesfinanzhof zuletzt auch in seinem Urteil in BStBl II 2009, 305, BFH/NV 2010, 539 für § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG bestätigt und betont, dass die Norm nicht auf die Gründe abstellt, die zu einer Entnahme geführt haben. Es ist nicht erkennbar, warum für § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG angesichts seines alleine auf die Veräußerung abstellenden Wortlauts etwas anderes gelten sollte.

In der nicht auf die Gründe für die Betriebsveräußerung abstellenden Ausgestaltung des § 13a Abs. 5 ErbStG liegt auch keine verfassungsrechtlich unzulässige Typisierung, die zu einer einengenden verfassungskonformen Auslegung Anlass geben könnte[14].

Bundesfinanzhof, Urteil vom 17. März 2010 – II R 3/09

  1. vgl. BFH, Urteil vom 27.05.2009 – II R 53/07, BFHE 225, 493, BStBl II 2009, 852[]
  2. vgl. BFH, Urteile vom 29.04.1993 – IV R 16/92, BFHE 171, 385, BStBl II 1993, 716; und vom 15.11.2006 – XI R 6/06, BFH/NV 2007, 436[]
  3. BFH, Urteile vom 12.03.1992 – IV R 29/91, BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36; und in BFH/NV 2007, 436[]
  4. BFH, Urteil in BFH/NV 2007, 436[]
  5. BFH, Urteil in BFHE 225, 493, BStBl II 2009, 852[]
  6. vgl. FG Hamburg, Urteil vom 04.09.2007 – 3 K 91/06, EFG 2008, 700[]
  7. vgl. bereits BFH, Urteil in BFHE 225, 493, BStBl II 2009, 852; R 63 Abs. 1 Satz 3 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003; Weinmann in Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, § 13a Rz 108; Wachter in Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG Kommentar, § 13a Rz 211; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rz 221; Philipp in Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 3. Aufl., § 13a ErbStG Rz 73; Fumi, EFG 2009, 425, 426; offen gelassen von Söffing in Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 13a Rz 136[]
  8. ebenso im Ergebnis Jülicher, a.a.O., § 13a Rz 166; Wachter, a.a.O.; Fumi, a.a.O.[]
  9. BVerfG, Beschluss vom 22.06.1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165[]
  10. vgl. BFH, Urteil vom 11.11.2009 – II R 63/08, BStBl II 2009, 305, BFH/NV 2010, 539[]
  11. BFH, Urteile vom 14.02.2007 – II R 69/05, BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443; vom 10.12.2008 – II R 34/07, BFHE 224, 144, BStBl II 2009, 312; und in BFHE 225, 493, BStBl II 2009, 852[]
  12. BFH, Urteil vom 21.03.2007 – II R 19/06, BFH/NV 2007, 1321[]
  13. BFH, Urteil vom 16.02.2005 – II R 39/03, BFHE 209, 143, BStBl II 2005, 571[]
  14. vgl. BFH, Urteil in BFHE 209, 143, BStBl II 2005, 571[]