Bei der Ausgliederung zur Aufnahme durch Übertragung eines Teils oder von Teilen jeweils als Gesamtheit auf einen bestehenden oder mehrere bestehende Rechtsträger (übernehmende Rechtsträger) nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 123 Abs. 3 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes muss die fünfjährige Vorbehaltensfrist im Sinne des § 6a Satz 4 des Grunderwerbsteuergesetzes eingehalten werden. Anders als bei der Ausgliederung zur Neugründung entsteht die ausgegliederte Gesellschaft nicht durch die Umwandlung neu, sondern bestand bereits vor der Umwandlung. Die Einhaltung der fünfjährigen Vorbehaltensfrist wäre faktisch möglich gewesen.
Nach § 6a Satz 1 GrEStG wird für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Abs. 2, 2a, 3 oder Abs. 3a steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Umwandlungsgesetzes (UmwG), einer Einbringung oder eines anderen Erwerbsvorgangs auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage die Steuer nicht erhoben. Satz 1 gilt auch für entsprechende Umwandlungen, Einbringungen sowie andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage aufgrund des Rechts eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staats, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet (§ 6a Satz 2 GrEStG). Satz 1 gilt nur, wenn an dem dort genannten Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG). Im Sinne von Satz 3 abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a Satz 4 GrEStG).
§ 6a GrEStG setzt voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang eine oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften i.S. des § 6a Satz 3 i.V.m. Satz 4 GrEStG beteiligt sind. § 6a Sätze 3 und 4 GrEStG verlangen dem Wortlaut nach den Bestand des dort bestimmten Abhängigkeitsverhältnisses innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem Umwandlungsvorgang (Vorbehaltensfrist) und fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (Nachbehaltensfrist). Umwandlungsvorgänge, bei denen eine beteiligte Gesellschaft erlischt oder neu entsteht, fallen nach dem Wortlaut des § 6a Sätze 3 und 4 GrEStG nicht in den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG. Eine vor oder nach der Umwandlung nicht existente Gesellschaft kann die in § 6a Satz 4 GrEStG bestimmten zeitlichen Voraussetzungen der Abhängigkeit aus rechtlichen Gründen nicht erfüllen, mit der Folge, dass entgegen den Anforderungen des § 6a Satz 3 GrEStG an dem Umwandlungsvorgang auch (mindestens) eine Gesellschaft beteiligt wäre, die mangels Einhaltung der Nachbehaltensfrist (im Falle des Erlöschens) bzw. der Vorbehaltensfrist (im Falle der Neugründung) nicht von dem herrschenden Unternehmen „abhängig“ wäre[1]. Die in § 6a Satz 4 GrEStG genannten Fristen müssen nur insoweit eingehalten werden, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Bei Umwandlungsvorgängen zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen muss in Fällen der Verschmelzung nur die Vorbehaltensfrist und in Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung nur die Nachbehaltensfrist eingehalten werden. Das gilt bei der Verschmelzung sowohl für die Verschmelzung auf die abhängige Gesellschaft als auch für die Verschmelzung auf das herrschende Unternehmen. Die Nachbehaltensfrist muss bei der Verschmelzung und die Vorbehaltensfrist bei der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung nicht eingehalten werden, um die Steuerbegünstigung zu erlangen[2]. Die Nichteinhaltung der Vorbehaltens- oder Nachbehaltensfrist muss auf umwandlungsbedingten Gründen beruhen. Bei einer Ausgliederung zur Neugründung kann die Vorbehaltensfrist umwandlungsbedingt nicht eingehalten werden, weil die neu gegründete Gesellschaft erst durch die Ausgliederung entsteht. Bei der Ausgliederung zur Aufnahme durch Übertragung eines Teils oder von Teilen jeweils als Gesamtheit auf einen bestehenden oder mehrere bestehende Rechtsträger (übernehmende Rechtsträger) nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG entsteht die ausgegliederte Gesellschaft nicht durch die Umwandlung neu. Vielmehr haben beide an dem Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften schon vor der Ausgliederung bestanden. Die Vorbehaltensfrist kann in einem solchen Fall eingehalten werden. Deshalb ist -entgegen der klägerischen Auffassung- eine Auslegung des § 6a Satz 4 GrEStG dahingehend, dass auch dann, wenn bei einer Ausgliederung zur Aufnahme das abhängige Unternehmen erst innerhalb der fünfjährigen Vorbehaltensfrist gegründet und im Anschluss innerhalb dieses Zeitraums auf diese Gesellschaft Vermögen im Wege der Aufnahme übertragen wurde, die Vorbehaltensfrist nicht eingehalten werden muss, nicht möglich. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ist nicht gegeben, da es sich bei Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns, bei denen die Vorbehaltensfrist umwandlungsbedingt eingehalten und bei solchen, in denen dies lediglich faktisch nicht möglich ist, um nicht vergleichbare Sachverhalte handelt.
Der BFH hat zwischenzeitlich aber eindeutig entschieden[3], dass die Vorbehaltensfrist nur in den Fällen nicht einzuhalten ist, in denen dies umwandlungsbedingt nicht möglich ist. Dies gilt bei Ausgliederungen nur für solche zur Neugründung, bei der im Rahmen der Ausgliederung die aufnehmende Gesellschaft neu entsteht, nicht aber für Ausgliederungen zur Aufnahme, wo die aufnehmende Gesellschaft bereits vor der Ausgliederung existierte.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 3. Mai 2023 – II B 27/22
- BFH, Urteil vom 21.08.2019 – II R 21/19 (II R 56/15), BFHE 266, 361, BStBl II 2020, 344, Rz 17 ff.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 266, 361, BStBl II 2020, 344, Rz 27[↩]
- BFH, Urteile vom 21.08.2019 – II R 19/19 (II R 63/14), BFHE 266, 343, BStBl II 2020, 337, Rz 34 f., und in BFHE 266, 361, BStBl II 2020, 344, Rz 26 ff.[↩]

