Die in § 36 Abs. 3 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.d.F. des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (WElektroMobFördG) angeordnete rückwirkende Geltung des § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG ab dem Erhebungszeitraum 2009 verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot (Art.20 Abs. 3 des Grundgesetzes).
Die rückwirkende Änderung des § 7 Satz 3 GewStG ab dem Erhebungszeitraum 2009 ist mithin verfassungsgemäß.
Nach §§ 10 und 14 GewStG ist für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags der Gewerbeertrag des Erhebungszeitraums maßgeblich. Gewerbeertrag ist nach § 7 Satz 1 GewStG der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes beziehungsweise des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Gemäß § 7 Satz 3 GewStG n.F. gelten der nach § 5a EStG ermittelte Gewinn einschließlich der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4 und Abs. 4a EStG und das nach § 8 Abs. 1 Satz 3 KStG ermittelte Einkommen als Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG. Nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG ist die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen nach § 8 GewStG um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens zu kürzen, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte dieses Unternehmens entfällt. Nach Satz 2 der Vorschrift gelten bei Unternehmen, die ausschließlich den Betrieb von eigenen oder gecharterten Handelsschiffen im internationalen Verkehr zum Gegenstand haben, 80 % des Gewerbeertrags als auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfallend.
§ 7 Satz 3 GewStG n.F. normiert einen fiktiven Gewerbeertrag, der weder um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG vermehrt noch um Kürzungen nach § 9 GewStG vermindert werden darf[1]. Der tatbestandliche Anwendungsbereich dieser Norm ist nicht nur dann eröffnet, wenn -wie im Streitfall- der Gewinn in dem maßgeblichen Erhebungszeitraum pauschal nach § 5a EStG ermittelt wird, sondern auch dann, wenn er wieder durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt wird, aber gleichwohl Unterschiedsbeträge nach § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG hinzuzurechnen sind. Denn der Gesetzgeber wollte mit dem in § 7 Satz 3 GewStG n.F. verwendeten Begriff „einschließlich“ nicht zum Ausdruck bringen, dass nur der während der Tonnagegewinnermittlung (§ 5a Abs. 1 EStG) nach § 5a Abs. 4 EStG hinzuzurechnende Unterschiedsbetrag Bestandteil des fiktiven Gewerbeertrags ist. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit dieser Gesetzesänderung dem BFH-Urteil vom 25.10.2018[2] den Boden entziehen wollte[3]. Nach diesem Urteil unterfällt der Gewinn aus der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags gemäß § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 bis 3 EStG nicht der Fiktion des Gewerbeertrags gemäß § 7 Satz 3 GewStG, sodass er -bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen- nach § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG um 80 % gekürzt werden kann. Dieses Urteil betraf einen Erhebungszeitraum, in dem der Gewinn wieder durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt wurde. Danach ist der Begriff „einschließlich“ dahin zu verstehen, dass der Hinzurechnungsbetrag nach § 5a Abs. 4 EStG stets und unabhängig davon, nach welcher Methode der Gewinn ermittelt wird, als Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG gilt.
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist die vom Gesetzgeber in § 36 Abs. 3 Satz 1 GewStG n.F. angeordnete rückwirkende Geltung des § 7 Satz 3 GewStG n.F. ab dem Erhebungszeitraum 2009 verfassungsgemäß. Sie verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot (Art.20 Abs. 3 GG).
Die rückwirkende Anwendung des § 7 Satz 3 GewStG n.F. stellt zwar für das Streitjahr sowohl in formaler als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht eine echte Rückwirkung beziehungsweise Rückbewirkung von Rechtsfolgen dar. Diese ist aber verfassungsrechtlich ausnahmsweise gerechtfertigt. Die von dem Kläger erhobenen Einwände greifen nicht durch.
Die Regelung in § 36 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 7 Satz 3 GewStG n.F. ist unter Anwendung der verfassungsrechtlich geklärten Maßstäbe in formaler und materiell-rechtlicher Hinsicht als Anwendungsfall einer echten Rückwirkung beziehungsweise einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen anzusehen.
Eine Rechtsnorm stellt formal eine echte Rückwirkung beziehungsweise eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen dar, wenn ihre Rechtsfolge schon für vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll[4]. Danach liegt im Steuerrecht eine echte Rückwirkung beziehungsweise eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen nur vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert. Für den Bereich des Gewerbesteuerrechts bedeutet dies, dass die Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden Erhebungszeitraum jedenfalls in formaler Hinsicht der Kategorie der unechten Rückwirkung beziehungsweise der tatbestandlichen Rückanknüpfung zuzuordnen ist[5]; denn nach § 38 AO i.V.m. § 18 GewStG entsteht die Gewerbesteuer erst mit dem Ablauf des Erhebungszeitraums; Erhebungszeitraum ist regelmäßig das Kalenderjahr (§ 14 Satz 2 GewStG). Hingegen sind Änderungen mit Wirkung für Zeiträume vor dem laufenden Erhebungszeitraum als echte Rückwirkung anzusehen[6].
Die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Verbots von Gesetzen mit echter Rückwirkung beanspruchen Geltung, wenn eine Regelung aus verfassungsrechtlicher Sicht gegenüber der alten Rechtslage als konstitutive Änderung zu behandeln ist. Ob eine rückwirkende Gesetzesänderung gegenüber dem alten Recht deklaratorisch oder konstitutiv wirkt, hängt vom Inhalt des alten und des neuen Rechts ab, der -abgesehen von eindeutigen Gesetzesformulierungen- zumeist erst durch Auslegung ermittelt werden muss. Die in der Begründung eines Gesetzentwurfs vertretene Auffassung, die Vorschrift habe lediglich klarstellenden Charakter, ist für die Gerichte nicht verbindlich. Sie schränkt weder die Kontrollrechte und -pflichten der Fachgerichte und des Bundesverfassungsgerichts ein, noch relativiert sie die für sie maßgeblichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe[7]. Eine rückwirkende Klärung der Rechtslage durch den Gesetzgeber ist in jedem Fall als konstitutiv rückwirkende Regelung anzusehen, wenn der Gesetzgeber damit nachträglich einer höchstrichterlich geklärten Auslegung des Gesetzes den Boden zu entziehen sucht. Der Gesetzgeber hat es für die Vergangenheit grundsätzlich hinzunehmen, dass die Gerichte das damals geltende Gesetzesrecht in den verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung und Rechtsfortbildung verbindlich auslegen. Entspricht diese Auslegung nicht oder nicht mehr dem politischen Willen des Gesetzgebers, kann er das Gesetz für die Zukunft ändern[8].
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen liegt hier in formaler Hinsicht eine echte Rückwirkung beziehungsweise Rückbewirkung von Rechtsfolgen vor.
§ 36 Abs. 3 Satz 1 GewStG n.F. ordnet die Geltung des § 7 Satz 3 GewStG n.F. erstmals für den Erhebungszeitraum 2009 und damit auch für solche Zeiträume an, die im Zeitpunkt der Gesetzesverkündung am 17.12.2019 bereits abgeschlossen waren. Im Streitfall ist über den Gewerbesteuermessbetrag 2015 beziehungsweise die Gewerbesteuer 2015 und damit über eine bereits entstandene Steuerschuld für 2015 zu entscheiden.
Zudem liegt auch in materiell-rechtlicher Hinsicht eine echte Rückwirkung beziehungsweise Rückbewirkung von Rechtsfolgen vor, da die alte Rechtslage durch § 7 Satz 3 GewStG n.F. konstitutiv geändert wird.
Entgegen der im Gesetzgebungsverfahren gegebenen Begründung liegt nicht nur eine klarstellende (deklaratorische) Anpassung des Gesetzeswortlauts vor[9]. Der Bundesfinanzhof hat mit seinen Urteilen vom 25.10.2018[10] -unter Änderung seiner bis dahin geltenden Rechtsprechung- entschieden, dass der Gewinn aus der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 bis 3 EStG nicht Bestandteil der in § 7 Satz 3 GewStG genannten pauschalen Gewinnermittlung nach § 5a EStG, sondern letzter Teil der vorherigen Gewinnermittlung nach allgemeinen Grundsätzen ist. Danach gehörten die aufgelösten Unterschiedsbeträge nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht zum fiktiven Gewerbeertrag nach § 7 Satz 3 GewStG, sondern zum Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG, auf den die Hinzurechnungen und Kürzungen nach §§ 8 und 9 GewStG Anwendung finden. Wenn der Gesetzgeber mit § 7 Satz 3 GewStG n.F. die hinzugerechneten Unterschiedsbeträge ausdrücklich zum Bestandteil des fiktiven Gewerbeertrags erklärt, um die Anwendung von §§ 8 und 9 GewStG zu vermeiden, entzieht er damit der höchstrichterlichen Rechtsprechung den Boden. Es liegt mithin eine konstitutive Änderung der Rechtslage vor.
Die in den Regelungen gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 7 Satz 3 GewStG n.F. liegende echte Rückwirkung beziehungsweise Rückbewirkung von Rechtsfolgen ist unter Anwendung der verfassungsrechtlich geklärten Maßstäbe gerechtfertigt und daher verfassungsgemäß.
Die im Rechtsstaatsprinzip und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes stehen belastenden Gesetzen mit echter Rückwirkung beziehungsweise Rückbewirkung von Rechtsfolgen grundsätzlich entgegen. Das grundsätzliche Verbot echt rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Es schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte. Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes[11]. Ausgehend hiervon sind Gesetze mit echter Rückwirkung beziehungsweise mit Rückbewirkung von Rechtsfolgen grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig[12].
Von diesem grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze bestehen jedoch Ausnahmen. Das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war. Bei den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten, nicht abschließend definierten Fallgruppen handelt es sich um Typisierungen ausnahmsweise fehlenden Vertrauens in eine bestehende Gesetzeslage[13]. Insbesondere ist es dem Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht von Verfassungs wegen verwehrt, eine Rechtslage rückwirkend festzuschreiben, die vor der Rechtsprechungsänderung einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis entsprochen hat[14].
Allein die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm rechtfertigt jedoch nicht deren rückwirkende Änderung; erst wenn die Auslegungsoffenheit ein Maß erreicht, das zur Verworrenheit der Rechtslage führt, darf der Gesetzgeber eine klärende Neuregelung auf die Vergangenheit erstrecken.
Den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten Fallgruppen zu den Ausnahmen vom Verbot echt rückwirkender Gesetze ist sämtlich gemeinsam, dass besondere Umstände ein grundsätzlich berechtigtes Vertrauen in die bestehende Rechtslage erst gar nicht entstehen lassen oder entstandenes Vertrauen wieder zerstören. Die schlichte Auslegungsoffenheit und Auslegungsbedürftigkeit einer Norm und die damit bestehende Unsicherheit über deren Inhalt ist keine solche Besonderheit, die dieses grundsätzlich berechtigte Vertrauen zerstören könnte. Anderenfalls könnte sich insbesondere in den Anfangsjahren einer gesetzlichen Regelung grundsätzlich nie ein schutzwürdiges Vertrauen gegen rückwirkende Änderungen entwickeln, solange sich keine gefestigte Rechtsprechung hierzu herausgebildet hat. Eine so weitreichende Befugnis des Gesetzgebers zur Normsetzung mit echter Rückwirkung würde das durch Art.20 Abs. 3 GG geschützte Vertrauen in die geltende Rechtslage weitgehend entwerten. Außerdem würde eine über besondere Ausnahmefälle hinausgreifende Befugnis des Gesetzgebers zur rückwirkenden Präzisierung von Normen, die sich als auslegungsbedürftig erweisen, die vom Grundgesetz der rechtsprechenden Gewalt vorbehaltene Befugnis zur verbindlichen Auslegung von Gesetzen unterlaufen[15]. Da sich Auslegungsfragen gerade bei neuen Normen häufig stellen, bestünde die Gefahr, dass auf diese Weise schließlich das Regel-Ausnahme-Verhältnis bei der echten Rückwirkung in dem Sinne in sein Gegenteil verkehrt würde, dass auch sie nicht mehr grundsätzlich unzulässig bliebe, sondern -ebenso wie die unechte Rückwirkung- grundsätzlich zulässig wäre. Ein solches Ergebnis wäre mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nicht vereinbar[16].
Schließlich bleibt zu beachten, dass ein schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung allenfalls bei gefestigter, langjähriger Rechtsprechung entstehen kann[17].
Nach Anwendung dieser Grundsätze konnten der Kläger beziehungsweise die KG im Streitjahr nicht darauf vertrauen, dass der dem Gewinn nach § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG hinzuzurechnende Unterschiedsbetrag nach § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG zu kürzen ist. Denn der Gesetzgeber hat -wie im Übrigen auch zutreffend im Gesetzgebungsverfahren ausgeführt[18]– mit § 36 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 7 Satz 3 GewStG n.F. verfassungsrechtlich zulässig wieder eine belastende Rechtslage festgeschrieben, die vor den BFH-Urteilen vom 25.10.2018[19] und damit auch im Streitjahr der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Meinung der Finanzverwaltung entsprochen hat.
Nach der Neuregelung ist der dem Gewinn nach § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG hinzugerechnete Unterschiedsbetrag Teil des fingierten Gewerbeertrags nach § 7 Satz 3 GewStG n.F. Danach ist eine Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 3 GewStG ausgeschlossen. Dies führt zu einer höheren Messbetragsfestsetzung 2015 und zugleich zu einer Erhöhung der festzusetzenden Gewerbesteuer 2015.
Allerdings normiert § 7 Satz 3 GewStG n.F. wieder die Rechtslage, die nach einheitlicher Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Finanzverwaltung bis zur Rechtsprechungsänderung durch die vorbezeichneten BFH, Urteile vom 25.10.2018 gegolten hat.
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 26.06.2014[20] und damit vor dem Erhebungszeitraum 2015 (Streitjahr) erstmals ausdrücklich entschieden, dass § 7 Satz 3 GewStG in der vor Änderung durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften geltenden Fassung während der Gewinnermittlung nach der Tonnage die Kürzung des Gewinns aus der Auflösung von Unterschiedsbeträgen nach § 9 Nr. 3 GewStG ausschließt.
Dieses dogmatische Konzept, wonach gemäß § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 bis 3 EStG dem Gewinn hinzuzurechnende Unterschiedsbeträge nicht der Kürzung nach § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG unterliegen, stand aber bereits durch früher ergangene BFH, Entscheidungen fest. Zudem entsprach diese Rechtsauffassung seit dem BMF, Schreiben vom 31.08.2008[21] der Meinung der Finanzverwaltung[22].
Ausgangspunkt dieses dogmatischen Konzepts war die Erkenntnis, dass der fingierte Gewerbeertrag nach § 7 Satz 2 GewStG a.F. (= § 7 Satz 3 GewStG in der vor Änderung durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften geltenden Fassung) keinen Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) und keinen Kürzungen (§ 9 GewStG) unterliegt. So hat der Bundesfinanzhof bereits in seinen Urteilen vom 06.07.2005; und vom 06.07.2005[23] entschieden, dass im Unterschied zur Regelung in § 7 Satz 1 GewStG für den fingierten Gewerbeertrag nach § 7 Satz 2 GewStG a.F. Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und Kürzungen nach § 9 GewStG ausgeschlossen sind. Auch wenn diese Entscheidungen nicht ausdrücklich die dem Gewinn nach § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG hinzuzurechnenden Unterschiedsbeträge, sondern die dem Gewinn nach § 5a Abs. 4a Satz 3 GewStG hinzuzurechnenden Sondervergütungen betrafen, war damit der Grundstein für die fehlende Kürzungsmöglichkeit gelegt. Weiter entschied der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 13.12.2007[24], dass der Gewinn, der sich infolge der Veräußerung des Handelsschiffs aus der Hinzurechnung nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 EStG ergibt, auch dann der Gewerbesteuer unterliegt, wenn die Personengesellschaft im Zusammenhang mit dieser Veräußerung ihren Betrieb aufgibt. Auch diese Entscheidung basiert -obwohl sie sich nicht zur Frage, ob dann auch folgerichtig keine Kürzung nach § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG hätte erfolgen dürfen, hat äußern müssen- auf dem dogmatischen Konzept, dass der nach § 5a EStG ermittelte Gewinn als Gewerbeertrag fingiert wird[25]. Zu diesem Gewinn gehört eben auch der anlässlich einer Betriebsaufgabe nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 EStG hinzuzurechnende Unterschiedsbetrag. Diese Entscheidung war offensichtlich auch der Grund dafür, dass die Verwaltung ihre Meinung durch das BMF, Schreiben vom 31.08.2008[26] dahingehend geändert hat, dass aufgelöste Unterschiedsbeträge nach § 5a Abs. 4 EStG dem Gewerbeertrag nach § 7 Satz 3 GewStG in der vor Änderung durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften geltenden Fassung zuzuordnen sind. Damit konnte ab diesem Zeitpunkt von einer feststehenden Rechtslage ausgegangen werden, die besagte, dass der nach § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG dem Gewinn hinzugerechnete Unterschiedsbetrag zum fiktiven Gewerbeertrag nach § 7 Satz 3 GewStG gehört und damit nicht der Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG unterliegt.
Danach hat der Bundesfinanzhof in dem vorstehend bezeichneten Urteil vom 26.06.2014[27] lediglich die bereits herausgearbeiteten Rechtsgrundsätze angewendet und folgerichtig entschieden, dass § 7 Satz 3 GewStG in der vor Änderung durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften geltenden Fassung eine Kürzung des Gewinns aus der Auflösung von Unterschiedsbeträgen (§ 5a Abs. 4 Satz 3 EStG) nach § 9 Nr. 3 GewStG ausschließt. Das Urteil stellte daher die bloße systemkonforme Anwendung bereits entschiedener Rechtsfragen dar. Dies galt nicht nur für diejenigen Fälle, in denen der Gewinn -wie in dem dem BFH-Urteil vom 26.06.2014[27] zugrunde liegenden Fall- pauschal nach der Tonnage ermittelt wurde, sondern auch für diejenigen Fälle, in denen der Gewinn wieder durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt wurde. Dies bestätigen gerade die BFH-Urteile vom 25.10.2018[28], mit denen in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung entschieden wurde, dass der Gewinn aus der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG nicht zum fiktiven Gewerbeertrag nach § 7 Satz 3 GewStG in der vor Änderung durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften geltenden Fassung gehöre und daher der Kürzung nach § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG unterliege. Denn diese Urteile betrafen allesamt Streitjahre, in denen der Gewinn wieder durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt wurde. Hätte sich die von Rechtsprechung und Finanzverwaltung bis 2018 einheitlich abgelehnte Kürzung nach § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG nur auf Erhebungszeiträume bezogen, in denen der Gewinn pauschal nach der Tonnage gemäß § 5a Abs. 1 EStG ermittelt wurde, hätte der Bundesfinanzhof in seinen letztgenannten Urteilen aus dem Jahr 2018 nicht seine Rechtsprechung ändern müssen.
Nach alledem hat der Gesetzgeber durch die rückwirkende Änderung des § 7 Satz 3 GewStG verfassungsrechtlich zulässig nach einer höchstrichterlichen Rechtsprechungsänderung die alte, zuvor einheitlich beurteilte Rechtslage wieder hergestellt und nicht verfassungswidrig eine missliebige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu einer auslegungsbedürftigen Norm rückwirkend außer Kraft gesetzt.
Schließlich waren die BFH-Urteile vom 25.10.2018[28] nicht geeignet, ein Vertrauen des Unternehmers in den Fortbestand der dadurch geschaffenen Rechtslage entstehen zu lassen.
Dies ergibt sich schon daraus, dass diese die Rechtslage ändernden Urteile erst nach dem Streitjahr ergangen sind. Abgesehen davon existierte zu keinem Zeitpunkt eine gefestigte, langjährige höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach die dem Gewinn nach § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG hinzuzurechnenden Unterschiedsbeträge bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG in Höhe von 80 % zu kürzen waren. Die Finanzverwaltung druckte das BFH-Urteil vom 25.10.2018[29] zunächst nicht im BStBl II ab. Bereits am 07.11.2019 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften und damit die Neufassung des § 7 Satz 3 GewStG und deren rückwirkende Geltung[30]; der Bundesrat stimmte diesem Gesetz am 29.11.2019 zu[31]. § 7 Satz 3 und § 36 Abs. 3 Satz 1 GewStG n.F. traten am 18.12.2019 in Kraft (Art. 39 Abs. 1 WElektroMobFördG).
Die Ansicht, dass eine echte Rückwirkung vorliegt, verkennt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine echte Rückwirkung beziehungsweise eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen nur dann vorliegt, wenn eine Rechtsnorm nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift[32]. Im Steuerrecht ist dies erst dann der Fall, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert[33].
Die durch die Hinzurechnung von Unterschiedsbeträgen nach § 5a Abs. 4 EStG ausgelöste Gewerbesteuerschuld entsteht jedoch erst mit Ablauf des Erhebungszeitraums, in dem einer der in § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 bis 3 EStG genannten Tatbestände erfüllt ist. Der Gesetzgeber hat sich mit der Regelung in § 5a Abs. 4 EStG beim Übergang zur Gewinnermittlung nach der Tonnage gerade gegen eine sofortige Besteuerung der stillen Reserven und für deren aufgeschobene Besteuerung entschieden. Durch die Ermittlung und Feststellung des Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG wird sichergestellt, dass die bis zum Wechsel der Gewinnermittlungsart entstandenen stillen Reserven erfasst und später -erst bei Vorliegen eines der in Satz 3 genannten Hinzurechnungstatbestände- besteuert werden.
Danach ist der für die verfassungsrechtliche Prüfung maßgebliche Sachverhalt erst mit Ablauf des Erhebungszeitraums abgeschlossen, in dem der Hinzurechnungstatbestand verwirklicht wird. Dies war im Streitfall der Erhebungszeitraum 2015, nicht der Erhebungszeitraum 2005. Folgerichtig war der Prüfung des Vertrauensschutzes die im Erhebungszeitraum 2015 gegebene Rechtsüberzeugung zugrunde zu legen. Während dieses Erhebungszeitraums entsprach es aber -wie vorstehend dargestellt- gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung und der Meinung der Finanzverwaltung, dass der dem Gewinn hinzuzurechnende Unterschiedsbetrag nach § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG zum fiktiven Gewerbeertrag nach § 7 Satz 3 GewStG in der vor Änderung durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften geltenden Fassung gehört und damit nicht nach § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG zu kürzen ist.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 7. August 2024 – IV R 22/23
- BFH, Beschluss vom 15.04.2020 – IV B 9/20 (AdV), Rz 27[↩]
- BFH, Urteil vom 25.10.2018 – IV R 35/16, BFHE 263, 22, BStBl II 2022, 412[↩]
- BT-Drs.19/14909, S. 49[↩]
- vgl. z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 25.03.2021 – 2 BvL 1/11, BVerfGE 157, 177, Rz 52; und vom 30.06.2020 – 1 BvR 1679/17, 1 BvR 2190/17, BVerfGE 155, 238, Rz 129[↩]
- BVerfG, Urteil vom 10.04.2018 – 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217, Rz 137, m.w.N.[↩]
- BFH, Beschluss vom 15.04.2020 – IV B 9/20 (AdV), Rz 30[↩]
- z.B. BVerfG, Beschluss vom 12.07.2023 – 2 BvR 482/14, Rz 34, m.w.N.[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, Rz 55[↩]
- so aber der Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags in BT-Drs.19/14909, S. 49, im Anschluss an die Stellungnahme des Bundesrats, BR-Drs. 356/19 (Beschluss), S. 52 f.[↩]
- BFH, Urteile vom 25.10.2018 – IV R 35/16, BFHE 263, 22, BStBl II 2022, 412, Rz 51 ff.; vom 25.10.2018 – IV R 40/16, Rz 21 ff.; und vom 25.10.2018 – IV R 41/16, Rz 50 ff.[↩]
- z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, Rz 62 ff.; vom 25.03.2021 – 2 BvL 1/11, BVerfGE 157, 177, Rz 51[↩]
- z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 07.07.2010 – 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE 127, 61, Rz 45, m.w.N.; vom 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, Rz 63, m.w.N.[↩]
- zu diesen Fallgruppen z.B. BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, Rz 64 f., m.w.N.[↩]
- z.B. BVerfG, Beschluss vom 15.10.2008 – 1 BvR 1138/06, Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 14, 338, Rz 19, m.w.N.[↩]
- vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, Rz 67 ff.[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, Rz 71[↩]
- z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 21.07.2010 – 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369, Rz 79; vom 02.05.2012 – 2 BvL 5/10, BVerfGE 131, 20, Rz 81, m.w.N.[↩]
- BT-Drs.19/14909, S. 49 f.[↩]
- BFH, Urteile vom 25.10.2018 – IV R 35/16, BFHE 263, 22, BStBl II 2022, 412; vom 25.10.2018 – IV R 40/16; und vom 25.10.2018 – IV R 41/16[↩]
- BFH, Urteil vom 26.06.2014 – IV R 10/11, BFHE 246, 76, BStBl II 2015, 300, Rz 17 ff.[↩]
- BStBl I 2008, 956, Rz 38[↩]
- anders noch BMF, Schreiben vom 24.06.1999, BStBl I 1999, 672, Rz 33; vom 12.06.2002, BStBl I 2002, 614, Rz 38[↩]
- BFH, Urteile vom 06.07.2005 – VIII R 72/02, BFHE 221, 235, BStBl II 2010, 828, unter III. [Rz 12 ff.]; und vom 06.07.2005 – VIII R 74/02, BFHE 210, 323, BStBl II 2008, 180, unter III. 1.[↩]
- BFH, Urteil vom 13.12.2007 – IV R 92/05, BFHE 220, 482, BStBl II 2008, 583, unter II.[↩]
- BFH, Urteil vom 13.12.2007 – IV R 92/05, BFHE 220, 482, BStBl II 2008, 583, unter II. 2.a[↩]
- BMF, Schreiben vom 31.08.2008, BStBl I 2008, 956, Rz 38[↩]
- BFH, Urteil vom 26.06.2014 – IV R 10/11, BFHE 246, 76, BStBl II 2015, 300[↩][↩]
- BFH, Urteile vom 25.10.2018 – IV R 35/16, BFHE 263, 22, BStBl II 2022, 412; vom 25.10.2018 – IV R 40/16; und vom 25.10.2018 – IV R 41/16[↩][↩]
- BFH, Urteil vom 25.10.2018 – IV R 35/16[↩]
- Plenarprotokoll 19/124, S. 15383, 15400[↩]
- BR-Drs. 552/19 (Beschluss) (neu), S. 1[↩]
- z.B. BVerfG, Beschluss vom 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, Rz 42, m.w.N.[↩]
- z.B. BVerfG, Beschluss vom 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, Rz 44, m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 12.07.2023 – 2 BvR 482/14, Rz 33, m.w.N.[↩]


