Ein finanzgerichtliches Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, wenn das Finanzamt im Laufe des Revisionsverfahrens die streitbefangene Steuerfestsetzung ändert, da der geänderte Bescheid an die Stelle des angegriffenen Bescheids getreten ist.
Der Änderungsbescheid ist in entsprechender Anwendung des § 68 FGO i.V.m. § 121 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden.
§ 68 FGO regelt, dass der neue Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens wird, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Diese Situation kann im Fall der Sprungklage nicht eintreten, denn es gibt keine Einspruchsentscheidung, sondern nur eine Klage und die Zustimmungserklärung des Finanzamtes gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs liegt insoweit eine planwidrige Regelungslücke vor, die es wegen der zwischen dem gesetzlich geregelten Tatbestand und dem nicht geregelten Sachverhalt vergleichbaren Interessenlage rechtfertigt, § 68 FGO analog anzuwenden[1]. Sinn und Zweck des § 68 FGO ist es, den Kläger nicht gegen seinen Willen durch einen Verwaltungsakt der Finanzbehörde aus seinem -ursprünglich zulässigen- Klageverfahren zu drängen und wieder in das Verwaltungsverfahren zurückzuversetzen[2]. Diese Erwägung gilt auch für den Fall der Sprungklage. Daher ist § 68 FGO bei Sprungklagen analog anzuwenden, mit der Maßgabe, dass -für die Bestimmung des ausschlaggebenden Zeitpunkts- an die Stelle der Einspruchsentscheidung die Zustimmungserklärung des Finanzamtes gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO tritt[3].
Der Bundesfinanzhof kann aufgrund seiner Befugnis nach § 121 Satz 1, § 100 FGO auf der Grundlage der verfahrensfehlerfrei zustande gekommenen und damit nach § 118 Abs. 2 FGO weiterhin bindenden tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts gleichwohl selbst in der Sache entscheiden, wenn der geänderte Bescheid hinsichtlich des streitigen Sachverhalts keine Änderungen enthält und die Sache spruchreif ist[4].
Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. Juli 2024 – III R 41/22
- zu den Voraussetzungen einer Analogie vgl. etwa BFH, Urteil vom 26.09.2023 – IX R 19/21, BFHE 281, 514, BStBl II 2024, 43, Rz 32 f., m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 19.02.2020 – I R 19/17, BFHE 269, 243, BStBl II 2021, 223, Rz 16[↩]
- FG München, Urteil vom 14.01.2004 – 1 K 40/03, EFG 2004, 828, unter II.; FG Hamburg, Urteil vom 24.11.2011 – 6 K 233/10 Rz 23; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 23.10.2013 – 4 K 90/13, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2014, 1247, Rz 16; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 68 Rz 15; Krumm in Tipke/Kruse, § 68 FGO Rz 5 und 16; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 68 FGO Rz 60; Paetsch in Gosch, FGO § 68 Rz 38[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 14.12.2023 – IV R 2/21, BStBl II 2024, 481, Rz 20, m.w.N.[↩]