Mit der Frage, ob Aufwendungen für die Unterbringung und Versorgung in einem Alten- und Pflegeheim als außergewöhnliche Belastung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen sind, hat sich das Niedersächsische Finanzgericht in einem aktuellen Rechtsstreit ausführlich auseinander gesetzt:

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen[1].
Zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altersheim[2]. Allerdings kann auch im Falle der Heimunterbringung der Tatbestand des § 33 EStG ausnahmsweise erfüllt sein, wenn der dortige Aufenthalt ausschließlich durch eine Krankheit veranlasst ist. Denn zu den Krankheitskosten gehören nicht nur die Aufwendungen für medizinische Leistungen im engeren Sinn, sondern auch solche für eine krankheitsbedingte Unterbringung[3].
Hat sich ein Steuerpflichtiger aus Altersgründen für eine Heimunterbringung entschieden und ist er nur in dem bei Personen seines Alters üblichen Umfang pflegebedürftig, sind nur die Aufwendungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen, die für die Unterbringung in der Pflegestation eines Heims anfallen oder die dem Steuerpflichtigen zusätzlich zu dem Pauschalentgelt für die Unterbringung und eine eventuelle Grundpflege infolge Krankheit oder Pflegebedürftigkeit entstehen. Eine Aufteilung des Pauschalpreises in übliche als Kosten der Lebensführung zu behandelnde Unterbringungskosten und außergewöhnliche Krankheits-/ Pflegekosten kommt nicht in Betracht. Der einzelne Heimbewohner kann mithin bei altersbedingter Unterbringung in einem Altenwohnheim Beträge nicht als Krankheitskosten geltend machen, die im Wege von Solidarbeiträgen infolge der Mischpreiskalkulation des Heimträgers von der Gemeinschaft sämtlicher Heimbewohner aufgebracht werden[4].
Bei Übersiedlung in ein Altenwohnheim infolge einer Krankheit oder Pflegebedürftigkeit, nicht aber wenn bei altersbedingter Unterbringung in einem Altenheim während des Aufenthalts Krankheit oder Pflegebedürftigkeit hinzu treten, gelten diese Einschränkungen hingegen nicht, d.h. in diesen Fällen sind nicht nur die Krankheits- bzw. Pflegekosten, sondern auch die Mehrkosten für Unterbringung und Verpflegung bzw. das Pauschalentgelt abzüglich einer Haushaltsersparnis als außergewöhnliche Belastung abziehbar[5].
Abweichend hiervon lässt die Finanzverwaltung allerdings die Aufwendungen auch dann zum Abzug zu, wenn die Krankheit oder Pflegebedürftigkeit erst nach dem Einzug in das Heim eintritt[6], jedoch nur, wenn mindestens ein Schweregrad der Pflegebedürftigkeit im Sinne der §§ 14, 15 SGB XI (also mindestens Pflegestufe 1) festgestellt ist.
Nach dem BFH-Urteil vom 10.Mai 2007[7] können darüber hinaus unabhängig davon, ob der Umzug in ein Alten- und Pflegeheim ausschließlich krankheitsbedingt war, gesondert in Rechnung gestellte Pflegeaufwendungen unterhalb der Pflegestufe I (sog. Pflegestufe 0) als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, wenn das Heim mit einem Sozialhilfeträger für pflegebedürftige Personen der sog. Pflegestufe 0 für täglich erforderliche Pflegeleistungen von weniger als 45 Minuten Pflegesätze vereinbart hat.
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 12. Mai 2009 – 10 K 63/05
- BFH, Urteil vom 29.09.1989 – III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418[↩]
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 24.02.2000 – III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, unter II. 2. c[↩]
- zu diesen Rechtsprechungsgrundsätzen siehe insbesondere BFH, Urteile vom 18.04.2002 – III R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70; und vom 10.05.2007 – III R 39/05, BFHE 218/136, BStBl II 2007, 764 m.w.N.[↩]
- vgl. BMF, Nichtanwendungserlass vom 20.01.2003, BStBl I 2003, 89 zu BFH, Urteil vom 18.04.2002 – III R 15/00[↩]
- BFH, Urteil vom 10.05.2007 – III R 39/05, BFHE 218/136, BStBl II 2007, 764[↩]




