Tritt ein Arbeitgeber Ansprüche aus einer von ihm mit einem Versicherer abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung an den Arbeitnehmer ab und leistet der Arbeitgeber im Anschluss hieran Beiträge an den Versicherer, sind diese Ausgaben Arbeitslohn. Durch eine Anzeige des Arbeitgebers nach § 41c Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird der Anlauf der Festsetzungsfrist für die Lohnsteuer gegenüber dem Arbeitnehmer gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt.

Zukunftssicherungsleistungen als Arbeitslohn
Die Lohnsteuer wird bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erhoben, soweit der Arbeitslohn von einem inländischen Arbeitgeber gezahlt wird (§ 38 Abs. 1 Satz 1 EStG).
Zum Arbeitslohn können auch Ausgaben gehören, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern (sog. Zukunftssicherungsleistungen[1]). Die Arbeitslohnqualität von Zukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistung des Arbeitgebers an einen Dritten (Versicherer) erfolgt, hängt davon ab, ob sich der Vorgang –wirtschaftlich betrachtet– so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat. Davon ist auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht[2].
Bejaht wird die Arbeitslohnqualität von Beitragsleistungen in den Fällen der Direktversicherung, bei der der Arbeitgeber gegenüber dem selbst bezugsberechtigten Arbeitnehmer verpflichtet ist, die Beiträge für die Versorgung des Arbeitnehmers einzubehalten und an den Versicherer abzuführen[3]. Demgegenüber handelt es sich bei Ausgaben, die nur dazu dienen, dem Arbeitgeber die Mittel zur Leistung einer dem Arbeitnehmer zugesagten Versorgung zu verschaffen (Rückdeckungsversicherung), nicht um Arbeitslohn (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 LStDV).
Tritt ein Arbeitgeber Ansprüche aus einer von ihm mit einem Versicherer abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung an den Arbeitnehmer ab und leistet der Arbeitgeber im Anschluss hieran Beiträge an den Versicherer, sind diese Ausgaben Arbeitslohn.
Die Abtretung von Ansprüchen aus einem Versicherungsverhältnis bewirkt im Allgemeinen, dass der Neugläubiger hinsichtlich der Forderung aus dem Versicherungsvertrag in die Gläubigerstellung des Versicherungsnehmers einrückt und mithin materiell zum Inhaber des Rechtsanspruchs gegenüber dem Versicherer wird[4]. Im Übrigen bleibt das Versicherungsverhältnis jedoch unverändert, so dass der Versicherungsnehmer weiterhin Vertragspartei bleibt[5] und insbesondere zur Leistung der Versicherungsprämien verpflichtet ist[6].
Dementsprechend hat der Arbeitgeber nach der Abtretung einer Rückdeckungsversicherung an den Arbeitnehmer die Versicherungsbeiträge für den Arbeitnehmer einzubehalten und abzuführen, während der Arbeitnehmer bzw. seine Hinterbliebenen selbst bezugsberechtigt sind. Diese mit der Abtretung einhergehende Änderung des Versicherungsverhältnisses begründet die Umwandlung der Rückdeckungsversicherung in eine Direktversicherung[7]. Nachfolgende Beitragsleistungen des Arbeitgebers an den Versicherer werden damit wie bei einer Direktversicherung erbracht, wodurch die Arbeitgeberleistungen nach den oben genannten Rechtsprechungsgrundsätzen als Arbeitslohn zu beurteilen sind.
Die streitgegenständlichen Zahlungen sind Arbeitslohn. Denn die Abtretung der Ansprüche aus dem Rückdeckungsversicherungsvertrag bewirkte im Streitfall, dass der Arbeitnehmer einen eigenen unentziehbaren Rechtsanspruch gegen die Versorgungseinrichtung, die Versicherungsgesellschaft, erlangte. Die sodann durch die Arbeitgeberin geleisteten Beitragszahlungen stellen damit nach den angeführten Rechtsgrundsätzen Arbeitslohn dar. Hieran ändert auch nichts, dass der Arbeitnehmer ab dem Jahr 2001 berufsunfähig war und daher eine Pflicht aus dem Versicherungsvertrag zur Zahlung der Beiträge nicht mehr bestand. Denn die Arbeitgeberin hatte ihm die Mittel gleichwohl zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer hatte sie zum Zwecke seiner Zukunftssicherung verwendet.
Festsetzungsverjährung
Die Festsetzungsfrist für die Lohnsteuer beträgt, soweit für den Streitfall von Interesse, vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Sie beginnt regelmäßig mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Da die Lohnsteuer mit dem Zufluss des Arbeitslohns entsteht (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EStG) und der hier maßgebliche Arbeitslohn dem Arbeitnehmer im Jahr 1992 zugeflossen ist, hätte nach dieser Regelung die Frist im Streitfall mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen und –vorbehaltlich einer Ablaufhemmung oder Unterbrechung– mit Ablauf des Jahres 1996 geendet.
Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Anzeige zu erstatten ist, allerdings erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Anzeige eingereicht wird, und spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO später beginnt.
Im Streitfall war die Arbeitgeberin des Arbeitnehmers für die in Rede stehende Lohnsteuer zur Anzeige ihrer Nichtabführung nach § 41c Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG verpflichtet, weil der Arbeitnehmer von ihr Arbeitslohn nicht mehr bezog. Da die Arbeitgeberin des Arbeitnehmers diese Anzeige im August 1993 erstattete, begann die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 1993.
Dass die Anzeige vom Arbeitgeber und nicht vom Arbeitnehmer als dem Schuldner der Lohnsteuer (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG, § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG) selbst abzugeben ist, ist für die Anwendbarkeit des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht von Bedeutung[8]. Der Wortlaut des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO setzt lediglich voraus, dass „eine Steueranmeldung einzureichen … ist“ bzw. „eine Anzeige zu erstatten ist“. Diese Formulierung bringt nicht zum Ausdruck, dass die Regelung nur Fälle erfassen soll, in denen die Verpflichtung zur Steueranmeldung bzw. zur Anzeigeerstattung den Steuerschuldner trifft[9].
Dies entspricht auch Sinn und Zweck des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO. Denn die Vorschrift soll verhindern, dass für eine Steuerfestsetzung nur noch unangemessen wenig Zeit bleibt, wenn die Finanzbehörde infolge einer Verletzung von Erklärungs-, Steueranmeldungs- oder Anzeigepflichten einen steuerpflichtigen Vorgang erst mit erheblicher Verspätung zur Kenntnis bekommt. Dieses Ziel besteht aber unabhängig davon, ob die Pflichtverletzung dem Steuerschuldner selbst oder einem Dritten anzulasten ist. Das rechtfertigt es, die Fristverlängerung auch in der letztgenannten Konstellation eintreten zu lassen[10].
Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. Juli 2012 – VI R 11/11
- z.B. BFH, Urteil vom 11.12.2008 – VI R 9/05, BFHE 224, 70, BStBl II 2009, 385[↩]
- z.B. BFH, Urteile vom 12.04.2007 – VI R 55/05, BFHE 217, 558, BStBl II 2007, 619; vom 05.07.2007 – VI R 47/02, BFH/NV 2007, 1876; vom 15.11.2007 – VI R 30/04, BFH/NV 2008, 550; in BFHE 224, 70, BStBl II 2009, 385; vom 09.12.2010 – VI R 57/08, BFHE 232, 158, BStBl II 2011, 978; jeweils m.w.N.[↩]
- BFH, Entscheidungen vom 16.04.1999 – VI R 60/96, BFHE 188, 334, BStBl II 2000, 406; – VI R 75/97, BFH/NV 1999, 1590; vom 26.07.2005 – VI R 115/01, BFH/NV 2005, 1804; vom 26.01.2006 – VI R 2/03, BFH/NV 2006, 1045; in BFHE 217, 558, BStBl II 2007, 619[↩]
- vgl. Fausten in Langheid/Wandt, MünchKomm-VVG, § 17 VVG Rz 35; Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 17 VVG Rz 15[↩]
- BGH, Urteil vom 22.03.1956 – II ZR 32/55, Versicherungsrecht 1956, 276[↩]
- Fausten in Langheid/Wandt, a.a.O.; Prölss/Martin, a.a.O.[↩]
- vgl. auch Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG Rz 407; Ahrend/Förster/Rössler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 2. Teil Rz 1421[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 06.03.2008 – VI R 5/05, BFHE 220, 307, BStBl II 2008, 597, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 29.01.2003 – I R 10/02, BFHE 202, 1, BStBl II 2003, 687[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 202, 1, BStBl II 2003, 687[↩]

