Kirchensteuer-Erstattungsüberhang – und kein Verlustausgleich

Ein Erstattungsüberhang aus zurückgezahlter Kirchensteuer kann nicht mit Verlustvorträgen ausgeglichen werden und ist daher als Einkommen zu versteuern.

Kirchensteuer-Erstattungsüberhang – und kein Verlustausgleich

In dem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall wurde den klagenden Ehegatten für das Streitjahr 2012 in den Vorjahren gezahlte Kirchensteuer erstattet, da sich aufgrund einer für diese Jahre durchgeführten Außenprüfung das zu versteuernde Einkommen gemindert hatte. Die Kläger gingen davon aus, dass der sich hieraus ergebende Erstattungsüberhang aus Kirchensteuer i.H.v. 166.744 € mit einem Verlustvortrag aus den Vorjahren zu verrechnen sei.

Das Finanzamt, das Finanzgericht Baden-Württemberg[1] und schließlich auch der Bundesfinanzhof lehnten dies ab:

Der Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG erhöht nicht den Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG). Die Hinzurechnung nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG findet auch statt, wenn sich die erstattete Zahlung im Zahlungsjahr nicht steuermindernd ausgewirkt hat.

Einkommensteuerrechtlich ist die gezahlte Kirchensteuer als Sonderausgabe abzugsfähig (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Sonderausgaben mindern nicht bereits den Gesamtbetrag der Einkünfte, sondern erst das Einkommen (§ 2 Abs. 4 EStG). Die Erstattung von in Vorjahren gezahlter Kirchensteuer wird vorrangig mit Kirchensteuerzahlungen desselben Jahres verrechnet. Entsteht dabei ein Kirchensteuer-Erstattungsüberhang, führt dies nach einer seit 2012 geltenden Neuregelung zu einem „Hinzurechnungsbetrag“ (§ 10 Abs. 4b EStG). Bislang ungeklärt war, ob der Hinzurechnungsbetrag -vergleichbar mit einer Einkunftsart- den Gesamtbetrag der Einkünfte erhöht und folglich dann durch einen Verlustvortrag, der nach der einschlägigen gesetzlichen Regelung (§ 10d Abs. 2 EStG) vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen ist, ausgeglichen werden kann.

Der Bundesfinanzhof begründet die Ablehnung einer dahin gehenden Verlustverrechnung damit, dass der Kirchensteuer-Erstattungsüberhang wie die ursprüngliche gezahlte Kirchensteuer als -negative- Sonderausgabe zu berücksichtigen ist. Durch die Hinzurechnung kann es daher -wie im Streitfall- dazu kommen, dass Einkommensteuer gezahlt werden muss, obwohl der Gesamtbetrag der Einkünfte nach Verlustausgleich 0 € beträgt. Es kommt dann zu einer Besteuerung allein des Vorteils aus der Erstattung von (früheren) Abzugsbeträgen. Dies gilt auch dann, wenn sich die erstatteten Kirchensteuern im Zahlungsjahr letztlich nicht steuermindernd ausgewirkt haben, da der mit § 10 Abs. 4b EStG verfolgte Vereinfachungszweck verfehlt würde, wenn dies in jedem Einzelfall ermittelt werden müsste.

Nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG ist ein Erstattungsüberhang bei der gezahlten Kirchensteuer (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen.

Die durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011[2] eingeführte Vorschrift ist am 1.01.2012 in Kraft getreten und mithin im Streitfall anwendbar. Es kommt insofern auf den Zufluss (§ 11 EStG) der Erstattung an.

Der Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG erhöht -wie das Finanzgericht zutreffend angenommen hat- nicht den Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG). Das ergibt sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut der Vorschrift. Insbesondere eine Formulierung in der Gesetzesbegründung, wonach ein Erstattungsüberhang „bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte“ hinzuzurechnen sei[3], deutet scheinbar in eine andere Richtung. Vordergründig ergibt sich die Antwort auch nicht aus § 2 EStG. Der Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG ist dort nicht ausdrücklich erwähnt. Und auch aus § 10d Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG ergibt sich nur, dass der Verlustabzug vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen vorzunehmen ist. An welcher Stelle der Hinzurechnungsbetrag zu berücksichtigen ist, ergibt sich daraus ebenfalls nicht, denn der Hinzurechnungsbetrag gehört weder zu den Sonderausgaben noch zu den außergewöhnlichen Belastungen oder sonstigen Abzugsbeträgen.

Dem Zweck der Vorschrift entspricht es jedoch, dass Kirchensteuererstattungen, die im Erstattungsjahr nicht mit gleichartigen Zahlungen ausgeglichen werden können, quasi wie negative Sonderausgaben zu behandeln sind[4]. Erstattungsüberhänge bei Kirchensteuern sollten nach der Vorstellung des Gesetzgebers nur noch im Jahr der Erstattung berücksichtigt werden, um ein „Wiederaufrollen der Steuerfestsetzungen“ der Vorjahre zu vermeiden[5]. Der Hinzurechnungsbetrag ist deshalb im Berechnungsschema an der Stelle zu berücksichtigen, an der die vorrangige Verrechnung eingreift und an der die Sonderausgaben zu berücksichtigen wären. Für eine davon abweichende Behandlung ist kein sachlicher Grund ersichtlich. Dies entspricht auch der ganz überwiegenden Ansicht im Schrifttum[6].

Die Hinzurechnung nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG findet auch statt, wenn sich die erstattete Zahlung im Zahlungsjahr nicht steuermindernd ausgewirkt hat. Die Vorschrift enthält eine zulässige Typisierung; sie dient der Vereinfachung des Steuervollzugs. Zwar erachtet der Gesetzgeber die Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs bei Basiskrankenversicherungsbeiträgen und Kirchensteuern deshalb für geboten, weil sich die gezahlten Beträge in der Vergangenheit (in voller Höhe) ausgewirkt haben[3]. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich im Einzelfall tatsächlich ausgewirkt haben müssen. Müsste in jedem Einzelfall ermittelt werden, ob (und ggf. in welcher Höhe) sich die erstattete Zahlung steuerlich ausgewirkt hat, würde der Vereinfachungszweck verfehlt. Die Annahme, dass sich die Beiträge zur Basiskrankenversicherung und die gezahlten Kirchensteuern steuerlich in voller Höhe auswirken, entspricht indes dem Regelfall. Etwas anderes kann aus Gründen der formellen Gleichbehandlung auch dann nicht gelten, wenn (ohne weiteres) feststeht, dass sich eine Zahlung nicht ausgewirkt hat.

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen dagegen nicht. Zur früheren Rechtslage hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass es für die Gegenrechnung der Erstattung nicht darauf ankommt, ob sich die erstatteten Beträge im Zahlungsjahr steuerlich ausgewirkt haben[7]. Zwar könne es dazu kommen, dass sich Kirchensteuerzahlungen steuerlich nicht auswirken, obwohl eine tatsächliche und endgültige wirtschaftliche Belastung vorliege. Die Verrechnungsmethode sei jedoch unter systematischen Gesichtspunkten belastungsneutral, denn sie könne auch zu dem entgegen gesetzten Ergebnis führen. Diese Erwägungen sind auf die neue Rechtslage übertragbar[8].

Im Streitfall steht nach Aktenlage nicht fest, dass sich die erstatteten Zahlungen in den jeweiligen Zahlungsjahren steuerlich nicht ausgewirkt haben. Das Finanzgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Aber selbst wenn dies so wäre, müssten die Kläger das Ergebnis nach geltender Rechtslage hinnehmen, denn ebenso gut hätte der Fall eintreten können, dass sich eine Kirchensteuerzahlung in voller Höhe ausgewirkt hat, während der Hinzurechnungsbetrag im Erstattungsjahr eine Erhöhung der Einkommensteuer nicht auslöst (bei hohem negativem Gesamtbetrag der Einkünfte). Ein übergeordnetes Gebot der steuerlichen Berücksichtigung von Privataufwendungen besteht nicht. Die Regelung in § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG würde den verfassungsrechtlichen Anforderungen deshalb schon dann genügen, wenn sie nicht willkürlich differenziert. Dafür sind Anhaltspunkte indes nicht ersichtlich.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. März 2019 – IX R 34/17

  1. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 02.02.2017 – 3 K 834/15[]
  2. vom 01.11.2011, BGBl I 2011, 2131[]
  3. BT-Drs. 17/5125, S. 37[][]
  4. so Schmidt/Heinicke, EStG, 31. Aufl. (2012), § 10 Rz 9[]
  5. BT-Drs. 17/5125, S. 21[]
  6. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 10 EStG Rz 413; BeckOK EStG/Fissenewert, 3. Ed [01.02.2019], EStG § 10 Rz 545.1; Schmidt/Heinicke, EStG, 36. Aufl., § 10 Rz 8, der die bis zur 35. Aufl. a.a.O. vertretene Gegenauffassung offenbar aufgegeben hat; a.A., jedoch ohne Begründung: Scharfenberg/Marbes, Der Betrieb 2011, 2282, 2283 und Gebhardt, Der Ertrag-Steuer-Berater 2012, 30, 31[]
  7. BFH, Beschluss vom 19.01.2010 – X B 32/09, BFH/NV 2010, 1250; BFH, Urteil vom 06.07.2016 – X R 6/14, BFHE 254, 341, BStBl II 2016, 933[]
  8. ebenso HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 413[]