Nach § 8 Abs. 1 KStG 2002 -für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG 2002- i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 hat die Versicherungsgesellschaft das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist (Maßgeblichkeitsgrundsatz). Die handelsrechtlichen GoB ergeben sich vornehmlich aus den für alle Kaufleute geltenden Vorschriften der §§ 238 ff. HGB.

Darüber hinaus erfasst der Verweis auf die GoB aber auch die für Versicherungsunternehmen geltende spezielle Rechnungslegungsvorschrift des § 341e Abs. 2 Nr. 2 HGB, nach der für erfolgsabhängige und für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen versicherungstechnische Rückstellungen zu bilden sind, soweit deren ausschließliche Verwendung für diesen Zweck durch Gesetz, Satzung, geschäftsplanmäßige Erklärung oder vertragliche Vereinbarung gesichert ist[1]. Im Hinblick auf die Höhe des Ausweises ordnet § 341e Abs. 1 Satz 1 HGB an, dass in die Rückstellungen auch der Betrag eingeht, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist, um die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen sicherzustellen. Dabei sind nach § 341e Abs. 1 Satz 2 HGB die im Interesse der Versicherten erlassenen aufsichtsrechtlichen Vorschriften über die bei der Berechnung der Rückstellungen zu verwendenden Rechnungsgrundlagen einschließlich des dafür anzusetzenden Rechnungszinsfußes und über die Zuweisung bestimmter Kapitalerträge zu den Rückstellungen zu berücksichtigen. Auch letztere Bestimmung ist über den Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 in der Steuerbilanz zu beachten[2].
Hiernach sind die Rückstellungen für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen im handelsrechtlichen Jahresabschluss zu passivieren. Allerdings steht der steuerbilanzielle Ausweis dieser Passiva nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs[3] unter dem Bewertungsvorbehalt des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. 3e i.V.m. Nr. 3 Satz 2 EStG 2002, nach dem Rückstellungen für nicht verzinsliche Verpflichtungen mit einem Zinssatz von 5, 5 % abzuzinsen sind, es sei denn (Ausnahmen), die Laufzeit der Verbindlichkeit beträgt am jeweiligen Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate oder die Verbindlichkeit beruht auf einer Anzahlung oder Vorausleistung. Das BFH, Urteil in BFHE 227, 455, BStBl II 2010, 304 betrifft die -auch für die Streitjahre des vorliegenden Verfahrens maßgebliche- Rechtslage gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB i.d.F. des Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Versicherungsunternehmen (Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz) vom 24.06.1994[4] -HGB a.F.-, derzufolge Rückstellungen (einschließlich versicherungstechnischer Rückstellungen; vgl. Böcking/Gros/Kölschbach in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 341e Rz 3) handelsrechtlich nur dann abgezinst werden dürfen (Wahlrecht), soweit die ihnen zugrunde liegende Verpflichtung einen Zinsanteil enthält. Der Bundesfinanzhof ist hierbei erkennbar -entsprechend Wortlaut („Rückstellungen sind höchstens … anzusetzen“) und Zweck der Abzinsungsregelung[5]– von einem Vorrang des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e i.V.m. Nr. 3 Satz 2 EStG 2002, und damit einem den handelsrechtlichen Ausweis verdrängenden steuerrechtlichen Bewertungsvorbehalt, ausgegangen. Er sieht keine Veranlassung, von dieser Beurteilung abzurücken[6].
Auch der Einwand, dem steuerbilanziellen Ansatz der abgezinsten Rückstellungsbeträge stehe entgegen, dass nach Ansicht der Finanzverwaltung das Abzinsungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 2002 auf Pauschalrückstellungen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a EStG 2002) keine Anwendung findet[7], greift nicht durch[8]. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 27.01.2010[9] offengelassen, ob er dieser aus „Vereinfachungsgründen“ getroffenen Regelung folgen könnte[10]. Auch im Streitfall bedarf es hierzu keiner Entscheidung, da die Versicherungsgesellschaft keine pauschale auf den Erfahrungen der Vergangenheit gründende Rückstellung für eine Vielzahl gleichartiger Verbindlichkeiten gebildet hat; Maßgröße der RfuB-PPV sind vielmehr die aufsichtsrechtlichen Vorgaben sowie die hierauf beruhende Verpflichtung, die rückgestellten Beträge zum Risikoausgleich (hier: zur Senkung der Umlagebeträge) zwischen den P-GbR beteiligten privaten Versicherungsunternehmen zu verwenden.
Nicht durchgreifen kann ferner der Vortrag der Versicherungsgesellschaft, die RfuB-PPV beruhten auf Vorausleistungen der Versicherungsnehmer, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 i.V.m. Nr. 3a Buchst. e EStG 2002 eine steuerrechtliche Abzinsung ausschließen. Wie der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 21.09.2011[11] im Einzelnen dargelegt hat, soll der Ausschluss des Abzinsungsgebots verhindern, dass aufgrund der Aktivierung der Anzahlungen oder Vorausleistungen einerseits sowie der Rückstellungsdiskontierung andererseits ein nicht realisierter Gewinn ausgewiesen wird[12]. Die Ausnahme greift daher nur für Vorleistungen, die in Erfüllung eines zu einem späteren Zeitpunkt noch zu vollziehenden Rechtsgeschäfts erbracht werden[13]. An einem hiernach erforderlichen Schwebezustand fehlt es indes, wenn der Vertragspartner (im damaligen Fall: der Mieter) seine vertraglich vereinbarte Leistung erbringt und nur am Ende der Vertragszeit die Möglichkeit besteht, die Leistung teilweise zurückzuerlangen. Gleiches muss erst recht für die von der Versicherungsgesellschaft vereinnahmten Beitragsteile gelten, die nach den Regelungen des GV der P-GbR in die RfuB-PPV einzustellen und aufgrund einheitlicher Kalkulationsgrundlagen dem vorstehend beschriebenen -unternehmensübergreifenden- Risikoausgleich unterworfen sind. Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass zwischen den Versicherungsnehmern und dem Versicherungsunternehmen ein erst zu einem späteren Zeitpunkt zu vollziehendes Rechtsgeschäft vereinbart worden wäre[8].
Soweit die Versicherungsgesellschaft schließlich geltend macht, dass das Abzinsungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 2002 nach § 21 Abs. 3 KStG 2002 für Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen nicht greife, hat der Bundesfinanzhof zu diesem Vortrag bereits mit Urteil in BFHE 227, 455, BStBl II 2010, 304 ausführlich Stellung genommen. Er hat sowohl die unmittelbare als auch die entsprechende Anwendung der Ausschlussvorschrift des § 21 Abs. 3 KStG 1999/2002 verneint, da die Norm nur Verpflichtungen für erfolgsabhängige, nicht hingegen für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen erfasse. Der Bundesfinanzhof verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe dieser Entscheidung. Anderes ergibt sich nicht aus dem Hinweis der Kläger[14], dass nach den materiell-rechtlichen Regeln des Handelsrechts die vorliegend zu beurteilenden Rückstellungen erfolgsabhängig seien, da ihre Bildung zwar nicht vom handelsrechtlichen Jahresüberschuss der Versicherungsgesellschaft, aber von dem in der privaten Pflegeversicherung erzielten Überschuss und damit vom Ergebnis einer Versicherungsart i.S. von § 28 Abs. 2 der Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (RechVersV) abhänge. Zu Letzterem braucht der Bundesfinanzhof nicht Stellung zu nehmen. Der Einwand lässt jedenfalls unberücksichtigt, dass -wie der Bundesfinanzhof im Urteil in BFHE 227, 455, BStBl II 2010, 304 erläutert hat- § 21 Abs. 3 KStG 1999/2002 lediglich eine Rechtsfolge beschreibt, nämlich die Nichtgeltung des steuerrechtlichen Abzinsungsgebots bestimmt, und tatbestandlich an die vorhergehende Regelung des § 21 Abs. 1 und Abs. 2 KStG 1999/2002 anknüpft; § 21 Abs. 2 und Abs. 3 KStG 1999/2002 kommt für den Bereich der Lebens- und Krankenversicherung deshalb nur bei solchen Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen zum Tragen, die sich nach dem handelsrechtlichen Jahresergebnis (d.h. dem handelsrechtlichen Gesamtergebnis des Unternehmens) bemessen[15]. Angesichts dieser eigenständigen (steuerrechtlichen) Tatbestandsbestimmung ist die Frage, ob die Versicherungsgesellschaft i.S. von § 341e Abs. 2 HGB i.V.m. § 28 Abs. 2 RechVersV Rückstellungen für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen gebildet hat, für das anhängige Verfahren nicht entscheidungserheblich[16].
Bundesfinanzhof, Urteil vom 6. Mai 2015 – I R 7/14
- BFH, Beschluss vom 19.05.2010 – I R 64/08, BFH/NV 2010, 1860; Blümich/Krumm, § 5 EStG Rz 207, 91, m.w.N.[↩]
- so ausdrücklich BT-Drs. 12/7646, 4; Heymann/Rohrmann, Handelsgesetzbuch, 2. Aufl., § 341e Rz 5[↩]
- BFH, Urteil vom 25.11.2009 – I R 9/09, BFHE 227, 455, BStBl II 2010, 304[↩]
- BGBl I 1994, 1377[↩]
- BT-Drs. 14/23, S. 170 ff.: Diskontierung des zukünftigen Erfüllungsbetrags entsprechend der aktuellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen; BFH, Urteil vom 05.05.2011 – IV R 32/07, BFHE 233, 524, BStBl II 2012, 98[↩]
- gl.A. Schmidt/Kulosa, EStG, 34. Aufl., § 6 Rz 473 a.E.; Blümich/Ehmke, § 6 EStG Rz 979 a.E.; Blümich/Krumm, § 5 EStG Rz 91; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, a.a.O., § 253 Rz 23; ebenso mit Blick auf die im Streitfall nicht einschlägigen Neuregelungen des § 253 Abs. 2 Satz 1 und § 341e Abs. 1 Satz 3 HGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts -Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz- vom 25.05.2009, BGBl I 2009, 1102; Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 481[↩]
- vgl. BMF, Schreiben vom 26.05.2005, BStBl I 2005, 699, Rz 27[↩]
- ebenso -implizit- BFH, Urteil in BFHE 227, 455, BStBl II 2010, 304[↩][↩]
- BFH, Urteil vom 27.01.2010 – I R 35/09, BFHE 228, 250, BStBl II 2010, 478[↩]
- bejahend FG München, Beschluss vom 21.01.2004 7 – V 4930/03, EFG 2004, 641; kritisch Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 481; nur referierend Kiesel in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz 1187[↩]
- BFH, Urteil vom 21.09.2011 – I R 50/10, BFHE 235, 255, BStBl II 2012, 197[↩]
- vgl. auch BT-Drs. 14/443, S. 23[↩]
- BMF, Schreiben vom 26.05.2005, BStBl I 2005, 699 Rz 20 und 34[↩]
- gl.A. Boetius, Die Wirtschaftsprüfung 2013, 753[↩]
- BT-Drs. 16/11108, S. 28[↩]
- BFH, Entscheidungen vom 09.06.1999 – I R 17/97, BFHE 189, 364, BStBl II 1999, 739; vom 07.03.2007 – I R 61/05, BFHE 217, 425, BStBl II 2007, 589; in BFHE 227, 455, BStBl II 2010, 304; in BFH/NV 2010, 1860; Blümich/H.-J. Heger, § 21 KStG Rz 9 und 12; BMF, Schreiben vom 07.03.1978, BStBl I 1978, 160 zu 1.[↩]





