Vorab enstandene Werbungskosten beim Auslandssemester

Sieht die Studienordnung einer Universität vor, dass Studierende einen Teil des Studiums an einer anderen (weiteren) Hochschule (hier Auslandssemester) absolvieren können bzw. müssen, wird an der anderen Hochschule keine weitere erste Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG begründet. Studierende können daher Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen, die durch den Besuch der anderen Hochschule veranlasst sind, nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a und Abs. 4a EStG als vorab entstandene Werbungskosten geltend machen. Entsprechendes gilt in der Regel auch für Studierende, die im Rahmen ihres Studiums ein Praxissemester oder Praktikum ableisten können bzw. müssen und dabei ein Dienstverhältnis begründen.

Vorab enstandene Werbungskosten beim Auslandssemester

Studierende können mithin die Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen eines Auslandsemester als vorab entstandene Werbungskosten geltend machen.

Das bestätigte jetzt der Bundesfinanzhof in dem Fall einer Studentin, die nach einer abgeschlossenen Ausbildung ein Studium an einer inländischen Hochschule aufnahm. Die Studienordnung der Hochschule schreibt für den Studiengang vor, dass die/der Studierende das Studium für zwei Semester an einer ausländischen Partneruniversität zu absolvieren hat. Während des Auslandsstudiums bleiben die Studierenden an der inländischen Hochschule eingeschrieben. Die Studentin beantragte für die Zeit des Auslandsstudiums die Anerkennung der dadurch bedingten zusätzlichen Unterkunftskosten sowie der Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten.

Das Finanzamt lehnte dies ab, da die Auslandsuniversität die erste Tätigkeitsstätte der Studentin sei und daher die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung -vergleichbar einem Arbeitsnehmer- nur im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten angesetzt werden könnten. Eine solche liege aber unstreitig nicht vor. Das Finanzgericht Münster bestätigte diese Auffassung und wies die Klage der Studentin ab[1].

Anders als das Finanzgericht gab dagegen der Bundesfinanzhof der Klage der Studentin statt; sehe die Studienordnung, wie im hier entschiedenen Fall, vor, dass Studierende einen Teil des Studiums an einer ausländischen Hochschule absolvieren können bzw. müssen, bleibe die inländische Hochschule, jedenfalls soweit die/der Studierende dieser auch für die Zeiten des Auslandsstudiums zugeordnet bleibe, die erste Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG. Kosten für Unterkunft und Verpflegungsmehraufwand im Ausland seien deshalb als vorweggenommene Werbungskosten steuerlich zu berücksichtigen, auch wenn keine doppelte Haushaltsführung vorliege. Entsprechendes gelte bei Praxissemestern.

Von dieser Rechtsprechung profitieren allerdings nur Studierende, die bereits eine Erstausbildung – also eine Berufsausbildung oder einen Bachelorstudiengang – abgeschlossen haben. Aufwendungen für ein Studium als erste Ausbildung sind hingegen vom Werbungskostenabzug ausgenommen (§ 9 Abs. 6 EStG). Der Aufwand kann dann nur im Rahmen des Sonderausgabenabzugs berücksichtigt werden und wirkt sich steuerlich nur aus, wenn die Studierende im Jahr der Aufwandsentstehung über steuerpflichtige Einkünfte verfügt.

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Münster sind im Hinblick auf die streitigen Aufwendungen weder -während der beiden Auslandssemester- die von ihr besuchte Universität in E-Stadt (Ausland) noch -während des Praxissemesters in M-Stadt (Ausland)- die Au-Pair-Agentur als erste Tätigkeitsstätte i.S. von § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG anzusehen und die geltend gemachten Aufwendungen der Studentin zumindest dem Grunde nach als vorab entstandene Werbungskosten zu berücksichtigen. § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 07.12.2011[2] und des Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22.12.2014[3] steht dem nicht entgegen, da die Studentin vor Beginn ihres Studiums eine (erste) Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschrift absolviert hat. Dies steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit, so dass der Bundesfinanzhof insoweit von weiteren Ausführungen absieht.

Werbungskosten, nämlich Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG liegen vor, wenn sie durch den Beruf oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Sie sind beruflich veranlasst, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen erzielt. Dann sind die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen[4].

Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine zweite Ausbildung (Berufsausbildung oder Studium) sind regelmäßig beruflich veranlasst[5]. Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung in Bezug auf vorab entstandene Werbungskosten bei Berufsausbildungsaufwendungen entschieden, dass der notwendige Veranlassungszusammenhang (nur) fehlt, wenn „gleichsam ins Blaue hinein“ studiert wird[6] oder ansonsten private Gründe nicht ausgeschlossen werden können[7]. Dass die Aufwendungen zumindest für die eigene Zweitausbildung regelmäßig nicht auf unbeachtlichen privaten Motiven gründen, nimmt auch § 9 Abs. 6 EStG zum Ausgangspunkt. Die Vorschrift regelt die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung von Berufsausbildungskosten in zweifach differenzierender Weise. Zum einen unterscheidet die Regelung zwischen der erstmaligen Berufsausbildung -sei es in Form der Ausbildung, sei es in Form des Erststudiums- einerseits und nachfolgenden Ausbildungen andererseits. Zum anderen differenziert sie zwischen Berufsausbildungen im Rahmen eines Dienstverhältnisses und solchen ohne Dienstverhältnis. Im Ergebnis schließt die Regelung damit einzig Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses stattfindet; vom Werbungskostenabzug aus[8].

Demgemäß sind sämtliche beruflich veranlassten Aufwendungen, die im Rahmen einer Zweitausbildung (Berufsausbildung oder Studium) anfallen, als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar. Hierzu gehören nach § 9 Abs. 4 Satz 8  2. Halbsatz EStG bei vollzeitigen Bildungsmaßnahmen/Vollzeitstudien beispielsweise Fahrt- bzw. Mobilitätskosten sowie Übernachtungskosten und (zeitlich begrenzt) Mehraufwendungen für Verpflegung am Ort der Bildungseinrichtung, soweit eine steuererhebliche doppelte Haushaltsführung vorliegt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nrn. 4 und 5 und Abs. 4a Satz 12 EStG). Entsprechendes gilt bei beruflich veranlassten auswärtigen Übernachtungen im Rahmen einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme oder eines Vollzeitstudiums. Auch wenn eine solche Bildungsmaßnahme oder ein solches Studium außerhalb eines Dienstverhältnisses absolviert werden, gehören derartige Aufwendungen sowie (zeitlich begrenzt) Mehraufwendungen für Verpflegung -wie bei einer Auswärtstätigkeit eines Arbeitnehmers- zu den im Rahmen des objektiven Nettoprinzips abziehbaren Werbungskosten und sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a und Abs. 4a EStG abzugsfähig.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a Satz 1 EStG sind notwendige Mehraufwendungen eines Arbeitnehmers für beruflich veranlasste Übernachtungen an einer Tätigkeitsstätte, die nicht erste Tätigkeitsstätte ist, Werbungskosten. Abzugsfähig sind daher nur Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer für eine zusätzliche (berufliche) Unterkunft entstehen. Nur insoweit liegt Mehraufwand vor. Der Arbeitnehmer muss folglich -wie bei einer doppelten Haushaltsführung- neben der auswärtigen Unterkunft eine andere Wohnung/Unterkunft haben. Er muss dort jedoch weder einen eigenen Hausstand führen noch muss dort der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen liegen. Die Berücksichtigung von Unterkunftskosten anlässlich einer Auswärtstätigkeit setzt damit -anders als bei einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung- nicht voraus, dass der Arbeitnehmer die Wohnung/Unterkunft aus eigenem Recht oder als Mieter innehat und sich an den dortigen Kosten der Lebensführung finanziell beteiligt[9]. Es genügt, wenn der Arbeitnehmer z.B. im Haushalt der Eltern ein Zimmer bewohnt[10]. Abziehbar sind die tatsächlichen Aufwendungen für die persönliche Inanspruchnahme einer (zusätzlichen) auswärtigen Unterkunft zur Übernachtung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a Satz 2 EStG).

Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für die Verpflegung sind nach Maßgabe von § 9 Abs. 4a EStG als Werbungskosten abziehbar. Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig (auswärtige berufliche Tätigkeit), ist nach § 9 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG zur Abgeltung der ihm tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten Mehraufwendungen eine nach Abwesenheitszeiten gestaffelte Verpflegungspauschale anzusetzen. Bei einer Tätigkeit im Ausland treten an die Stelle dieser Pauschbeträge länderweise unterschiedliche Pauschbeträge, die für die Fälle der Nr. 1 mit 120 sowie der Nrn. 2 und 3 mit 80 % der Auslandstagegelder nach dem Bundesreisekostengesetz vom BMF im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder aufgerundet auf volle Euro festgesetzt werden. Nach § 9 Abs. 4a Satz 6 EStG ist der Abzug der Verpflegungspauschalen auf die ersten drei Monate einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt.

Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013[11] gilt ab dem Veranlagungszeitraum 2014 als erste Tätigkeitsstätte auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird. Eine zeitliche Mindestdauer des Studiums oder der Bildungsmaßnahme, damit eine Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte gilt, benennt das Gesetz in § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG nicht. Deshalb ist auch bei kurzzeitigen Vollzeitausbildungen die erste Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen regelmäßig in der aufgesuchten Bildungseinrichtung zu verorten[12].

Eine „Auswärtstätigkeit“ des Steuerpflichtigen während einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme oder eines Vollzeitstudiums ist damit jedoch nicht ausgeschlossen. Dies ist dem objektiven Nettoprinzip geschuldet. Denn die Entscheidung des Gesetzgebers, eine Bildungseinrichtung im Rahmen einer vollzeitigen Zweitausbildung wie eine erste Tätigkeitsstätte eines Arbeitnehmers zu behandeln, ist (nur) insoweit sachlich gerechtfertigt, als sich ein Steuerpflichtiger in Vollzeitausbildung wie ein Arbeitnehmer, der einer betrieblichen Einrichtung dauerhaft zugeordnet ist, auf immer gleiche ausbildungsbedingte Wege- und Unterkunftskosten einstellen und diese aufwandmindernd beeinflussen kann[13]. Daran fehlt es jedoch, wenn der Steuerpflichtige in Vollzeitausbildung die Bildungseinrichtung und damit seine erste Tätigkeitsstätte i.S. von § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG vorübergehend nicht aufsucht, weil er nach der Ausbildungs-/Studienordnung Teile der Ausbildung (Ausbildungsabschnitte) an einer auswärtigen Bildungseinrichtung absolvieren kann bzw. muss.

Jedenfalls soweit der Steuerpflichtige nach der Ausbildungs-/Studienordnung weiterhin der bisherigen Bildungseinrichtung zugeordnet bleibt, unterfällt die nur vorübergehend aufgesuchte auswärtige Bildungseinrichtung nicht der Fiktion des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG. Nur diese Auslegung bewirkt eine Gleichstellung mit einem Arbeitnehmer, der am auswärtigen Tätigkeitsort keine erste Tätigkeitsstätte begründet, wenn er dort nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend seinen Beruf ausübt (§ 9 Abs. 4 Satz 3 EStG). Der Umstand, dass er diese auf Geheiß seines Arbeitgebers aufsucht, während der Steuerpflichtige in Vollzeitausbildung die auswärtige Bildungseinrichtung unter Umständen aus eigenem Antrieb besucht, steht dem nicht entgegen.

Demgemäß ist entgegen der Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht die auswärtige (Bildungs-)Einrichtung, die Studierende vorübergehend im Rahmen ihres Vollzeitstudiums besuchen, beispielsweise um ein Auslands, ein Praxissemester oder ein Praktikum zu absolvieren, keine erste Tätigkeitsstätte i.S. von § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG, wenn der Studierende für die Dauer der auswärtigen Ausbildung der bisherigen Bildungseinrichtung zugeordnet bleibt[14].

Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis durch die Entstehungsgeschichte der Norm. Mit der Einführung des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG hat der Gesetzgeber die kurz zuvor geänderte Rechtsprechung, nach der es sich bei einer vollzeitig besuchten Bildungseinrichtung/Universität nicht länger um eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. handelte[15], überschrieben, um bei vollzeitigen Bildungsmaßnahmen zu den Rechtsfolgen, die an eine regelmäßige Arbeitsstätte (jetzt erste Tätigkeitsstätte) anknüpfen, zurückzukehren[16]. Damit sollte die steuerliche Lastengleichheit zwischen Arbeitnehmern und „Vollzeitauszubildenden“ hergestellt[17], nicht aber ein Sonderrecht zu Lasten Letztgenannter begründet werden.

Stehen Werbungskosten innerhalb einer Einkunftsart im Zusammenhang mit mehreren Rechtsverhältnissen und damit in mehreren Veranlassungszusammenhängen, ist zunächst zu prüfen, ob sich die Ausgaben den unterschiedlichen Ursachen zuordnen lassen. Ist eine anteilige Zuordnung nicht möglich, ist der wirtschaftlich vorrangige Veranlassungszusammenhang maßgeblich[18].

Nach diesen Maßstäben kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Das Finanzgericht hat den Werbungskostenabzug der geltend gemachten Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen dem Grunde nach zu Unrecht versagt.

Die Studentin begründete während der beiden Auslandssemester in der Universität in E-Stadt (Ausland) keine erste Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG. Sie besuchte diese Bildungseinrichtung lediglich vorübergehend für einen unselbständigen Ausbildungsabschnitt von zwei Semestern im Rahmen ihres vollzeitigen Studiums an der FH in B-Stadt (Inland). Die Prüfungsordnung der FH B-Stadt (Inland) sah vor, dass die Studentin im Rahmen des von ihr gewählten Studiengangs zwei Semester an einer ausländischen Partneruniversität absolviert, sie aber während dieser beiden Auslandssemester an der FH B-Stadt (Inland) als Studierende mit allen Rechten und Pflichten eingeschrieben bleibt. Sie studierte daher an der Universität in E-Stadt (Ausland) -einer Partneruniversität der FH B-Stadt (Inland)- „auswärts“, jedenfalls in diesem Fall sind die anlässlich der beiden Auslandssemester entstandenen Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen dem Grunde nach gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a und Abs. 4a EStG als vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen.

Entsprechendes gilt für die Kosten der Unterkunft und die Verpflegungsmehraufwendungen betreffend das Praxissemester bei der Au-Pair-Agentur in M-Stadt (Ausland). Die Durchführung eines Auslandspraxissemesters schrieb die Praxissemesterordnung der FH B-Stadt (Inland) vor. Während dieser Zeit blieb die Studentin ebenfalls an der FH B-Stadt (Inland) als Studierende mit allen Rechten und Pflichten eingeschrieben. Dementsprechend sind die dadurch bedingten Aufwendungen -die Kosten der Unterkunft und die Verpflegungsmehraufwendungen- dem Grunde nach ebenfalls gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a und Abs. 4a EStG als vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen.

Dem steht nicht entgegen, dass die Studentin bei der Au-Pair-Agentur in M-Stadt (Ausland) nach den unangefochtenen und bindenden Feststellungen des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) als Arbeitnehmerin beschäftigt war und sie in Bezug auf dieses Arbeitsverhältnis in dem ihr zugewiesenen Büro über eine erste Tätigkeitsstätte i.S. von § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG verfügte. Zwar hat die Studentin von ihrer Wohnung bei M-Stadt (Ausland) ihre erste Tätigkeitsstätte bei der Au-Pair-Agentur regelmäßig aufgesucht, weshalb die Kosten der Unterkunft und der Verpflegungsmehraufwand auch im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis zu der Au-Pair-Agentur standen. Dieser Erwerbsaufwand ist aber zugleich durch das in Form des Praxissemesters fortgesetzte Studium an der FH B-Stadt (Inland) veranlasst. In diesem Rechtsverhältnis ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs der engere und wirtschaftlich vorrangige Veranlassungszusammenhang der streitgegenständlichen Aufwendungen zu verorten. Denn das maßgebliche auslösende Moment für die Entstehung der Unterkunftskosten und der Verpflegungsmehraufwendungen ist der Umstand, dass die Studentin dieses Praxissemester aufgrund der Vorgaben der Prüfungsordnung im Rahmen ihres Vollzeitstudiums als Studierende der FH B-Stadt (Inland) im Ausland zu absolvieren hatte. Bezogen auf dieses Rechtsverhältnis handelte es sich bei der Tätigkeit für die Au-Pair-Agentur um eine auswärtige Tätigkeit i.S. des § 9 Abs. 4a Satz 2 EStG.

Die vorliegende Sache war allerdings noch nicht entscheidungsreif. Denn das Finanzgericht hat -von seinem Standpunkt aus zu Recht- bisher nicht geprüft, in welcher Höhe die geltend gemachten Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Dies hat es im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. Mai 2020 – VI R 3/18

  1. FG Münster, Urteil vom 24.01.2018 – 7 K 1007/17 E, F[]
  2. BGBl I 2011, 2592[]
  3. BGBl I 2014, 2417[]
  4. z.B. BFH, Urteil vom 17.05.2017 – VI R 1/16, BFHE 258, 365, BStBl II 2017, 1073, Rz 26, m.w.N.; BFH, Beschlüsse vom 17.07.2014 – VI R 8/12, BFHE 247, 64, Rz 68, und – VI R 2/12, BFHE 247, 25, Rz 74, jeweils m.w.N.[]
  5. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteile vom 27.10.2011 – VI R 52/10, BFHE 235, 444, BStBl II 2012, 825; und vom 19.09.2012 – VI R 78/10, BFHE 239, 80, BStBl II 2013, 284, sowie BFH, Beschlüsse in BFHE 247, 64, Rz 69, und in BFHE 247, 25, Rz 75[]
  6. BFH, Urteile vom 20.07.2006 – VI R 26/05, BFHE 214, 370, BStBl II 2006, 764; und vom 19.04.1996 – VI R 24/95, BFHE 180, 360, BStBl II 1996, 452[]
  7. BFH, Urteile vom 26.01.2005 – VI R 71/03, BFHE 208, 572, BStBl II 2005, 349, und in BFHE 214, 370, BStBl II 2006, 764[]
  8. BFH, Beschlüsse in BFHE 247, 64, Rz 70, und in BFHE 247, 25, Rz 76[]
  9. Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz Ga 35[]
  10. ebenso BMF, Schreiben vom 24.10.2014 – IV C 5-S 2353/14/10002, BStBl I 2014, 1412, Rz 114[]
  11. BGBl I 2013, 285[]
  12. s. BFH, Urteil vom 14.05.2020 – VI R 24/18[]
  13. vgl. BT-Drs. 17/10774, 15; BFH, Urteil vom 14.05.2020 – VI R 24/18, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt[]
  14. ebenso im Ergebnis Schmidt/Krüger, EStG, 39. Aufl., § 9 Rz 305; Maciejewski, Finanz-Rundschau 2016, 882, 885 f.; a.A. Oertel in Kirchhof, EStG, 19. Aufl., § 9 Rz 59; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 560[]
  15. BFH, Urteile vom 09.02.2012 – VI R 42/11, BFHE 236, 439, BStBl II 2013, 236, und – VI R 44/10, BFHE 236, 431, BStBl II 2013, 234[]
  16. BFH, Urteil vom 14.05.2020 – VI R 24/18, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, s.a. BMF, Schreiben vom 24.10.2014 – IV C 5-S 2352/14/10002, BStBl I 2014, 1412, Rz 32; zur dahingehenden früheren Rechtsprechung z.B. BFH, Urteil vom 10.04.2008 – VI R 66/05, BFHE 221, 35, BStBl II 2008, 825, unter II. 1.d, m.w.N.[]
  17. BT-Drs. 17/10774, 15[]
  18. BFH, Urteil vom 07.12.2005 – I R 34/05, BFH/NV 2006, 1068, unter II. 5.; FG Köln, Urteil vom 28.01.2015 – 12 K 178/12, EFG 2015, 1532[]