Umsatzsteuerfreiheit für die landwirtschaftliche Betriebshilfe

Die Leistungen eines landwirtschaftlichen Betriebshelfers sind, soweit er sie an einen landwirtschaftlichen Sozialversicherungsträger erbracht hat, gemäß § 4 Nr. 27 Buchst. b 2. Alternative UStG von der Umsatzsteuer befreit. Sofern die Leistungen an die landwirtschaftlichen Betriebe ausgeführt wurden, kann sich der Betriebshelfer unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen.

Umsatzsteuerfreiheit für die landwirtschaftliche Betriebshilfe

Nach § 4 Nr. 27 Buchst. b UStG ist u.a. die Gestellung von Betriebshelfern an die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung steuerfrei. Leistungen, die der Betriebshelfer an den Träger der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-Träger) ausgeführt hat, sind daher gemäß § 4 Nr. 27 Buchst. b 2. Alternative UStG umsatzsteuerfrei; das ist zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig. Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, ist dies der Regelfall; denn der notleidende Landwirt wendet sich üblicherweise an den LSV-Träger, der dann seinerseits einen Betriebshelfer, zum Teil unter Einschaltung des Maschinenrings, stellt. Dieses Verfahren entspricht auch den gesetzlichen Grundlagen in § 9 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte vom 20.12 1988 -KVLG 1989-[1] i.V.m. § 35 der Satzung der Landwirtschaftlichen Krankenkasse in der in den Streitjahren geltenden Fassung. Danach stellt die Krankenkasse dem landwirtschaftlichen Unternehmer Ersatzkräfte als Betriebs- und Haushaltshilfe.

Steuerfrei sind aber auch die Leistungen des Betriebshelfers, die er an die in Not geratenen landwirtschaftlichen Betriebe ausgeführt hat. Der Betriebshelfer kann sich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen.

Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden. Aus dem Wortlaut von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ergibt sich, dass diese Bestimmung auf Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen anwendbar ist, die zum einen von „Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“ erbracht werden, und die zum anderen „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden“ sind[2].

Die vom Betriebshelfer erbrachten Leistungen als Betriebshelfer sind eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden, weil sie nach § 9 KVLG 1989 i.V.m. §§ 28 ff. der Satzung der Landwirtschaftlichen Krankenkasse in der in den Streitjahren geltenden Fassung ausgeführt wurden.

Da der Betriebshelfer keine Einrichtung des öffentlichen Rechts i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ist, können seine Tätigkeiten nur dann von der Mehrwertsteuer befreit sein, wenn der Betriebshelfer von dem Begriff „andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“ umfasst wird.

Der Begriff der Einrichtung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ist grundsätzlich weit genug, um auch natürliche Personen mit Gewinnerzielungsabsicht zu erfassen[3].

Die MwStSystRL legt die Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung nicht fest. Vielmehr ist es Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen[4]. Dabei haben die nationalen Behörden im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte die für die Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zu diesen gehören das Bestehen spezifischer Vorschriften -seien es nationale oder regionale, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit-, das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und dass die Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden[5]. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Kosten im konkreten Fall tatsächlich übernommen worden sind, sondern es reicht aus, dass sie übernehmbar sind[6]. Es ist Sache des nationalen Gerichts, anhand aller maßgeblichen Umstände zu bestimmen, ob der Steuerpflichtige als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt ist[7].

Für die Betriebshilfe bestehen in § 9 KVLG 1989 und in §§ 28 ff. der Satzung der Landwirtschaftlichen Krankenkasse, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, regionale spezifische Vorschriften des Sozialrechts, in denen die Voraussetzungen und die Durchführung der Betriebshilfe als Krankenversicherungsleistung im Einzelnen geregelt sind. An der Tätigkeit von Betriebshelfern besteht auch ein hohes Gemeinwohlinteresse, denn deren Einsatz stellt eine Sonderform des Krankengeldes und damit eine soziale Leistung dar. Ferner beruhte der Einsatz der nebenberuflichen Einsatzkräfte -und damit auch des Betriebshelfers- auf dem Vertrag zwischen dem Maschinenring und dem LSV-Träger. Dieser übernahm die Kosten für die Betriebshilfeleistungen des Betriebshelfers[8].

Soweit sich aus Abschn. 4.27.2. des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses etwas anderes ergibt, folgt der Bundesfinanzhof dem nicht.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 31. Mai 2017 – V R 31/16

  1. BGBl I 1988, 2477, 2557[]
  2. BFH, Urteil vom 18.02.2016 – V R 46/14, BFHE 253, 421, Rz 29; EuGH, Urteile „Les Jardins de Jouvence SCRL“ vom 21.01.2016 – C-335/14, EU:C:2016:36, Rz 29; „Zimmermann“ vom 15.11.2012 – C-174/11, EU:C:2012:716, Rz 21; „Kingscrest Associates und Montecello“ vom 26.05.2005 – C-498/03, EU:C:2005:322, Rz 34[]
  3. vgl. EuGH, Urteile Gregg vom 07.09.1999 – C-216/97, EU:C:1999:390, Rz 17; Kingscrest Associates und Montecello, EU:C:2005:322, zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g und h der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern; BFH, Urteil vom 08.11.2007 – V R 2/06, BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634, Rz 33[]
  4. EuGH, Urteile „Zimmermann“, EU:C:2012:716, Rz 26; „Kingscrest Associates und Montecello“, EU:C:2005:322, Rz 49, 51[]
  5. BFH, Urteile in BFHE 253, 421, Rz 30; vom 05.06.2014 – V R 19/13, BFHE 245, 433, Rz 24; vom 25.04.2013 – V R 7/11, BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976, Rz 20; EuGH, Urteile „Les Jardins de Jouvence SCRL“, EU:C:2016:36, Rz 35; „Go fair-Zeitarbeit“ vom 12.03.2015 – C-594/13, EU:C:2015:164, Rz 20; „Zimmermann“, EU:C:2012:716, Rz 26[]
  6. z.B. BFH, Urteile in BFHE 253, 421, Rz 30; vom 08.08.2013 – V R 8/12, BFHE 242, 548, Rz 40; vom 18.08.2005 – V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143, Rz 52[]
  7. BFH, Urteil vom 19.03.2013 – XI R 47/07, BFHE 240, 439, Rz 32; EuGH, Urteil „Zimmermann“, EU:C:2012:716, Rz 32[]
  8. vgl. auch BFH, Urteil in BFHE 251, 282, Rz 20[]