Stillhalterprämien und Barausgleich

Bei Optionsgeschäften führt der im Rahmen des Basisgeschäfts gezahlte Barausgleich vor Einführung der Abgeltungsteuer sowohl beim Stillhalter als auch beim Optionsinhaber zu Einkünften aus Termingeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. Der Barausgleich ist beim Stillhalter auch nach Einführung der Abgeltungsteuer als Verlust aus einem Termingeschäft nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG abzugsfähig[1].

Stillhalterprämien und Barausgleich

Zahlt der Stillhalter bei einem Optionsgeschäft einen Barausgleich, führt dies zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Urteilsfall hatte der Anleger vor und nach der Einführung der Abgeltungsteuer am 1.01.2009 Verkaufs- und Kaufoptionen auf den Dow Jones Euro-Stoxx-50-Index eingeräumt. Für die Übernahme der Verpflichtung, zum Ende der Laufzeit der Option die Differenz zwischen dem tatsächlichen Schlussabrechnungspreis und dem Basiswert auszugleichen, erhielt er eine Stillhalterprämie. Diese unterlag vor der Einführung der Abgeltungsteuer der Besteuerung nach § 22 Nr. 3 EStG und wird seit dem 1.01.2009 gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG besteuert. Die steuerliche Berücksichtigung des vom Anleger nach Endfälligkeit der Optionen gezahlten Barausgleichs lehnte das Finanzamt ab.

Die hiergegen erhobene Klage hatte zunächst vor dem Niedersächsischen Finanzgericht Erfolg[2], Dagegen gab der Bundesfinanzhof der Revision des Finanzamt statt und wies die Klage ab:

Zwar ist der Barausgleich entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung sowohl vor als auch nach Einführung der Abgeltungsteuer als Verlust des Stillhalters aus einem Termingeschäft steuerlich zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts können jedoch Verluste aus dem Barausgleich für Optionen, die vor der Einführung der Abgeltungsteuer eingeräumt wurden und unter die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG in der bis zum 31.12 2008 geltenden Fassung fallen, nur mit positiven Einkünften i.S. des § 23 EStG und mit Kapitalerträgen i.S. des § 20 Abs. 1 EStG verrechnet werden. Da die Anleger keine derartigen Einkünfte erzielt hatten, war die Klage mangels Verrechnungsmöglichkeit insoweit unbegründet. Dagegen können Verluste des Stillhalters, die unter die Neuregelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG fallen auch mit positiven Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 1 EStG verrechnet werden. Insoweit hatte die Klage Erfolg, da die Anleger im Streitjahr derartige Einkünfte erzielt hatten. Der Bundesfinanzhof sieht diese Ungleichbehandlung aufgrund des grundlegenden Systemwechsels als verfassungsrechtlich gerechtfertigt an.

Der vom Anleger bei Endfälligkeit des Optionsgeschäfts 1 gezahlte Barausgleich in Höhe von 165.791 EUR ist gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG in der bis zum 31.12 2008 geltenden Fassung (a.F.) als Verlust aus einem privaten Veräußerungsgeschäft steuerlich zu berücksichtigen. Der Verlust ist gemäß §§ 23 Abs. 3 Satz 9, 20 Abs. 6 Satz 1 EStG mit den Einkünften der Anleger aus § 20 Abs. 2 EStG zu verrechnen. Der vom Anleger bei Endfälligkeit des Optionsgeschäfts 2 gezahlte Barausgleich in Höhe von 19.299 EUR ist als Verlust aus einem Termingeschäft gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 Satz 5 EStG steuerlich zu berücksichtigen. Der Verlust ist gemäß § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG mit den Einkünften der Anleger aus § 20 Abs. 1 EStG zu verrechnen.

Der Barausgleich aus der Option 1 in Höhe von 165.791 EUR ist nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. als Verlust aus einem Veräußerungsgeschäft steuerlich zu berücksichtigen. Für eine analoge Anwendung des mit der Abgeltungsteuer eingeführten § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG ist mangels einer Regelungslücke -entgegen der Rechtsansicht des Finanzgericht- kein Raum.

Nach § 52a Abs. 11 Satz 6 EStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes (UntStRefG) 2008 vom 14.08.2007 ist § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. weiterhin auf Termingeschäfte anzuwenden, bei denen der Erwerb des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nach dem 31.12 1998 und vor dem 1.01.2009 erfolgt ist. Der Anleger hat die Option 1 am 19.12 2008 gewährt, so dass nach der Übergangsregelung § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. anwendbar ist.

Wie der Bundesfinanzhof bereits in seinen Urteilen vom 13.02.2008[3]; vom 11.02.2014[4]; vom 12.07.2016[5] und in seinem Beschluss vom 25.05.2010[6] ausgeführt hat, zählt der Verlust des Stillhalters, der durch einen Barausgleich im Basisgeschäft entsteht, seit der Einführung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999[7] nicht mehr zur nicht steuerbaren Vermögensebene. Unter das Termingeschäft fällt auch der Barausgleich, so dass dieser im Rahmen der Einkunftsart des § 22 Nr. 2 EStG (private Veräußerungsgeschäfte § 23 Abs. 1 EStG) steuerlich zu berücksichtigen ist[8].

Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11.10.2010[9], mit dem der BFH, Beschluss in BFH/NV 2010, 1627 aufgehoben wurde, folgt nichts anderes. Die dortigen Ausführungen beruhen auf den Besonderheiten eines Eilverfahrens und beziehen sich auf die im Aussetzungsverfahren gebotene Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes. Sie treffen keine Aussage zu der vorliegenden Streitfrage[10].

An dieser Rechtsprechung hält der Bundesfinanzhof auch im vorliegenden Fall fest.

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG a.F. sind private Veräußerungsgeschäfte „Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldvorteil oder Vorteil erlangt, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt“. Auslösendes Moment für die Besteuerung ist die Durchführung des Basisgeschäfts oder des Differenzausgleichs innerhalb der vom Gesetz vorgegebenen Veräußerungsfrist[11]. Hierunter fällt nach herrschender Auffassung auch der von dem Stillhalter gezahlte Barausgleich. Dieser Barausgleich ist der Differenzausgleich i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. Das Gesetz erfasst mit dem Barausgleich nicht nur eine positive Differenz, sondern folgerichtig auch eine negative Differenz als Verlust. Vorteil ist danach auch der Nachteil, soweit er auf dem Basisgeschäft beruht[12].

Zwar wird in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch darauf verwiesen, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. lediglich Optionen betrifft, die der Berechtigte erwirbt, nicht aber solche, die er einräumt[13]. Diese Aussage bezieht sich jedoch allein auf die Besteuerung der Stillhalterprämie, die nach der Rechtslage vor der Einführung der Abgeltungsteuer unter den Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG a.F. fiel. Die Stillhalterprämie ist kein Geldbetrag i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F., weil sie sich nicht durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmt. Es handelt sich um die Gegenleistung für eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, nämlich für die vom Stillhalter vertraglich eingegangene Bindung und das damit verbundene Risiko, aus der Option in Anspruch genommen zu werden[14]. Davon getrennt zu betrachten ist die Besteuerung des Basisgeschäfts bzw. des Differenzausgleichs, da bei der Besteuerung eines Optionsgeschäfts zwischen Eröffnungsgeschäft, Basisgeschäft und Gegen- bzw. Glattstellungsgeschäft zu trennen ist[15]. Soweit der BFH mit seinen Urteilen jeweils vom 12.01.2016[16] seine Rechtsprechung dahingehend geändert hat, dass beim Optionsinhaber die Anschaffung der Option und der Ausgang des Optionsgeschäfts (Eröffnungs- und Basisgeschäft) bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise grundsätzlich als Einheit betrachtet werden müssen, gilt dies nur für die veränderte Gesetzeslage durch das UntStRefG 2008 und ist auf die Besteuerung des Stillhalters vor Einführung der Abgeltungsteuer nicht zu übertragen.

Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG a.F. ist „Gewinn oder Verlust bei einem Termingeschäft nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 […] der Differenzausgleich oder der durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmte Geldbetrag oder Vorteil abzüglich der Werbungskosten“. Hierunter fällt auch der negative Differenzausgleich als Verlust. Auch ein solcher kann bei einem Termingeschäft „erlangt“ werden[17].

Die steuerliche Erfassung eines negativen Differenzausgleichs des Stillhalters ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Sie entspricht dem Gebot der Folgerichtigkeit und Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes[18]. Die Leistungsfähigkeit des Stillhalters ist um den Barausgleich gemindert. Der Barausgleich ist danach als Verlust ebenso steuerlich zu berücksichtigen wie die als positive Einkünfte an den Stillhalter gezahlte Prämie, die vor der Einführung der Abgeltungsteuer gemäß § 22 Nr. 3 EStG a.F. der Besteuerung unterlag[19].

Die Ausübung der Option 1 erfolgte am 19.06.2009 und damit innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. von einem Jahr. Danach ist der vom Anleger im Streitjahr gezahlte Barausgleich für die Option 1 in Höhe von 165.791 EUR als Verlust aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 5 EStG a.F. steuerlich zu berücksichtigen.

Der Verlust aus der Option 1 ist jedoch -entgegen der Auffassung des Finanzgericht- nicht mit den Kapitalerträgen des Anlegers i.S. des § 20 Abs. 1 EStG zu verrechnen. Der unter die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. fallende Altverlust kann gemäß §§ 23 Abs. 3 Satz 9, 20 Abs. 6 Satz 1 EStG nur mit positiven Einkünften der Anleger i.S. des § 20 Abs. 2 EStG in Höhe von jeweils 6 EUR ausgeglichen werden. Der darüber hinaus gehende Klageantrag ist abzuweisen.

Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften dürfen nach § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt, ausgeglichen werden. Diese Verlustverrechnungsmöglichkeit ist im Streitfall nicht gegeben, da die Anleger im Streitjahr keine positiven Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG erzielt haben.

Für sog. Altverluste aus Veräußerungsgeschäften, auf die § 23 EStG a.F. anzuwenden ist, hat der Gesetzgeber eine zusätzliche Verlustverrechnungsmöglichkeit geschaffen. Nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG kann ein Verlust aus einem Termingeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. abweichend von Satz 7 der Vorschrift auch mit Einkünften aus § 20 Abs. 2 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 verrechnet werden. Gemäß § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG sind verbleibende positive Einkünfte aus Kapitalvermögen nach der Verrechnung i.S. des § 43a Abs. 3 EStG zunächst mit Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Maßgabe des § 23 Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG zu verrechnen. Der Altverlust des Anlegers aus der Option 1 ist somit mit seinen positiven Einkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG in Höhe von 6 EUR zu verrechnen.

Die erweiterte Verlustverrechnung nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG bezieht sich ihrem eindeutigen Wortlaut und ihrem Zweck nach nicht auf positive Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 EStG. Denn durch die Übergangsregelung sollte die bestehende Verlustverrechnung innerhalb der ursprünglich selben Einkunftsquelle nur beibehalten, nicht hingegen auf andere Einkunftsquellen erweitert werden. Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 EStG a.F. waren auch vor Einführung der Abgeltungsteuer nur innerhalb des Verlustverrechnungskreises des § 23 EStG a.F. und nicht mit Einkünften nach § 20 Abs. 1 EStG a.F. verrechenbar.

Die Altverluste aus Termingeschäften werden dadurch zwar schlechter behandelt als Neuverluste aus Termingeschäften, die auch mit positiven Einkünften aus § 20 Abs. 1 EStG verrechnet werden können. Der Bundesfinanzhof sieht die Fortgeltung der Verlustverrechnungsbeschränkung für Altverluste jedoch vor dem Hintergrund des weiten Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers bei der gesetzlichen Ausgestaltung des Übergangs von der Besteuerung der Termingeschäfte als private Veräußerungsgeschäfte zur Besteuerung als Kapitaleinkünfte nach der Abgeltungsteuer als gerechtfertigt an[20]. Zum einen führt die für den Übergangszeitraum geltende erweiterte Verlustverrechnung für Altverluste aus § 23 EStG a.F. zu einer Besserstellung gegenüber der alten Rechtslage, da sie mit allen positiven Einkünften aus § 20 Abs. 2 EStG verrechnet werden können und nicht nur mit solchen, die vor Einführung der Abgeltungsteuer unter § 23 EStG a.F. fielen. Zum anderen verfolgte der Gesetzgeber mit den Übergangsvorschriften das legitime Ziel, Änderungen im Bereich der Einkünfte aus Termingeschäften und damit insgesamt den Systemwechsel zur Abgeltungsteuer erst zum 1.01.2009 in Kraft treten zu lassen. Im Ergebnis sollten alle Termingeschäfte, bei denen die Anschaffung vor dem 1.01.2009 erfolgt war, noch nach der alten Rechtslage besteuert werden[21]. Dieses Vereinfachungsziel liefert einen tragfähigen Sachgrund für die ungleiche Verlustverrechnung von Altverlusten.

Innerhalb des besonderen Verlustverrechnungskreises des § 23 EStG ist auch eine Verlustverrechnung zwischen Ehegatten zulässig[22]. Danach sind die Altverluste des Anlegers aus der Option 1 auch mit den positiven Einkünften der Anlegerin aus § 20 Abs. 2 EStG in Höhe von 6 EUR zu verrechnen.

Auch der Barausgleich aus der Option 2 in Höhe von 19.299 EUR ist als Verlust aus einem Termingeschäft steuerlich zu berücksichtigen. Er fällt unter die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG[1]. Entgegen der Auffassung des Finanzgericht ist für eine analoge Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG mangels einer planwidrigen Regelungslücke kein Raum.

Gemäß § 52a Abs. 10 Satz 3 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG erstmals auf Gewinne aus Termingeschäften anzuwenden, bei denen der Rechtserwerb nach dem 31.12 2008 erfolgt ist. Vorliegend hat der Anleger die Option 2 -und damit den Erwerb des Rechts- im April 2009 eingeräumt. Der Barausgleich fällt danach in den Anwendungsbereich der Neuregelung.

§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG regelt neben § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG die Besteuerung der Wertzuwächse aus Termingeschäften[23]. Der Wortlaut der Vorschrift entspricht im Wesentlichen der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 1. Halbsatz EStG a.F. Nach der Neuregelung gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch „der Gewinn bei Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt“. Zu den Termingeschäften gehören -wie bereits ausgeführt- auch die Optionsgeschäfte. Auch ein negativer Differenzausgleich kann vom Stillhalter bei der Durchführung eines Termingeschäfts i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG „erlangt“ werden. Gewinn bei einem Termingeschäft ist gemäß § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG der Differenzausgleich oder der durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmte Geldbetrag oder Vorteil abzüglich der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Termingeschäft stehen. Gewinn kann danach auch negativ ein Verlust sein[24]. Dies ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Der vom Stillhalter gezahlte Barausgleich ist danach auch nach der Neuregelung der Termingeschäfte durch das UntStRefG 2008 als Verlust bei einem Termingeschäft gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG steuerlich zu berücksichtigen[25].

Hierfür spricht auch, dass es nach dem Wortlaut der Neuregelung ausreicht, dass der Gewinn „bei“ einem Termingeschäft erzielt wird. Die Neuregelung ist danach weiter gefasst als der Besteuerungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 1. Halbsatz EStG a.F. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG gegenüber der Vorgängerregelung zu erweitern[26]. Ein der Berücksichtigung des Barausgleichs entgegenstehender Wille des Gesetzgebers lässt sich der Gesetzesbegründung dagegen nicht entnehmen.

Dem steht auch die Änderung der Rechtsprechung des BFH, dass nach der Einführung der Abgeltungsteuer bei dem Optionsinhaber die Anschaffung der Option und der Ausgang des Optionsgeschäfts (Eröffnungs- und Basisgeschäft) bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise grundsätzlich als Einheit betrachtet werden müssen[27], nicht entgegen. Für die Besteuerung des Stillhalters ordnet das Gesetz eine „getrennte“ Besteuerung der Stillhalterprämie und der Glattstellungsgeschäfte in § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG an, ohne dort den Barausgleich zu regeln. Dieser fällt unter die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG.

Der unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG fallende Verlust des Anlegers aus der Option 2 in Höhe von 19.299 EUR kann gemäß § 20 Abs. 6 EStG mit den positiven Einkünften aus § 20 Abs. 1 EStG verrechnet werden. Das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG greift nicht[28].

Auch die Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG steht der Verlustverrechnung nicht entgegen. Die Vorschrift, nach der Verluste aus Kapitalvermögen, die der Kapitalertragsteuer unterliegen, nur verrechnet werden dürfen, wenn eine Bescheinigung der auszahlenden Stelle i.S. des § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG vorliegt, dient der Verhinderung eines doppelten Verlustabzugs[29]. Eine solche Gefahr ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die auszahlende Stelle ist aufgrund der von der Finanzverwaltung geäußerten Verwaltungsauffassung davon ausgegangen, dass der vom Stillhalter geleistete Barausgleich einkommensteuerrechtlich unbeachtlich ist[30]. Es ist daher ausgeschlossen, dass der Verlust aus dem vom Anleger geleisteten Barausgleich doppelt berücksichtigt wurde. Es wäre reiner Formalismus, in diesem Fall für die Verlustverrechnung eine Bescheinigung i.S. des § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG zu verlangen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. Oktober 2016 – VIII R 55/13

  1. entgegen BMF, Schreiben vom 09.10.2012 – IV C 1-S 2252/10/10013, BStBl I 2012, 953, zuletzt geändert durch BMF, Schreiben vom 18.01.2016 – IV C 1-S 2252/08/10004:017, 2015/0468306, BStBl I 2016, 85, Rz 26 und 34[][]
  2. Nds. FG, Urteil vom 28.08.2013 – 2 K 35/13[]
  3. BFH, Urteil vom 13.02.2008 – IX R 68/07, BFHE 220, 436, BStBl II 2008, 522, unter II. 1.c[]
  4. BFH, Urteil vom 11.02.2014 – IX R 10/12, BFH/NV 2014, 1020, unter II. 2.c bb[]
  5. BFH, Urteil vom 12.07.2016 – IX R 11/14, unter II. 3.b[]
  6. BFH, Beschluss vom 25.05.2010 – IX B 179/09, BFH/NV 2010, 1627, unter II. 2.a[]
  7. BGBl I 1999, 402[]
  8. ebenso: Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz 73; Jachmann/Lindenberg in Lademann, EStG, § 20 EStG Rz 511; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 20 Rz 116a; Aigner/Balbinot, DStR 2015, 198 f.; Helios/Philipp, Finanz-Rundschau 2010, 1053 f.; Hahne/Krause, BB 2008, 1101 f.[]
  9. BVerfG, Beschluss vom 11.10.2010 – 2 BvR 1710/10, HFR 2011, 89[]
  10. so auch BFH, Urteil in BFH/NV 2014, 1020, unter II. 2.c bb[]
  11. vgl. BFH, Urteil vom 19.12 2007 – IX R 11/06, BFHE 219, 574, BStBl II 2008, 519[]
  12. vgl. BFH, Urteil vom 26.09.2012 – IX R 50/09, BFHE 239, 95, BStBl II 2013, 231, unter II. 2.c[]
  13. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 11.02.2014 – IX R 46/12, BFH/NV 2014, 1025, unter II. 2.b cc; vom 17.04.2007 – IX R 40/06, BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608[]
  14. BFH, Urteil in BFH/NV 2014, 1025, unter II. 2.a[]
  15. ständige Rechtsprechung zur Rechtslage vor Einführung der Abgeltungsteuer, z.B. BFH, Urteile vom 10.02.2015 – IX R 8/14, BFH/NV 2015, 830, unter II. 1.a; in BFH/NV 2014, 1025, unter II. 2.a; in BFH/NV 2014, 1020, unter II. 2.a; in BFHE 220, 436, BStBl II 2008, 522, unter II. 1.b, m.w.N.[]
  16. BFH, Urteile vom 12.01.2016 – IX R 48/14, BFHE 252, 423, BStBl II 2016, 456; – IX R 49/14, BFHE 252, 430, BStBl II 2016, 459; und IX R 50/14, BFHE 252, 436, BStBl II 2016, 462[]
  17. BFH, Urteil in BFHE 239, 95, BStBl II 2013, 231, unter II. 2.c; a.A. FG Hamburg, Urteil vom 10.06.2016 5 K 185/13, EFG 2016, 1432[]
  18. vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, BGBl I 2010, 1766, unter D.III. 1.a und 2.[]
  19. ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH, Urteil in BFH/NV 2015, 830[]
  20. vgl. BFH, Urteil vom 03.11.2015 – VIII R 37/13, BFHE 252, 274, BStBl II 2016, 273[]
  21. vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 73[]
  22. vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 35. Aufl., § 23 Rz 97; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz 320; Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz 235; FG Köln, Urteil vom 20.04.2012 4 K 1027/09, EFG 2012, 1741; BMF, Schreiben vom 05.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00, BStBl I 2000, 1383, Rz 41[]
  23. s. BT-Drs. 16/4841, S. 55[]
  24. vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 57[]
  25. Jachmann/Lindenberg in Lademann, a.a.O., § 20 EStG Rz 511; Jochum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 20 Rz C/11 12; D/3 29; Helios/Philipp, BB 2010, 95; Aigner/Balbinot, DStR 2015, 198, 203; Moritz/Strohm, Der Betrieb 2013, 603, 607; a.A. Finanzgericht Hamburg, Urteil in EFG 2016, 1432[]
  26. BT-Drs. 16/4841, S. 55[]
  27. BFH, Urteile in BFHE 252, 423, BStBl II 2016, 456; in BFHE 252, 430, BStBl II 2016, 459, und in BFHE 252, 436, BStBl II 2016, 462[]
  28. vgl. BFH, Urteil in BFHE 252, 423, BStBl II 2016, 456; a.A. Finanzgericht Hamburg, Urteil in EFG 2016, 1432[]
  29. Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 20 Rz 190[]
  30. BMF, Schreiben vom 22.12 2009 – IV C 1-S 2252/08/10004, BStBl I 2010, 94, Rz 26 und 34, zuletzt geändert durch BMF, Schreiben in BStBl I 2012, 953[]