Gewerbesteuerliches Bankenprivileg für die Konzernfinanzierung

Auch Konzernfinanzierungsgesellschaften können Kreditinstitute i.S. des § 1 KWG sein und die Voraussetzungen des sog. Bankenprivilegs (§ 19 Abs. 1 GewStDV) erfüllen.

Gewerbesteuerliches Bankenprivileg für die Konzernfinanzierung

Nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Viertel der Entgelte für Schulden wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind und soweit die Summe den Betrag von 100.000 EUR übersteigt.

Eine Hinzurechnung ist allerdings nach Maßgabe des auf der Grundlage des § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG ergangenen § 19 Abs. 1 GewStDV (sog. Bankenprivileg) bei Kreditinstituten ausgeschlossen.

Gemäß § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG wird die Bundesregierung -im Einklang mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG[1]– ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen über die Beschränkung der Hinzurechnung von Entgelten für Schulden und ihnen gleichgestellte Beträge (§ 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG). Der aufgrund dieser Ermächtigungsnorm erlassene § 19 GewStDV erfasst nach seinem Wortlaut in Abs. 1 Satz 1 Kreditinstitute i.S. des § 1 Abs. 1 KWG. Bei solchen Kreditinstituten sind nur Entgelte für Schulden und den Entgelten gleichgestellte Beträge anzusetzen, die dem Betrag der Schulden entsprechen, um den der Ansatz bestimmter zum Anlagevermögen gehörender Wirtschaftsgüter und bestimmter Beteiligungen das Eigenkapital überschreitet.

Der Begünstigung des § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG liegt der Gedanke zugrunde, dass Kreditinstitute wirtschaftlich nur Durchlaufstellen des Geld- und Kreditverkehrs sind und dass deshalb das Passiv- und Aktivgeschäft artmäßig in etwa übereinstimmen[2]. Der Verordnungsgeber wollte der wirtschafts, kredit- und währungspolitischen Funktion des Bankgewerbes angemessen Rechnung tragen und den Umstand berücksichtigen, dass bei Banken der Fremdmitteleinsatz typischerweise besonders groß ist[3]. Grundvoraussetzung für die Annahme eines „Kreditinstituts“ i.S. des § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG muss deshalb sein, dass es sich um ein im Wesentlichen am Geld- und Kreditverkehr und damit an den eigentlichen Bankgeschäften ausgerichtetes Unternehmen handelt. Hieraus ist im Sinne einer Negativabgrenzung abzuleiten, dass jedenfalls Unternehmen, die nur deshalb vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (seit 1.05.2002: Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht -BaFin-) als dem Kreditwesengesetz unterstellt angesehen werden, weil sie neben ihrem Warengeschäft in minimalem Umfang auch einige Bankgeschäfte betreiben, nicht als Kreditinstitute i.S. von § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG angesehen werden können[4].

§ 19 GewStDV ist nach seinem Wortlaut auf den Geschäftsbetrieb der Konzernfinanzierungsgesellschaft anzuwenden.

Kreditinstitute sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Bankgeschäfte sind u.a. Kreditgeschäfte in Gestalt der Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG).

Im vorliegenden Fall hat die Konzernfinanzierungsgesellschaft verzinsliche Darlehen an verschiedene Gesellschaften innerhalb der Unternehmensgruppe ausgereicht. Daraus ist abzuleiten, dass sie Bankgeschäfte i.S. des § 1 Abs. 1 KWG gewerbsmäßig betrieben hat, da die Geschäfte auf gewisse Dauer angelegt waren und mit Blick auf eine Marktüblichkeit der Zinssätze eine Gewinnerzielungsabsicht bestand.

Hierdurch wird auch im vorliegenden Fall die Zuordnung der Konzernfinanzierungsgesellschaft zum persönlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 KWG nicht berührt, da sie bislang keine Erlaubnis der Aufsichtsbehörde gemäß § 32 KWG beantragt hat Dies gilt unabhängig davon, dass das Betreiben von Bankgeschäften ohne einschlägige Erlaubnis einen Straftatbestand (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG) erfüllen kann[5].

Darüber hinaus wird der persönliche Anwendungsbereich des § 19 Abs. 1 GewStDV i.V.m. § 1 Abs. 1 KWG nicht durch die Frage berührt, ob das betroffene Unternehmen nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 KWG nicht als Kreditinstitut gilt. Zwar „gelten“ gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG Unternehmen, die Bankgeschäfte ausschließlich mit ihrem Mutterunternehmen oder ihren Tochter- oder Schwesterunternehmen betreiben, nicht als Kreditinstitut (sog. Konzernprivileg). Dabei kann der Streit, ob die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind, hier dahinstehen. Denn auch wenn der Tatbestand erfüllt wäre, würde dies nicht hindern, die Konzernfinanzierungsgesellschaft als Kreditinstitut i.S. des § 19 Abs. 1 GewStDV zu qualifizieren[6]. Dem steht das BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 653 nicht entgegen[7]; soweit der Bundesfinanzhof dort auf § 2 Abs. 1 (Satz 2) Nr. 7 KWG eingegangen war, war dies nicht entscheidungserheblich. Der Bundesfinanzhof hat ausdrücklich auf den zeitlichen Anwendungsbereich der Norm verwiesen, der in den damaligen Streitjahren noch nicht eröffnet war[8].

Dass § 2 KWG den Anwendungsbereich des § 19 Abs. 1 GewStDV nicht „sperrt“, folgt zunächst aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 GewStDV. Dieser nimmt ausschließlich auf § 1 Abs. 1 KWG und nicht auch auf § 2 KWG Bezug[9]. Darüber hinaus hat das Finanzgericht zutreffend auf den Zweck jener Regelung verwiesen: Die in § 2 KWG angeführten Institute und Unternehmen unterstehen nicht der Aufsicht durch die BaFin und sind von der Erlaubnispflicht gemäß § 32 KWG ausgenommen[10]. Diese begünstigende Wirkung der Regelung würde aber im gewissen Sinne konterkariert, wenn zugleich damit -als Rückausnahme zu § 19 GewStDV- die Hinzurechnung von Entgelten für Schulden wieder eröffnet würde. Jedenfalls hätte der Verordnungsgeber eine solche Konsequenz durch eindeutige Ausgestaltung des Tatbestands ausdrücklich anordnen müssen, wie er im Übrigen in § 19 Abs. 4 GewStDV für Finanzdienstleistungsinstitute auf diverse Regelungen des § 2 KWG Bezug genommen hat. Nicht zuletzt ist darauf zu verweisen, dass sich § 19 GewStDV in der bis zum Erhebungszeitraum 1989 geltenden Fassung tatbestandlich auf „Unternehmen, für die die Vorschriften des Gesetzes über das Kreditwesen gelten“ mit der Folge bezog, dass der persönliche Anwendungsbereich nur für solche Unternehmen eröffnet war, die tatsächlich in ihrer Tätigkeit entsprechenden Regelungen unterworfen waren[11]. Auch wenn nicht ersichtlich ist, dass der Verordnungsgeber mit der neuen Fassung des Tatbestands den persönlichen Anwendungsbereich der Regelung „bewusst“ ausweiten wollte[12], hat er diese Möglichkeit dennoch eröffnet. Dass § 19 Abs. 2 Satz 1 GewStDV -als Anwendungsvoraussetzung für § 19 Abs. 1 GewStDV- auf „Monatsausweise i.S. § 25 KWG“ verweist[13], steht dem nicht entgegen, da die „Überwiegensprüfung“ auch alternativ auf der Grundlage „entsprechender Statistiken“ stattfinden kann.

Das Finanzgericht hat ferner zu Recht eine vom Wortlaut des § 19 Abs. 1 GewStDV abweichende (einschränkende) Auslegung, die Konzernfinanzierungsgesellschaften aus dem Tatbestand ausnimmt[14], abgelehnt. Insbesondere widerstreitet diese Ansicht nicht dem der Ermächtigungsgrundlage (§ 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG) zugrunde liegenden Regelungszweck. Denn wenn es darum geht, dass Kreditinstitute wirtschaftlich nur Durchlaufstellen des Geld- und Kreditverkehrs sind (Passiv- und Aktivgeschäft mithin in etwa übereinstimmen) und dass mit Blick auf einen typischerweise großen Fremdmitteleinsatz die Hinzurechnung von Entgelten für Schulden eingeschränkt werden soll, ist diese Wirtschaftsform nach den Feststellungen des Finanzgericht auch bei der Konzernfinanzierungsgesellschaft erfüllt: Die Konzernfinanzierungsgesellschaft hat im Streitjahr nach diesen Feststellungen keine Geschäfte außer der Ausreichung von Darlehen an verbundene Unternehmen und der Aufnahme von Darlehen bei einer Bank und bei F zu deren Finanzierung getätigt. Auch wenn der Verordnungsgeber der wirtschafts, kredit- und währungspolitischen Funktion des Bankgewerbes angemessen Rechnung tragen wollte, liegt der Anknüpfungspunkt im hohen Fremdmitteleinsatz und einer Art „Durchlaufsituation“ bei der Kreditgewährung, also bei Merkmalen, die auch von der Konzernfinanzierungsgesellschaft erfüllt wurden. Der Umfang der Teilnahme am öffentlichen Geld- und Kreditgeschäft ist kein trennscharfes Abgrenzungskriterium; Gleiches gilt für die Frage danach, ob die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens ein gesamtwirtschaftliches Risiko darstellen würde[15]. Auch dies wird sich insbesondere bei Finanzierungsgesellschaften von Großkonzernen nicht immer zweifelsfrei beantworten lassen.

Die Ansicht des Bundesfinanzhofs begründet keine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung i.S. von Art. 3 Abs. 1 GG. Die Möglichkeit einer Ausgliederung der Finanzierungsaufgabe zur Erledigung in einem selbständigen Unternehmen diskriminiert solche Unternehmen nicht, die diese Möglichkeit nicht nutzen. Demgemäß ist auch nicht darauf einzugehen, dass sich nach Äußerungen im Schrifttum gerade größere Unternehmensgruppen der im internationalen Vergleich unüblichen Hinzurechnung von Entgelten für Schulden durch Gründung einer ausländischen Konzernfinanzierungsgesellschaft entzogen haben[16].

Die Anwendung des § 19 Abs. 1 GewStDV ist im Streitfall auch nicht durch das Nachweiserfordernis in § 19 Abs. 2 GewStDV ausgeschlossen. Den Feststellungen des Finanzgericht lässt sich mit Blick auf einen formalen Nachweis der „Überwiegensprüfung“ jener Regelung (durch sog. Monatsausweise nach § 25 KWG [s. dazu § 25 Abs. 1 Satz 1 KWG], evtl. auch durch „entsprechende Statistiken“ [Terminus erwähnt in § 25 Abs. 1 Satz 3 KWG]) nichts entnehmen. Das Finanzgericht hat allerdings festgestellt, dass die Konzernfinanzierungsgesellschaft ausschließlich die begünstigten „Bankgeschäfte“ betrieben hat. Wenn damit zweifelsfrei feststeht, dass die Konzernfinanzierungsgesellschaft die materiellen Voraussetzungen erfüllt, muss dies nicht noch gesondert nachgewiesen werden[17].

Nach der Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 GewStDV waren im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall für die Anwendung des § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG keine Entgelte für Schulden anzusetzen.

Bei Kreditinstituten i.S. des § 1 Abs. 1 KWG sind nur Entgelte für Schulden anzusetzen, die dem Betrag der Schulden entsprechen, um den der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörenden Grundstücke, Gebäude, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Schiffe, Anteile an Kreditinstituten und sonstigen Unternehmen sowie der Forderungen aus Vermögenseinlagen als stiller Gesellschafter und aus Genussrechten das Eigenkapital überschreitet; hierunter fallen nicht Gegenstände, über die Leasingverträge abgeschlossen worden sind (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GewStDV). Da sich nach den Feststellungen des Finanzgericht im Anlagevermögen der Konzernfinanzierungsgesellschaft auf den 31.12 2011 keine Wirtschaftsgüter dieser Art befanden, ist der Schuldenhöchstbetrag mit 0 EUR anzusetzen. Dem steht nicht entgegen, dass die Konzernfinanzierungsgesellschaft in ihrer Bilanz auf diesen Stichtag einen nicht gedeckten Fehlbetrag aufweist.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 6. Dezember 2016 – I R 79/15

  1. vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.10.1976 – 1 BvR 197/73, BVerfGE 42, 374[]
  2. BFH, Urteil vom 16.10.2002 – I R 23/02, BFH/NV 2003, 653; BFH, Urteil vom 10.02.1987 – VIII R 257/81, BFH/NV 1987, 391; beide m.w.N.[]
  3. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 42, 374[]
  4. so BFH, Urteil in BFH/NV 1987, 391[]
  5. s. BFH, Urteil in BFH/NV 2003, 653, m.w.N.; s.a. Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl., § 8 Nr. 1a Rz 93a; Köster in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 1 Buchst. a Rz 196a; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 5. Aufl., § 1 Rz 12[]
  6. so im Ergebnis auch Blümich/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 93; Schmid/Stoll, BB 2005, 582, 583 f.[]
  7. so aber Linkermann, EFG 2016, 138[]
  8. s.a. Gosch, BFH/PR 2003, 144[]
  9. s. insoweit bereits Pyszka/Brauer, DB 2002, 2456, 2457; Gosch, BFH/PR 2003, 144[]
  10. Fischer/Müller in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, a.a.O., § 32 Rz 22[]
  11. s. Pyszka/Brauer, DB 2002, 2456, 2457; Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 28.02.2002 6 K 914/99, EFG 2002, 778 [als Vorinstanz zum BFH, Urteil in BFH/NV 2003, 653][]
  12. s. Pyszka/Brauer, DB 2002, 2456, 2457 mit Hinweis auf BT-Drs. 11/2157, S. 176[]
  13. s.a. Pyszka/Brauer, DB 2002, 2456, 2457[]
  14. dafür Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 8 Nr. 1a Rz 93a; wohl auch Pyszka/Brauer, DB 2002, 2456, 2457; dagegen Blümich/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 93; Schmid/Stoll, BB 2005, 582, 584[]
  15. Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, a.a.O., § 2 Rz 29[]
  16. s. Pyszka/Brauer, DB 2002, 2456, 2457 [dort Fußnote 10][]
  17. s. zum Nachweiserfordernis des § 50d Abs. 8 EStG das BFH, Urteil vom 11.01.2012 – I R 27/11, BFHE 236, 327, dort Rz 12[]