Ein Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 Abs. 1 AO besteht nicht, wenn eine Steuer durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung im Erhebungsverfahren erlassen wird. Das gilt auch bei § 33 Abs. 1 GrStG.

Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag gemäß § 236 Abs. 1 Satz 1 AO vorbehaltlich des Abs. 3 vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. § 236 AO sieht aber nach ständiger Rechtsprechung keinen Anspruch auf Prozesszinsen vor, wenn die vorausgegangene gerichtliche Entscheidung nicht im Steuerfestsetzungsverfahren, sondern im Steuererhebungsverfahren ergangen ist [1].
Das ist z.B. der Fall, wenn Steuern nach § 227 AO erlassen worden sind [2].
An eine analoge Anwendung des § 236 AO sind wegen des ersichtlich abschließenden Charakters dieses Zinstatbestands strenge Anforderungen zu stellen [3]. Für die Fälle des Rechtsstreits über einen Abrechnungsbescheid und des Erlasses von Steuern nach § 227 AO hat die Rechtsprechung eine Analogie abgelehnt [4].
Das BFH, Urteil vom 05.04.2006 [5] führt zu keinem anderen Ergebnis. Der I. Bundesfinanzhof hat darin Prozesszinsen wegen einer besonderen Verfahrenskonstellation zugesprochen. Für „Streitigkeiten im Erhebungsverfahren ohne Bezug zu einer Steuerfestsetzung“ [6] hat er aber an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten.
Der BFH hat sich auch bereits mit dem Argument befasst, das Ergebnis sei aus der Sicht des Steuerpflichtigen unbefriedigend [7]. Die Beschränkung der Prozesszinsen muss dennoch, weil vom Gesetzgeber gewollt, beachtet werden; von einem allgemeinen Rechtsgrundsatz auf (angemessene) Verzinsung rückständiger Staatsleistungen kann nicht ausgegangen werden [8].
Für den Erlass von Grundsteuer nach § 33 GrStG gelten keine anderen Maßstäbe. Es handelt sich dabei um eine dem Erlass nach § 227 AO vergleichbare Entscheidung, die im Steuererhebungsverfahren getroffen wird [9]. Dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 3 GrStG ein Rechtsanspruch auf Erlass der Grundsteuer besteht [10], ist für die Frage der Verzinsung des Erstattungsbetrags nach § 236 Abs. 1 Satz 1 AO ohne Bedeutung.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20. April 2020 – II B 22/19
- BFH, Urteil vom 26.04.1988 – VII R 97/87, BFHE 153, 490, BStBl II 1988, 865, unter II. 4.; BFH, Beschluss vom 01.04.2008 – V B 178/06, Zeitschrift für Steuern und Recht 2008, R698, unter II. 2., m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 16.05.2013 – II R 20/11, BFHE 241, 320, BStBl II 2013, 770, Rz 17; BFH, Beschluss vom 20.01.1999 – IV B 40/98, BFH/NV 1999, 1055, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 29.08.2012 – II R 49/11, BFHE 238, 499, BStBl II 2013, 104, Rz 24[↩]
- BFH, Urteile vom 12.05.1987 – VII R 203/83, BFHE 150, 298, BStBl II 1987, 702; in BFHE 153, 490, BStBl II 1988, 865, unter II. 4.[↩]
- BFH, Urteil vom 05.04.2006 – I R 80/04, BFH/NV 2006, 1435[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2006, 1435, unter II. 2.[↩]
- so Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 236 AO Rz 6[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 29.04.1997 – VII R 91/96, BFHE 182, 253, BStBl II 1997, 476, unter II. 2.b; BFH, Beschluss in BFH/NV 1999, 1055[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 30.07.2008 – II R 5/07, BFH/NV 2009, 7, unter II. 1.[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2009, 7, unter II. 1., m.w.N.[↩]