Eine Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan stellt auf den dort benannten Wirkungszeitpunkt einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG dar. Der maßgebende Steuersatz richtet sich nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Ausführungsanordnung. Unerheblich ist, ob eine Bindung der Beteiligten vorgelagert ist, sei es durch eine wirksame Planvereinbarung, sei es durch eine etwaige Unwiderruflichkeit der Zustimmung zur Übernahme von Land.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer der Übergang des Eigentums an einem inländischen Grundstück, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Eine Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan stellt auf den dort benannten Wirkungszeitpunkt einen steuerbaren Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG dar.
Eine Ausführungsanordnung im Flurbereinigungsverfahren bewirkt hinsichtlich des von ihr erfassten Landes einen Eigentumswechsel.
Aufgrund des der Neugestaltung des Flurbereinigungsgebiets dienenden Flurbereinigungsverfahrens (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 1 FlurbG) werden die Eigentümer der zum Flurbereinigungsgebiet gehörenden Grundstücke (Beteiligte am Verfahren nach § 10 Nr. 1 FlurbG) nach Maßgabe der §§ 44 ff. FlurbG grundsätzlich mit gleichwertigem Land, mit Zustimmung auch in Geld abgefunden (§ 52 FlurbG). Vor Abschluss des Verfahrens können vorläufige Besitzeinweisungen vorgenommen werden (§§ 65 ff. FlurbG). Während des Verfahrens (dazu §§ 109 ff. FlurbG) finden Verhandlungen statt, über die Niederschriften aufzunehmen und von den Beteiligten zu genehmigen sind (§§ 129 bis 131 FlurbG). Der Flurbereinigungsplan fasst die Ergebnisse des Verfahrens zusammen (§§ 56 ff. FlurbG). Wird aufgrund von Geldabfindungen oder werterhöhenden Verbesserungsmaßnahmen Land nicht mehr zur wertgleichen Abfindung benötigt, bestimmt der Flurbereinigungsplan über die Zuteilung (§ 54 Abs. 2 FlurbG).
Die Flurbereinigungsbehörde ordnet die Ausführung des Flurbereinigungsplans entweder nach dessen Unanfechtbarkeit oder vorzeitig an (§§ 61 ff. FlurbG). Zu dem in der Ausführungsanordnung zu bestimmenden Zeitpunkt tritt der im Flurbereinigungsplan vorgesehene neue Rechtszustand an die Stelle des bisherigen (§ 61 Satz 2 FlurbG bzw. § 63 Abs. 1 i.V.m. § 61 Satz 2 FlurbG). Damit ist der Eigentumswechsel bewirkt. Das Grundbuch ist zu berichtigen (§§ 79, 80 FlurbG). Das Verfahren endet durch Schlussfeststellung (§§ 149 ff. FlurbG).
Dem Eigentumswechsel geht kein einen Übereignungsanspruch begründendes Rechtsgeschäft voraus.
Der allgemeine Anspruch auf Abfindung in Land nach § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG verwirklicht noch keinen steuerpflichtigen Erwerbstatbestand. Bis zum Abschluss des Flurbereinigungsverfahrens steht nicht fest, ob es überhaupt und ggf. in welchem Umfang zu einer Zuteilung von Land kommen wird. Auch eine vorläufige Besitzeinweisung vermittelt keine gesicherte Rechtsposition. Nach § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG kann der Flurbereinigungsplan geändert werden, nach § 9 Abs. 1 Satz 1 FlurbG das gesamte Verfahren durch Einstellung beendet werden[1].
Dasselbe gilt, soweit der bisherige Eigentümer einer Abfindung in Geld zustimmt und seine Ansprüche auf Abfindung in Land auf den späteren Erwerber überträgt[2]. Die in einer Verhandlungsniederschrift nach §§ 129 ff. FlurbG erklärte Bereitschaft, Masseland gegen ein bestimmtes Entgelt zu übernehmen, begründet deshalb für sich allein keinen Anspruch auf Übereignung dieses Landes.
Selbst eine im Vorfeld des Flurbereinigungsplans abgeschlossene wirksame Planvereinbarung über eine entsprechende Zuteilung stellt kein Rechtsgeschäft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG dar. Solche grundsätzlich zulässigen öffentlich-rechtlichen Verträge[3] sind zwar Rechtsgeschäfte, die auch durch Verhandlungsniederschrift nach §§ 129 ff. FlurbG geschlossen werden können[4]. Sie führen aber nicht zu einer -unmittelbaren- Verpflichtung zur Übertragung oder zum Erwerb eines Grundstücks[5]. Planvereinbarungen geben nur den Anstoß zu einem infolge eines mehraktigen Verwaltungsverfahrens später eintretenden gesetzlichen Eigentumswechsel.
Der notwendig vor der Ausführungsanordnung erlassene Flurbereinigungsplan ist kein Rechtsgeschäft i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG, sondern Verwaltungsakt[6].
Nach § 61 Satz 2 FlurbG tritt der Eigentumswechsel kraft Anordnung ein. Einer Auflassung bedarf es nicht.
Die Zuteilung nach § 54 Abs. 2 FlurbG ist nicht von der Steuer befreit.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG in der am 29.08.2016 geltenden Fassung war -soweit hier in Betracht kommend- der Übergang des Eigentums durch die Abfindung in Land von der Grunderwerbsteuer ausgenommen. Soweit gemäß § 54 Abs. 2 FlurbG nicht benötigtes Land zugeteilt wird, wird dieses Land nicht zur Abfindung verwendet, weil es zur Abfindung gerade nicht benötigt wird[7].
Einer Entscheidung über die Reichweite der mit Art. 32 des Jahressteuergesetzes 2020[8] in § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG eingefügten Steuerbefreiung einer Mehrzuteilung bedarf es für den streitigen Erwerbsvorgang des Jahres 2016 nicht.
Die Steuer entsteht mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Ausführungsanordnung.
Die Steuer entsteht gemäß § 38 der Abgabenordnung (AO) grundsätzlich, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Ist die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs jedoch von dem Eintritt einer Bedingung abhängig oder bedarf er einer Genehmigung, entsteht die Steuer gemäß § 14 GrEStG erst mit Eintritt der Bedingung oder der Genehmigung.
Bei einem Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG verwirklicht der Übergang des Eigentums den steuerbaren Tatbestand. Das ist im Fall der Landzuteilung im Flurbereinigungsverfahren der Zeitpunkt, in dem die Rechtswirkungen der Ausführungsanordnung eintreten[9]. Die Ausführungsanordnung stand nicht unter einer Bedingung oder Genehmigung.
Der maßgebende Steuersatz richtet sich nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Ausführungsanordnung. Statt des in § 11 Abs. 1 GrEStG vorgesehenen Steuersatzes von 3, 5 % beträgt gemäß Abs. 2 des durch Art. 105 Abs. 2a Satz 2 des Grundgesetzes legitimierten GrEStFestG ND der Steuersatz für Rechtsvorgänge betreffend in Niedersachsen belegene Grundstücke, die ab dem 01.01.2014 verwirklicht werden, 5 %. Eine Ausführungsanordnung im Flurbereinigungsverfahren ist auch im Sinne dieser Vorschrift im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens und damit dem Zeitpunkt des Eigentumswechsels „verwirklicht“.
Der Bundesfinanzhof ist nicht gehindert, über die Auslegung des in dieser Vorschrift verwandten Tatbestandsmerkmals „verwirklicht“ zu entscheiden. Es handelt sich zwar um grundsätzlich nach § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO irrevisibles Landesrecht, während die intertemporale Übergangsvorschrift des -revisiblen- Bundesrechts, § 23 GrEStG, die ebenfalls darauf abstellt, wann Erwerbsvorgänge „verwirklicht“ werden, unmittelbar nicht anzuwenden ist. Zum einen jedoch wird revisibles Recht auch insoweit angewandt, als bei der Auslegung irrevisiblen Rechts eine Bindung an das revisible Recht stattfindet[10]. Es wäre nicht haltbar, die Definition des Merkmals „verwirklicht“ im niedersächsischen Landesrecht anders zu verstehen als in der korrespondierenden Norm des Bundesrechts. Zum anderen hat das Revisionsgericht in jedem Falle zu prüfen, ob das Gericht der Vorinstanz bei der Auslegung von irrevisiblem Landesrecht das Gebot bundesrechtskonformer, insbesondere verfassungskonformer Auslegung beachtet hat[11]. Dazu gehört auch die Frage, wie das Landesrecht unter Vertrauensschutzgesichtspunkten und damit in verfassungskonformer Weise auszulegen ist.
Das Merkmal „verwirklicht“ entspricht im Rahmen des § 23 GrEStG und damit auch des Abs. 2 GrEStFestG ND grundsätzlich der in § 38 AO verwendeten Begrifflichkeit. Danach entstehen die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Dies ist der Übergang des Eigentums. Richtig ist allerdings, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ein Erwerbsvorgang i.S. des § 23 GrEStG verwirklicht ist, wenn das auf ihn abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind, und zwar unabhängig davon, ob dieser Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst oder nicht[12]. Diese Rechtsprechung beansprucht aber ausdrücklich keine Geltung für Erwerbsvorgänge, die nicht in einer rechtsgeschäftlichen Begründung von grunderwerbsteuerrechtlich relevanten (Übertragungs-)Ansprüchen bestehen, sondern am Ende eines durch Rechtsgeschäft eingeleiteten Prozesses kraft Gesetzes eintreten. Bei Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG berühren sowohl die dem Erwerb vorausgehenden Rechtsgeschäfte[13] als auch etwaige öffentlich-rechtliche Rechtsakte gerade noch keinen Grunderwerbsteuertatbestand.
Unerheblich ist, ob der Verwirklichung eine Bindung der Beteiligten vorgelagert ist, sei es durch eine wirksame Planvereinbarung, sei es durch eine etwaige -vorliegend nicht zu beurteilende- Unwiderruflichkeit der Zustimmung zur Übernahme von Land nach § 54 Abs. 2 FlurbG in entsprechender Anwendung von § 52 Abs. 2 Satz 2 FlurbG.
Für den Fall der Umwandlung ist bereits ausdrücklich entschieden, dass der Verwirklichungszeitpunkt, die Eintragung im Handelsregister, davon unabhängig ist, ob sich die an der Umwandlung Beteiligten zuvor mittels ihrer privatrechtlichen rechtsgeschäftlichen Erklärungen gebunden haben, und auch davon, dass sie auf den Verwirklichungszeitpunkt keinen Einfluss mehr haben[14]. Dies kann für eine im öffentlich-rechtlichen Flurbereinigungsverfahren etwa eintretende Bindung der Beteiligten nicht anders betrachtet werden.
Es besteht kein anderweitiger Anlass, aus Gründen des Vertrauensschutzes und damit im Wege der verfassungskonformen Auslegung den Verwirklichungszeitpunkt für das Flurbereinigungsverfahren nach vorn zu verlegen. Daher ist unerheblich, ob eine solche Vorverlegung noch mit dem Gesetzeswortlaut („verwirklicht“) zu vereinbaren wäre. Insbesondere die häufig langen Verfahrensdauern im Flurbereinigungsverfahren -dies ist anders als im Umwandlungsfall- rechtfertigen keine andere Betrachtung. Die Beteiligten eines Flurbereinigungsverfahrens wissen um dessen Dauer. Sie lassen sich deshalb bewusst darauf ein, dass ihre Erklärungen, auch wenn sie sich damit bereits binden, erst zu einem noch unbekannten künftigen Zeitpunkt Rechtswirkungen zeitigen. Dann nehmen sie auch in Kauf, dass der Besteuerungsmodus den künftigen Vorschriften entsprechen wird, die ihnen zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung noch nicht bekannt sind.
Nach diesen Maßstäben hat das Finanzgericht zu Recht erkannt, dass der Eigentumserwerb, den die zum 29.08.2016 wirksam gewordene Ausführungsanordnung bewirkt hat, im Umfang der Mehrabfindung auf diesen Zeitpunkt steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG und steuerpflichtig, insbesondere nicht steuerfrei nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG ist. Es handelte sich um einen gesetzlichen Eigentumswechsel, dem kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen war. Selbst wenn der Teilnehmer an dem Flurbereinigungsverfahren sich durch die Verhandlungsniederschrift zur Übernahme der Mehrzuteilung verpflichtet haben sollte, hätte darin kein solches Rechtsgeschäft gelegen. Da erst in dem Wirksamwerden der Ausführungsanordnung auch die Verwirklichung des Steuertatbestands liegt, nämlich der gesetzliche Eigentumserwerb, ist nach den maßgebenden Übergangsvorschriften der für diesen Zeitpunkt geltende Steuersatz anzuwenden.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. Oktober 2022 – II R 7/20
- BFH, Urteil vom 17.05.2000 – II R 47/99, BFHE 191, 426, BStBl II 2000, 627, unter II. 2.a, b[↩]
- BFH, Urteile vom 23.08.2006 – II R 41/05, BFHE 213, 406, BStBl II 2006, 919, unter II. 2.; und vom 22.10.2014 – II R 10/14, BFHE 247, 340, BStBl II 2015, 401, Rz 13 a.E., m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.1998 – 11 C 6/97, BVerwGE 106, 345, unter 2.b; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.06.2009 – OVG 70 A 2.07; Nds. OVG, Urteil vom 06.07.2010 – 15 KF 25/09[↩]
- vgl. zu den Einzelheiten Urteil des OVG des Landes Sachsen-Anhalt vom 31.08.2021 – 8 K 2/20 Rz 26 ff.[↩]
- vgl. OVG LSA, Urteil vom 31.08.2021 – 8 K 2/20 Rz 27, zum Bodenordnungsverfahren; ferner Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 17.01.2019 – 100 U 3/16 (Baul) Rz 32, zum Umlegungsverfahren nach dem BauGB[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 20.05.1998 – 11 C 7/97 unter 2.; und vom 14.12.2005 – 10 C 6/04, BVerwGE 125, 9 unter 2.b, sowie BVerwG, Beschluss vom 26.10.2016 – 9 B 70/15 Rz 5[↩]
- so implizit BFH, Urteil in BFHE 213, 406, BStBl II 2006, 919, unter II. 3.a; in diesem Sinne auch, sowohl für Mehrausweisungen nach § 44 Abs. 3 FlurbG als auch für Zuteilungen nach § 54 Abs. 2 FlurbG, BFH, Urteil in BFHE 247, 340, BStBl II 2015, 401, Rz 13, m.w.N.; ebenso bereits FG Nürnberg, Urteil vom 19.07.2001 – IV 233/2000, unter 1.b; und FG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.02.2005 – 1 K 241/04[↩]
- vom 21.12.2020, BGBl I 2020, 3096[↩]
- ähnlich für einen baurechtlichen Umlegungsbeschluss BFH, Urteil vom 25.11.1992 – II R 67/89, BFHE 169, 533, BStBl II 1993, 308, unter II. 1.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 31.10.1975 – IV C 8.74 bis 11.74, BVerwGE 49, 301, Neue Juristische Wochenschrift 1976, 723, Leitsatz 1[↩]
- BVerwG, Urteil vom 18.12.1987 – 4 C 9/86, BVerwGE 78, 347, Leitsatz 3[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 28.03.2007 – II R 57/05, BFH/NV 2007, 1537, unter II. 1.[↩]
- dazu BFH, Urteil vom 29.09.2005 – II R 23/04, BFHE 210, 531, BStBl II 2006, 137, unter II. 1.b, c, zu einem Umwandlungsvorgang[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 210, 531, BStBl II 2006, 137, unter II. 1.c[↩]
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