Grunderwerbsteuer bei Erwerb von Gesellschaftsanteilen durch einen Treuhänder

Ein Treuhänder kann den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes erfüllen, wenn sich in seiner Hand erstmalig alle Anteile einer grundbesitzenden GmbH unmittelbar oder mittelbar vereinigen. Es kommt nicht darauf an, dass der Treuhänder einen Teil der Anteile für Rechnung seines Auftraggebers (Treugeber) erwirbt.

Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG werden die Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG durch das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks dieses Finanzamts liegendes Grundstück oder ein auf das Gebiet eines anderen Landes sich erstreckender Teil eines im Bezirk dieses Finanzamts liegenden Grundstücks betroffen wird. Zu den nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen gehören die verbindliche Entscheidung über die Steuerpflicht des jeweiligen Erwerbsvorgangs dem Grunde nach, über die als Steuerschuldner in Betracht kommenden natürlichen oder juristischen Personen und über die Finanzämter, die zur Steuerfestsetzung berufen sind. Zu den Besteuerungsgrundlagen gehört auch die Angabe der betroffenen Grundstücke. Gesondert festzustellen ist außerdem der Zeitpunkt, auf den der Grundbesitz der Gesellschaft nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG zu bewerten ist[1].

Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Steuer -soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a der Vorschrift nicht in Betracht kommt- ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist gleichermaßen auf grundbesitzende Personen- und Kapitalgesellschaften anwendbar. Der Wortlaut der Vorschrift, der von „Vermögen“ und „Anteil“ an einer grundbesitzenden „Gesellschaft“ spricht, differenziert insoweit nicht. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG knüpft die Steuerpflicht an das Rechtsgeschäft und nicht an die tatsächliche Vereinigung der Gesellschaftsanteile in einer Hand[2]. Dieser Tatbestand erfasst die infolge der Vereinigung der Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand spezifisch grunderwerbsteuerrechtlich veränderte Zuordnung von Grundstücken. Die Vorschrift will die Sachherrschaft erfassen, die jemand hinsichtlich des Gesellschaftsgrundstücks aufgrund der rechtlichen Verfügungsmacht über die Gesellschaftsanteile erlangt[3].

Die mögliche Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kann dadurch erfolgen, dass sich die Anteile in der Hand des Erwerbers teils unmittelbar und teils mittelbar vereinigen[4]. Der Erwerber erwirbt einen Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar, wenn er zivilrechtlich Gesellschafter dieser Gesellschaft wird[5]. Dies gilt auch für einen Treuhänder, der die sich in seiner Hand vereinigenden Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft für Rechnung seines Auftraggebers (Treugeber) erwirbt. Er kann Erwerber im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG sein[6]. Ein Treuhandverhältnis kann unter anderem dadurch begründet werden, dass der Treuhänder Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft im Auftrag des Treugebers von einem Dritten erwirbt (Erwerbstreuhand)[7]. Der Treuhänder ist dann unmittelbarer und der Treugeber mittelbarer Gesellschafter[8].

Die BFH-Rechtsprechung zur Steuerbarkeit der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei Personengesellschaften durch schuldrechtliche Bindungen hinsichtlich des Anteils am Gesellschaftsvermögen[9] steht der Annahme einer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbaren Anteilsvereinigung bei Erwerb durch einen Treuhänder nicht entgegen. Sie ist zu anderen Sachverhalten ergangen. Sie enthält keine Aussage zu der Frage, ob auch in der Hand eines Treuhänders, der zivilrechtlicher Eigentümer von Gesellschaftsanteilen wird, durch die Übertragung dieser Anteile, die zu einer erstmaligen Vereinigung von mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile führt, der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht werden kann.

Auch hindert das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 03.03.2015[10] nicht die Annahme einer steuerbaren Anteilsvereinigung bei dem erwerbenden Treuhänder. Diese Entscheidung besagt lediglich, dass bei Begründung eines Treuhandverhältnisses hinsichtlich eines Anteils an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft der Treuhänder unmittelbarer und der Treugeber mittelbarer Gesellschafter ist. Danach erfüllt auch der Treuhänder den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, wenn er Inhaber von mindestens 95 % der Gesellschaftsanteile und dadurch unmittelbarer Gesellschafter der Gesellschaft wird.

Schließlich führt auch die BFH-Rechtsprechung, nach der die bloße Auswechslung eines Treuhänders nicht zu einem steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG führt[11], nicht zu einem anderen Ergebnis. Diese Rechtsprechung erging zu der Frage, ob der Treugeber den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG bei der Auswechslung des Treuhänders erfüllt, wenn sich Anteile an einer Gesellschaft mittelbar in seiner Hand vereinigen. Die im vorliegenden Fall zu beurteilende Frage, ob ein Treuhänder bei dem unmittelbaren (Zu-)Erwerb von Gesellschaftsanteilen den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklichen kann, betrifft einen anderen Sachverhalt, zu dem die zitierte Rechtsprechung keine Aussage enthält.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. April 2024 – II R 34/21

  1. BFH, Urteil vom 16.03.2022 – II R 24/20, BFH/NV 2022, 1196, Rz 15[]
  2. BFH, Urteil vom 16.03.2022 – II R 24/20, BFH/NV 2022, 1196, Rz 19 ff.[]
  3. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Beschluss vom 22.01.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412, Rz 15, m.w.N.[]
  4. BFH, Urteil vom 04.03.2020 – II R 2/17, BFHE 270, 240, BStBl II 2020, 511, Rz 15[]
  5. BFH, Urteil vom 27.09.2017 – II R 41/15, BFHE 260, 94, BStBl II 2018, 667, Rz 14[]
  6. vgl. Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.09.2018, BStBl I 2018, 1074, Tz 3.1; vgl. auch Meßbacher-Hönsch in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 20. Aufl., § 1 Rz 1167[]
  7. vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 20. Aufl., § 1 Rz 128[]
  8. vgl. BFH, Urteil vom 03.03.2015 – II R 30/13, BFHE 249, 212, BStBl II 2015, 777, Rz 16[]
  9. z.B. BFH, Urteile vom 09.07.2014 – II R 49/12, BFHE 246, 215, BStBl II 2016, 57; vom 25.11.2015 – II R 18/14, BFHE 251, 492, BStBl II 2018, 783; und vom 30.08.2017 – II R 39/15, BFHE 260, 87, BStBl II 2018, 786[]
  10. BFH, Urteil vom 03.03.2015 – II R 30/13, BFHE 249, 212, BStBl II 2015, 777[]
  11. z.B. BFH, Urteil vom 16.07.1997 – II R 8/95, BFH/NV 1998, 81; BFH, Beschluss vom 22.01.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412, Rz 11[]