Europarechtswidrige Quellensteuerentlastung?

Direkte Steuern: Europäische Kommission fordert Deutschland förmlich auf, seine Missbrauchsbekämpfungsvorschriften bei Quellensteuerentlastungen zu ändern

Europarechtswidrige Quellensteuerentlastung?

Die Europäische Kommission hat Deutschland förmlich aufgefordert, seine Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung bei Quellensteuerentlastungen zu ändern. Beanstandet wird § 50d Absatz 3 Unterabsatz 1 Nummer 2 EStG. Hiernach werden einer ausländischen Gesellschaft keine Quellensteuerentlastungen gewährt, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Entlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten und wenn die ausländische Gesellschaft keiner eigenen Wirtschaftstätigkeit nachginge.

Mit ihrer Aufforderung kritisiert die Kommission nicht das mit der Missbrauchsbekämpfungsmaßnahme verfolgte Ziel, sondern lediglich die unverhältnismäßigen Anforderungen an ausländische Unternehmen zur Erbringung des Nachweises einer eigenen Wirtschaftstätigkeit.

Mit der deutschen Bestimmung zur Missbrauchsbekämpfung sollen Steuerpflichtige, die keinen Anspruch auf Entlastung von der Quellensteuer (Freistellung oder Erstattung) haben, davon abgehalten werden, sich diese Entlastung dadurch zu verschaffen, dass sie ein ausländisches Unternehmen nur zu diesem Zweck gründen. Zu diesem Zweck werden gemäß der Bestimmung zur Missbrauchsbekämpfung Steuerentlastungen nicht gewährt, wenn

  • für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder
  • die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 Prozent ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahres aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt oder
  • die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.

Die beanstandete Maßnahme ist nach Auffassung der EU-Kommission insbesondere im Hinblick auf die zweite vorgenannte Bedingung unverhältnismäßig, bei der keine Möglichkeit zum Nachweis des Gegenteils gegeben ist. Daher geht die deutsche Vorschrift über das für die Erreichung des Ziels der Vermeidung der Steuerhinterziehung erforderliche Maß hinaus.

Die Aufforderung der Kommission ergeht in Form einer mit Gründen versehenen Stellungnahme als zweitem Schritt des Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Artikel 258 AEUV. Erhält die Kommission innerhalb von zwei Monaten keine zufriedenstellende Antwort auf diese Stellungnahme, kann sie den Europäischen Gerichtshof anrufen.

Europäische Kommission – 2007/4435