Entscheidung über das Ablehnungsgesuch – und die Mitwirkung des abgelehnten Richters

Die Mitwirkung des abgelehnten Richters bei der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ist schon dann willkürlich, wenn die Ablehnung des Gesuchs ein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand, den Verfahrensstand oder den Akteninhalt erfordert.

Entscheidung über das Ablehnungsgesuch – und die Mitwirkung des abgelehnten Richters

Über ein Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht nach § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO), § 45 ZPO nach vorheriger dienstlicher Äußerung des abgelehnten Richters ohne dessen Mitwirkung. Etwas anderes kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Ablehnungsgesuch offensichtlich rechtsmissbräuchlich oder aus anderen Gründen unzulässig ist[1]. In Betracht kommt die Ablehnung eines ganzen Spruchkörpers oder ein Gesuch, das offenbar grundlos ist und erkennbar nur der Verschleppung des Rechtsstreits dienen soll[2].

Die Selbstentscheidung des abgelehnten Richters ist vor dem Hintergrund der Garantie des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur gerechtfertigt, soweit die durch den Ablehnungsantrag erforderliche Entscheidung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters und damit keine Entscheidung in eigener Sache voraussetzt. Über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum Richter in eigener Sache machen[3]. Grundsätzlich wird eine Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig nur in Betracht kommen, wenn das Ablehnungsgesuch für sich allein -ohne jede weitere Aktenkenntnis- offenkundig die Ablehnung nicht zu begründen vermag; ist hingegen ein -wenn auch nur geringfügiges- Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet die Ablehnung als unzulässig aus[4]. Dann ist die Entscheidung durch den abgelehnten Richter selbst willkürlich[5].

So liegt auch der hier vom Bundesfinanzhof entschiedene Fall einer Richterablehnung beim Finanzgericht München[6]: Das am Tag der mündlichen Verhandlung um 01:59 Uhr per Fax übermittelte Ablehnungsgesuch des Klägers ist nicht nur auf die vom Kläger für unrichtig erachtete Ablehnung seines Antrags auf Verlegung des Termins gestützt, sondern auch auf die sachliche Behandlung des Akteneinsichtsgesuchs seines in einem anderen Verfahren mandatierten Prozessbevollmächtigten und die Verlegung des auf denselben Tag anberaumten Verhandlungstermins in jenem Verfahren auf Antrag des dortigen Bevollmächtigten sowie die seines Erachtens im vorliegenden Verfahren fehlende Beiziehung von Akten. Diese Erwägungen sind nicht aus sich heraus offensichtlich rechtsmissbräuchlich. Das Finanzgericht hat dies auch erkannt und ist darauf eingegangen, indem es im Urteil ausgeführt hat, der Prozessbevollmächtigte habe sich im vorliegenden Verfahren (noch) nicht legitimiert, er habe auch weder Akteneinsicht noch die Beiziehung von Akten beantragt. Das Gericht setzt sich insoweit mit dem Akteninhalt auseinander und verlässt den Rahmen einer reinen Formalentscheidung. Seine Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben.

Gestützt wird diese Beurteilung im vorliegenden Fall noch durch den Umstand, dass über den Ablehnungsantrag des Klägers auch noch der 11. Senat des Finanzgerichts ohne Mitwirkung der abgelehnten Richterin entschieden hat. Richtigerweise hätte die abgelehnte Einzelrichterin die mündliche Verhandlung absetzen und die Entscheidung des 11. Senats abwarten müssen.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 5. Juni 2019 – IX B 121/18

  1. vgl. BFH, Beschlüsse vom 04.03.2014 – VII B 131/13, BFH/NV 2014, 1055; vom 03.07.2014 – V S 15/14, BFH/NV 2014, 1574[]
  2. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15.06.2015 – 1 BvR 1288/14 Rz 15, m.w.N.[]
  3. vgl. nur BFH, Beschluss vom 29.12 2015 – IV B 68/14, BFH/NV 2016, 575, Rz 4; BVerfG, Beschlüsse vom 02.06.2005 – 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01, BVerfGK 5, 269, NJW 2005, 3410, unter IV.02.a; und vom 15.06.2015 – 1 BvR 1288/14[]
  4. BVerfG, Beschluss vom 11.03.2013 – 1 BvR 2853/11[]
  5. BFH, Beschluss vom 05.04.2017 – III B 122/16, BFH/NV 2017, 1047[]
  6. FG München, Urteil vom 27.09.2018 – 11 K 2862/16[]